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Wenn Frauen boxen

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Oh, Kowatsch Ilona – welches ungeheure Glück, mit dir nicht verheiratet zu sein! Täglich wandern tausend Menschen ins Metropolkabarett, freuen sich über Tänzerinnen, Komiker und Akrobaten; aber des wahren Glückes werden sie erst leibhaftig, wenn sie dich boxen sehen, Kowatsch Ilona.

Du fielst mir gleich auf, als du mit deinen elf boxenden Gefährtinnen in den Ring tratest zur gemeinsamen Vorstellung. Mit euren Wadenstrümpfchen, in schwarzen Röcken und weißem Sweater erschienet ihr wie hübsche zutunliche Tiere. Die korrekte Bravheit, mit der ihr kamt, euch verbeugtet und wieder ginget, erschien mir sogar als ein Muster von Dressur, wie man es bei Frauen selten erreicht. Indessen als du, Kowatsch Ilona, nur den Kopf zum Gruße vorstrecktest – die dumpfen wilden Augen uns sehen ließest –, dachte ich gleich: Nicht allein mit dir im Wald möcht ich wandeln, unter gar keinen Umständen!

Was sind deine Kolleginnen, die vor dir in den Ring traten, für taubenähnliche Wesen. Schon die Namen – Mitzi, Franzi, Pepi, Anni, Fritzi – wie klingt das lieb und nett gegen dein dräuendes Ilona. Und diese andern beboxten sich nicht ohne Anmut. Man hat es euch ja auch etwas erleichtert. Ihr braucht nicht bis zur Kampfunfähigkeit zu raufen. In dem »Ring« ist noch ein engeres Feld mit Fähnchen abgesteckt; wer mit beiden Füßen außerhalb des Feldes steht (oder liegt), ist besiegt.

Wie nett und anständig besiegen die blonde Steffi, die dunkle Pepi ihre Partnerinnen! Man watscht sich die braunen Boxhandschuhe um die sorgfältig geschminkten Wangen – der tapfere, messende, aufmerksame Blick aus Franzis schönen Augen ist sogar eine kleine Sehenswürdigkeit, und keinem Mann wäre es unangenehm, so betrachtet zu werden. Wird die Runde abgepfiffen, so ist die Helferin nicht nur um Kühlung für die Ruhende besorgt, sie bringt auch die Löckchen unter der weißen Kampfhaube in Ordnung. Jawohl, dem Spiel eurer Kräfte sah ich gerne zu. Denn Zierlichkeit blieb eurem Kampf nicht fremd, und Mut und Geschicklichkeit, auch des Sportes Ehrsamkeit widersprachen nicht eurem Weibsein!

Dann aber kam Ilona. Mit dunkler Wut betrachtete sie schon vom Stuhle aus ihre Gegnerin, die blonde Fritzi aus Bayern – ein Pfiff: Ilona springt auf wie ein wildes entfesseltes Raubtier. Die eigene Wut scheint ihr nicht groß genug, sie stößt wütende Zischlaute aus, gellende Kriegsrufe. Ob dieser Unsportlichkeit ist das Publikum halb empört – halb belustigt. Nur die Belustigung wächst zum Taumel. Denn Ilona hüpft dröhnend, wie auf vier Füßen, um die Gegnerin, sie schreit, sie rast, sie tobt. Mit den Händen teilt sie verbotene Püffe aus – aber sie begnügt sich nicht mit den Händen. Als ihr unversehens die Partnerin auf die Zehen tritt, heult Ilona wild auf, erst in Schmerz; dann in Wut. Sie versucht den Fußtritt zu erwidern. Trotz der warnenden Pfeife boxt sie weiter oder hört auf zu boxen, umschlingt den Hals der Gegnerin. Der Schiedsrichter will sie trennen, da stürzt sie sich auf ihn, um ihn regelrecht zu verprügeln. Er besinnt sich auf seine Würde und gibt ihr eine schallende Ohrfeige. –

Pause. – Ilona ruht mit zitternden mächtigen Flanken, Arme, Beine weit von sich gestreckt. Das Auge in wirrer Versunkenheit, Haß, Rache speiend. Noch einmal geht es zum Kampf – Ilona besinnt sich auf keinen Schlag mehr, der erlaubt ist. Sie stößt mit den Füßen, sie heult, sie zischt; das Publikum schreit: »Raus, raus!« Da schlägt Fritzi mit einem Schlage Ilona nieder, so daß sie unter den mit Flaschen besetzten Tisch der Unparteiischen fällt – besiegt. Aber Ilona springt wieder auf, trägt den Tisch plötzlich auf dem Rücken – die Flaschen fallen vom Tisch, die Unparteiischen von den Stühlen, der Tisch vom Rücken Ilonas, die sich mit neuer Wut auf Fritzi stürzen will. Indessen man bändigt sie – die wilden Proteste des Publikums erwidert sie mit wilderen unartikulierten Lauten. Einen Augenblick fürchtet man, sie könne ins Publikum hinabspringen, nicht weniger furchtbar als ein entlaufener Löwe.

Oh, Kowatsch Ilona – lehn deine Wang’ niemals an meine Wang’!

Juni 1921

Die Nase der Sphinx oder Wie wir Berliner so sind

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