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b) Welche Verfassung des öffentlichen Dienstes?

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Der Aufbau des öffentlichen Dienstes steht in engem Zusammenhang mit seinen historischen und politischen Entstehungsvoraussetzungen. Er wird durch die Besonderheiten der Beziehung zwischen dem Beamten (fonctionnaire) und seinem „Arbeitgeber“ beherrscht, die einerseits darauf beruhen, dass Letzterer mit der Befriedigung des allgemeinen Interesses eine besondere Aufgabe verfolgt, andererseits darauf, dass der Beamte weder ein einfacher Angestellter noch ein Bürger wie jeder andere sein kann. Die Berücksichtigung dieser spezifischen sozialen Voraussetzungen verschafft dem Beamten einen besonderen rechtlichen Status, in dessen Zentrum der service public steht.

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Die besondere soziale Stellung des Beamten wird rechtlich sehr früh berücksichtigt. So sah schon die Verfassung von 1848 vor, dass die Voraussetzungen für die Ernennung und Entlassung der Beamten durch Gesetz geregelt werden müssten – was nicht geschah. Ferner wurde in bruchstückhaften Verordnungstexten für das Personal bestimmter Verwaltungsbehörden der III. Republik festgelegt, dass ihre Bindung an die Verwaltung nicht durch Vertrag erfolgen dürfe: Die Ernennung ist ein einseitiger Akt, durch den der Beamte in einen gesetzes- und verordnungsrechtlichen Status eingesetzt wird. Nach einem ersten Text, der unter dem Vichy-Regime erlassen und nach der Befreiung Frankreichs für nichtig erklärt worden war, wurde durch das Gesetz vom 19.10.1946 ein allgemeines Beamtenstatut (statut général des fonctionnaires) eingeführt. Seither haben sich weitere Statute (zunächst das Statut von 1959 und schließlich das heute gültige Statut in der Fassung der Gesetze von 1983, 1984 und 1986)[61] der Aufgabe angenommen, die Rechtsstellung des Beamten und die Rahmenbedingungen des öffentlichen Dienstes festzulegen. Die rechtliche Entwicklung hat zum Übergang von einer Konzeption „Beamter als Untertan“ zu einer Konzeption „Beamter als Bürger“ geführt. Neben das allgemeine Statut treten verordnungsrechtliche besondere Statute (statuts particuliers) für einzelne Beamtengruppen. Die Regelungen gelten für alle Mitglieder des öffentlichen Dienstes in einem besonderen Statusverhältnis (agents statutaires), die zum größten Teil Beamte (fonctionnaires), aber auch Hilfskräfte (auxiliaires) und Auszubildende (stagiaires) sind. Darüber hinaus beeinflussen sie die Regelungen für die Angestellten im öffentlichen Dienst. Bemerkenswert ist, dass die (vor allem soziale) Weiterentwicklung des Beamtenstatuts die arbeitsrechtliche Gesetzgebung beeinflusst hat. Heute beeinflussen sich das Recht des öffentlichen Dienstes und das private Arbeitsrecht wechselseitig.

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Es bleibt festzuhalten, dass sich das Beamtenrecht vom privaten Arbeitsrecht unterscheidet, um den Anforderungen des service public Rechnung zu tragen, ohne dass dies die demokratischen Rechte des Beamten als Staatsbürger beeinträchtigt. Ein besonderes Beamtenstatut ist dadurch gerechtfertigt, dass widersprüchlichen Erfordernissen Rechnung getragen werden muss. Es führt aber im Namen der Grundsätze der Gleichheit und Einheit, auf denen es beruht, zu Unbeweglichkeit und Ineffizienz. Wenn eine Modernisierung des öffentlichen Dienstes geboten ist, was ohne Zweifel der Fall ist, so sind es die Grundlagen des öffentlichen Dienstes, die, getragen von der liberalen Ideologie, grundsätzlich in Frage gestellt werden müssen.

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