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Berliner

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Frühmorgens, auf der Potsdamer Tram, die zum Bahnhof fährt, stehen zwei prächtig gediehene Geschäftsherren; man hört aus dem Gespräch: Jeder hat seine bedeutende Firma in Berlin; jeder hat seit fünfzehn Jahren seine Wasservilla in Potsdam. Es sind ideal veranlagte Menschen, denn sie preisen die Schönheit der Havel, den Reiz ihrer Gärten, den Ausfall ihrer Spargelernte. Nun, auf der Nauener Straße, sprechen sie mit Entzücken von den Potsdamer Architekten. Sie überbieten sich in ihrer Kenntnis jedes einzelnen Hauses; wie fein seien die Verhältnisse abgewogen, wie reizend dieses Kapitäl, wie würdig und heiter das Ganze.

Und dann sagt der gewichtigere der beiden Herren: »Wie unkultiviert dagegen das traditionslose Berlin!« Der andere fügt dazu: »Und zu denken: Diese Ochsen von Berlinern kommen tausendweis nach Potsdam und sehen von alle den Schönheiten nichts!«

Beim Anhören dieser Worte werde ich ein bißchen traurig. Ich weiß natürlich, daß nicht jeder Berliner seine Wasservilla in Potsdam hat, daß er nicht alle Tage über den Potsdamer Alten Markt fährt, daß das feinere Verständnis für Architektur nicht gleichmäßig allen Berliner Kindern mit der Muttermilch überkommen ist. Aber ich weiß auch, daß – wenn die Berliner nach Potsdam fahren – sie dies tun, um schöne Häuser und schöne Parks zu sehen. Daß sie dabei auf ihre Art fröhlich sind und die Gastwirtschaften füllen. Und daß sie in dieser pikfeinen Stadt immer ein bißchen wie auf den Zehenspitzen gehen, weil ja die Schönheit nicht immer »verstanden« werden muß – weil sie sich zuweilen, und gerade in Potsdam, offenbart und auch den einfachsten Menschen überwältigt.

Ich würde ja so gern noch viel zum Lobe von uns Berlinern sagen, wenn ich nicht wüßte, daß der Herr mit der Wasservilla, der von uns Ochsen gesprochen hat – Berliner ist.

Juni 1925

Die Nase der Sphinx oder Wie wir Berliner so sind

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