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aa) Erlass von Normen
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Als wichtigste Neuerung der Verfassung von 1958 haben sich allmählich die materiellen Grenzen der parlamentarischen Gesetzgebung herauskristallisiert. Über einen langen Zeitraum hinweg, in dem Gesetz- und Verordnungsgebung nicht aufgrund des Regelungsgegenstands, sondern im Sinne eines Stufenverhältnisses voneinander abgegrenzt wurden, unterlag die parlamentarische Gesetzgebung keinen inhaltlichen Grenzen: Das parlamentarische Gesetz enthielt die eigentliche Regelung, die Verordnung sicherte ihre Ausführung. Erst während der III. und IV. Republik ändert sich dieser Ansatz. Es kommt zu einer „Spaltung“ innerhalb der verordnungsgebenden Gewalt: An die Seite der gesetzesausführenden tritt die autonome Verordnung, die es der Exekutive ermöglicht, Regelungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und zur Gewährleistung eines funktionierenden service public zu treffen.[90] Gleichzeitig definiert die Verwaltungsgerichtsbarkeit die Bereiche, die nach republikanischer Tradition dem Gesetz vorbehalten sind.[91] Zusätzlich werden in den 1920er-Jahren Gesetzgebungsbefugnisse auf den Verordnungsgeber übertragen. Rechtsakte, die auf dieser Grundlage erlassen wurden, wurden als Akte der Verwaltung angesehen, bis sie vom Parlament ratifiziert wurden. Art. 13 der Verfassung von 1946[92] verbietet diese Praxis, wird aber auf drei komplementären Wegen umgangen: Das als „loi Marie“ bezeichnete Gesetz vom 17.8.1948, der erste Versuch einer Unterscheidung zwischen Gesetz und Verordnung nach Maßgabe des Regelungsgegenstands, definiert Bereiche, für die kraft Natur der Sache der Verordnungsgeber zuständig ist. Das Parlament erlässt insoweit nur „lois cadre“ (Rahmengesetze), die der Regierung einen Spielraum belassen. Die Stellungnahme des Conseil d’État vom 6.2.1953 unterscheidet zwischen der Übertragung der Gesetzgebungsbefugnis, die nach Art. 13 verboten ist, und der temporären Erweiterung der Verordnungsbefugnis, der Art. 13 nicht entgegensteht. Dabei werden auch die jeweils relevanten Sachbereiche genannt. Indem sie dem Gesetzgeber Grenzen ziehen, sind auch die heutigen Art. 34 und 37 CF Teil dieser Entwicklung: Art. 34 CF zählt die Bereiche, für die der Gesetzgeber zuständig ist, abschließend auf und verfährt damit nach dem Prinzip der „Einzelermächtigung“, denn gemäß Art. 37 Abs. 1 CF werden „Bereiche, die nicht Gegenstand der Gesetzgebung sind, … auf dem Verordnungsweg geregelt“. Art. 34 CF scheint zwar zwischen Bereichen, die durch Gesetz geregelt werden, und solchen, für die durch Gesetz nur die Grundsätze geregelt werden, zu unterscheiden. Die Auslegung durch die Verwaltungsgerichte und den Conseil constitutionnel zeugt aber nicht nur von einem einheitlichen Verständnis des Art. 34 CF, sondern toleriert auch eine an den Bedürfnissen der Praxis ausgerichtete Abgrenzung zwischen den Zuständigkeiten des Gesetzgebers und den Zuständigkeiten des Verordnungsgebers: einerseits durch eine weite Auslegung der in Art. 34 CF aufgezählten Bereiche, andererseits durch Verfahrensregeln, nach denen ein Gesetz einen der Verordnung zugewiesenen Bereich regeln kann, ohne verfassungswidrig zu sein, und umgekehrt ein Gesetz verfassungswidrig ist, wenn es einen dem Gesetzgeber zugewiesenen Bereich nicht vollständig ausschöpft.[93]
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Der weite Bereich, in dem der Verordnungsgeber gesetzesunabhängig tätig werden kann (Art. 21 CF), kann ferner vorübergehend erweitert werden – durch gesetzliche Ermächtigung (Art. 38 CF) oder durch Referendum.[94] Während die zweite Möglichkeit eher Ausnahmecharakter hat, wird der Rückgriff auf Art. 38 CF zunehmend zu einem üblichen Verfahren der Rechtsetzung. Bei gesetzesausführenden Verordnungen ist der Verordnungsgeber an das ermächtigende Gesetz gebunden. Bei der übertragenen Gesetzgebung wäre das eigentlich auch so, wenn nicht das Parlament weitgehenden Kompetenzverzichten zustimmen würde.[95] Unter diesen Vorbehalten und unter Berücksichtigung des Gesetzmäßigkeitsprinzips verfügen die Regierungs- und Verwaltungsbehörden über einen Spielraum, in dem man mit Blick auf die gerichtliche Kontrolle auch eine Überdehnung des Gesetzmäßigkeitsprinzips sehen könnte.
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Die Behauptung, das Rechtsetzungsermessen entziehe das Verwaltungshandeln der Gesetzmäßigkeit, setzt freilich die Annahme voraus, Verwaltungsakte – und das Verwaltungshandeln insgesamt – seien nichts anderes als logische Ableitungen aus höherrangigen Normen. Mit der Forderung, die Verwaltung müsse aktiv und gestaltend tätig werden und benötige daher einen gewissen Spielraum, lässt sich das kaum vereinbaren. Die traditionelle und vereinfachende Gegenüberstellung von gebundener Verwaltung und Ermessensverwaltung ermöglicht aber nichtsdestotrotz, die Bedingtheit des Verwaltungshandelns zu erfassen. Die Ermessensfreiheit der Verwaltung ist Ausdruck ihrer Autonomie, bleibt aber an Rechtssätze gebunden: Um die Ermessensausübung beurteilen zu können, bedarf es einer Ermittlung des eingeräumten Ermessens bezüglich des gesamten Handelns (unbedingte Befugnis oder bedingte Befugnis im Sinne eines Handlungsvorbehalts, einer Handlungsmöglichkeit oder einer Handlungspflicht), des Inhalts der Maßnahme (autonome oder gesetzesunabhängige Verordnungen, von einer bereits existierenden Regelung mehr oder weniger umfassende und präzise vorgegebene gesetzesausführende Verordnungen oder von höherrangigem Recht vorgesehene Bewilligung von Ausnahmen) und des Handlungszeitpunkts (Fristen). Es gibt auch Abstufungen des Ermessens, die die Wirklichkeit des Verwaltungshandelns abbilden. Alles in allem: Auch wenn die Verwaltung nicht über ein Maß an Ermessen verfügt, das ihr eine der verfassunggebenden Gewalt vergleichbare Ungebundenheit (Souveränität) verleiht, reicht ihre Befugnis zum Erlass abstrakt-genereller Vorschriften doch sehr weit. Die Ausübung dieser Befugnis unterliegt allerdings einerseits gerichtlicher Kontrolle und ist andererseits durch die Mechanismen der parlamentarischen Demokratie weitgehend beschränkt. An den Grenzen dieser Demokratie bewegen sich die unabhängigen Verwaltungsbehörden. Sie sind zwar Organe der Exekutive, zur Verwirklichung ihrer Unabhängigkeit aber einerseits dem Einflussbereich der Regierung entzogen und andererseits selbst mit einem Verordnungsrecht ausgestattet. Obwohl ihre Einrichtung auf den Gesetzgeber zurückgeht, ist die politische Kontrolle der unabhängigen Verwaltungsbehörden daher defizitär.[96]