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bb) Beteiligung an der Normsetzung

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Die weitreichenden Befugnisse der Exekutive im Gesetzgebungsverfahren werfen die Frage auf, wie frei die Legislative bei der Einbringung von Vorschlägen, ihrer Diskussion und der abschließenden Entscheidung noch ist, unterliegt doch das Gesetzgebungsverfahren bestimmten Verfahrenszwängen wie etwa den Regeln über die Festlegung der Tagesordnung, die von der Regierung beherrscht wird (Art. 48 CF), oder der Befugnis der Regierung, das Parlament zur Annahme eines Entwurfs ohne Änderung und Debatte zwingen zu können (Art. 44 und Art. 49 Abs. 3 CF).[97] Zudem ist zu bedenken, dass der großen Mehrheit der verkündeten Gesetze Regierungsentwürfe zugrunde liegen. Die Gesetzesentwürfe werden dabei ebenso wie die Verordnungsentwürfe auf ministerielle Anordnung von den jeweiligen Verwaltungen ausgearbeitet; sie sind Gegenstand interministerieller Debatten und einer Überprüfung durch die juristischen Dienste, die sich in allen Ministerien entwickelt haben. Im Laufe dieses verwaltungsinternen Prozesses und vor ihrer Annahme durch den Conseil des ministres (Ministerrat), das höchste Gremium der interministeriellen Zusammenarbeit, werden die Gesetzes- und Verordnungsentwürfe aufgrund verfassungsrechtlicher Bestimmungen dem Conseil d’État vorgelegt, der traditionell die Regierung berät und das einzige umfassende Konsultativorgan ist.

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Der Conseil d’État bezieht seine Macht aus seiner Doppelfunktion als Berater und als Gericht. Aus diesem Grund und obwohl ihm die Kompetenz für die in Rede stehende Materie rechtlich nicht übertragen worden ist, haben die prinzipiell geheimen Stellungnahmen des Conseil d’État selbst dort, wo ihre Einholung nicht obligatorisch ist, große Bedeutung erlangt. Obligatorisch ist die Einholung der Stellungnahme des Conseil d’Etat vor der Beratung im Conseil des ministres für alle Gesetzesentwürfe, alle Verordnungsentwürfe (die daher als „décrets en Conseil d’État“ bezeichnet werden) sowie alle anderen Texte, für die eine Vorlage gesetzlich vorgesehen ist. Die Regierung ist zwar nicht verpflichtet, der Stellungnahme zu folgen, sie kann aber nur entweder den ursprünglichen Entwurf beibehalten oder ihn in der Fassung der Stellungnahme des Conseil d’État weiterverfolgen. Unzulässig ist die Verwendung einer dritten Fassung, ohne dass diese zuvor erneut dem Conseil d’État vorgelegt wird. Außerdem kann die Regierung fakultative Stellungnahmen einholen (bei den sogenannten décrets simples) oder auch Stellungnahmen zu „Schwierigkeiten im Bereich der Verwaltung“. Der Conseil d’État erstellt ferner Untersuchungen zu bestimmten Themengebieten, die (zum Beispiel im Bereich der Bioethik) Ausgangspunkt von Gesetzesvorhaben sein können. Um seine Beratungsfunktion erfüllen zu können, hat er spezielle Strukturen, die erst kürzlich gestärkt worden sind. Ein Dekret vom 6.3.2008, das der erste Bestandteil eines umfassenden Vorhabens ist, enthält vor allem eine Antwort auf die seit beinahe 20 Jahren kritisierte – schlechte – Qualität der Normen und ihre inflationäre Vermehrung. In der Annahme, dass „Frankreich zu viel und zu schlecht legiferiert“,[98] hat der Conseil d’État zwei Berichte zur Rechtssicherheit veröffentlicht, 1991 und 2006.[99] Zu dieser Situation, deren Gründe vielfältig sind, tritt die Entwicklung der übertragenen Gesetzgebung, die im Begriff ist, zum üblichen Modus der Gesetzgebung zu werden.[100]

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Als Beteiligter am Rechtsetzungsverfahren ist der Conseil d’État großem qualitativen und quantitativen Druck ausgesetzt, da er bei der Rechtsetzung mittels gesetzesvertretender Verordnungen (législation par ordonnances) noch enger in die Ausarbeitung der Texte einbezogen ist. So hat der Conseil d’État alleine 2005 und nur unter Berücksichtigung der Zusammenkünfte der assemblée générale (Vollversammlung) 44 Sitzungen abgehalten, „die oft von 9 bis 20 Uhr dauerten. Die assemblée générale hat dabei 48 Gesetzesentwürfe der Regierung (darunter vier Entwürfe verfassungsausführender Gesetze), zehn Entwürfe betreffend den Abschluss internationaler Abkommen und 74 Entwürfe gesetzesvertretender Verordnungen geprüft.“[101] Um in dieser Situation die Effektivität der Tätigkeit zu steigern, ohne die Zahl der Mitglieder zu erhöhen, wurde einerseits eine neue section de l’administration (Sektion für die Verwaltung) eingerichtet, mit der zusammen nun fünf statt wie bisher vier Sektionen beratende Aufgaben wahrnehmen.[102] Andererseits wird die Behandlung der vorgelegten Angelegenheiten nach ihrer Bedeutung und Komplexität abgeschichtet. Und schließlich gibt es eine neue Zuständigkeitsverteilung unter den beratenden Organen. Die Strukturreform im Bereich der beratenden Tätigkeit des Conseil d’État knüpft an das Bestreben an, seine Rolle im Rechtsetzungsverfahren zu stärken. Es ist angesichts der Allgemeinheit und Ausgestaltung ihrer Aufgaben tatsächlich schwer, zwischen der section de l’administration und der section de législation (Sektion für Gesetzgebung) keine Analogie zu ziehen, zumal dies in den Kontext passt. Denn auf den Vorschlag der Balladur-Kommission hin, auch der Legislative nach dem Vorbild der Exekutive die Möglichkeit einzuräumen, den Conseil d’État für eine Stellungnahme zu einem Gesetzesentwurf anzurufen,[103] hat der verfassungsändernde Gesetzgeber schließlich im Zuge der Verfassungsänderung vom 23.7. 2008 einen Art. 39 Abs. 5 CF eingefügt: „Nach Maßgabe dieses Gesetzes kann der Präsident einer Kammer dem Conseil d’État einen Gesetzesvorschlag eines der Mitglieder dieser Kammer vor seiner Beratung im Ausschuss zur Stellungnahme vorlegen, sofern dieses Mitglied dem nicht widerspricht.“[104] Die Regelung ist bisher nicht zur Anwendung gekommen und es ist mit Blick auf konträre Traditionen auch zweifelhaft, ob dies jemals geschehen wird. Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass der Conseil d’État als Verwaltungsorgan, das seine Legitimität aus seiner fachlichen Kompetenz bezieht, im Zentrum einer Bewegung steht, die auf die Aufwertung der Rolle von Experten bei der Ausarbeitung der Gesetze zielt.

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