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Das Pfingstgeschenk

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Abends im Vorortzug, der die Eingeborenen nach dem Arbeitstag in der Großstadt zu ihren Landhäusern und Gärten zurückführt. Eine besondere und fröhliche Rasse, diese Eingeborenen. Man sieht es ihnen an: Die revolutionären Elemente unter ihnen wählen Deutsche Volkspartei. Sie haben das Talent, den Ärger des Geschäfts im Augenblick zu vergessen, wo sie in der Bahn sitzen. Man ist da immer so behaglich zusammen, auch ist manchmal eine eingeborene Dame dabei, die in Berlin ihre Einkäufe gemacht hat. Also, man plaudert und lacht schon, bevor der Zug losgeht. Im letzten Moment kommt noch ein Herr, ein rüstiger, behaglicher Mann mit großem Paket.

Man begrüßt ihn: »Nanu, Sie in Berlin, Sie hatten es doch nicht nötig!« Der Herr lächelt auf eine feine Art – nein, das ist kein Kaufmann. Vielleicht ... jedenfalls Akademiker.

Dann denkt sie plötzlich daran, wie die Herrschaften zu Hause eingerichtet sein mögen. Behaglich auf alle Fälle – sicher nicht protzig. Nur eben so, wie man es in den Möbelfabriken sieht. Wie denn auch anders! Vielleicht bei dem Akademiker doch ein wenig besonders. Sicher sieht‘s ein bißchen so aus, als wäre er der Direktor des vorstädtischen Gymnasiums. Die Schulmeister haben zuweilen ihre Finessen.

Der Zug geht ab. Und die Dame fragt: »Was haben Sie wirklich in der Stadt gemacht?«

Und er lächelt wieder auf seine feine, etwas listige Weise. »Ich habe ein Geburtstagsgeschenk für meine Frau abgeholt. Diesmal fällt Pfingsten gerad auf ihren Geburtstag, und da habe ich mir was ausgedacht. Meine Frau steht doch morgens so spät auf ...«

Schon ist er dabei, das breite und flache Paket auszupacken. Man merkt ihm an, er tut es nicht sosehr, um es den anderen zu zeigen, wie um sich selbst noch mal an dem Anblick zu laben. Also löst er bedächtig, wenn auch mit leis erregten Fingern die äußere Papierhülle. Dann gibt es eine zweite Hülle aus gewellter Pappe. Dann waren zwei flache Gegenstände in Seidenpapier sichtbar – ich erkenne sofort zwei Bilderrähmchen.

Ich hab‘s doch gewußt, ein kultivierter Mann. Er hat jetzt Gravüren rahmen lassen – aber welche? Seine Frau steht so spät auf – vielleicht was ganz Modernes, Problematisches, fürs Schlafzimmer, was der Frau keine Ruhe läßt, stundenlang halboffenen Auges vor sich hin zu blinzeln. Vielleicht auch was Ermunterndes, wie das süße Schwindsche Morgenbild aus der Schackgalerie, das in allen Kunsthandlungen zu haben ist. Aber es sind doch zwei Rähmchen.

Und nun enthüllt er sie. Die Rähmchen sind aus feinstem Mahagoni. Aber es ist kein Bild drin, sondern mit großer schwarzer Druckschrift und goldener Verzierung ist auf das eine gemalt:

»Der Schlaf vor Mitternacht ist der beste!«

und auf das andere:

»Morgenstunde hat Gold im Munde!«

Die Rahmen werden herumgezeigt. Man ist sprachlos. Und der glückliche Schenker fügt erklärend hinzu: «Abends liest sie so lange Zeitung, und morgens kann sie nicht aufstehen!«

Die Dame versucht eine Einwendung: »Ob sich Ihre Frau sehr dazu freuen wird ...«

»Aber sicher – es ist doch kein Druck – alles mit der Hand gemalt – eigens angefertigt.«

»Und die hängen Sie nun als Pendant nebeneinander auf?«

»I wo – der Schlaf vor Mitternacht kommt ins Wohnzimmer, wo sie abends immer liest – und die Morgenstunde ins Schlafzimmer.«

»Hm.«

Bescheiden packt er seine Bilder wieder ein. Ich aber weiß nun, wie mein Akademiker eingerichtet ist.

Mai 1925

Die Nase der Sphinx oder Wie wir Berliner so sind

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