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(2) Gesamtwirtschaftliche Perspektive
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Wenn also Oligopolisten unter der Voraussetzung der Produktdifferenzierung (dh heterogener, nur begrenzt austauschbarer Güter oder Leistungen) Mengen- und Preisspielräume haben, so bedeutet dies, dass für sie die Absatzkurve nicht – wie für Polypolisten – waagerecht verläuft, sondern abfällt. Somit sind für Oligopolisten im Prinzip Erlössteigerungen aufgrund von Mengenreduzierungen bzw. Preiserhöhungen möglich, was unter Bedingungen vollkommenen Wettbewerbs ausgeschlossen wäre. Das profitmaximierende Verhalten von Oligopolisten bezüglich ihrer jeweiligen Produkte wird daher im Prinzip durch dasselbe Kalkül bestimmt, welches für Monopolisten gilt: Das Maximum des Profits liegt im Schnittpunkt von Grenzerlöskurve und Grenzkostenkurve, dh dort wo Grenzerlöse und Grenzkosten gleich groß sind. Dieser Punkt liegt also auch unter Oligopolbedingungen nicht auf der Nachfrage- bzw. Absatzkurve! Auch der Oligopolpreis repräsentiert nicht die Grenzkosten, sondern ermöglicht die Entstehung von Profiten. Andererseits unterscheidet sich das Gesamtergebnis auch vom Monopol: Weil die Mengenfestsetzung jedes einzelnen Oligopolisten das Preisniveau für alle beeinflusst, jeder aber nur die für ihn relevanten Erlöswirkungen in Betracht zieht, liegt die Gesamtmenge im Oligopol tendenziell über der Menge, die ein Monopolist festlegen würde.
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Die gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen des Oligopols sind trotz allem nicht eindeutig: Generell lässt sich zwar sagen, dass Oligopolisten tendenziell geringere Mengen zu höheren Preisen produzieren als unter den Bedingungen vollkommenen Wettbewerbs zu erwarten wäre. Darin liegt jedenfalls eine Minderung der allokativen Effizienz, die allerdings weniger gravierend ausfällt als im Monopol. Andererseits lässt sich beobachten, dass zwar der Preiswettbewerb auf oligopolistischen Märkten mit differenzierten Gütern weitgehend ineffektiv ist. Der Wettbewerb verlagert sich aber auf andere Wettbewerbsparameter wie Qualität, Produktvielfalt oder Werbung, die wiederum zur Produktdifferenzierung beitragen. Im Falle homogener Güter spielt Werbung im Oligopol eine besonders wichtige Rolle, weil sie das wesentliche Instrument der Produktdifferenzierung darstellt: Für Produkte, die physisch mehr oder weniger identisch sind, kann den Verbrauchern allenfalls durch Werbemaßnahmen suggeriert werden, sie seien nicht austauschbar. In diesem Sinne haben Oligopolisten einen gewissen Einfluss auf die Nachfragekurve, auf die sie sich einstellen müssen.
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Das effektivste Mittel der Produktdifferenzierung ist naturgemäß die Innovation. Produktinnovation schafft Distanz zu Konkurrenzprodukten; sie mindert die Austauschbarkeit der Produkte. Innovation bezüglich der Produktionsverfahren verschafft Produktionskostenvorsprünge, die Preissenkungen ermöglichen, welche die Konkurrenten nicht mehr ohne weiteres wettmachen können. Es ist daher nicht auszuschließen, dass gerade im Oligopol erhebliche Innovationsanreize bestehen. Dies aber hat durchaus positive Wirkungen für die produktive und die dynamische Effizienz.
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Auch für die Marktform des Oligopols ist schließlich potentieller Wettbewerb von Bedeutung. Die „Bestreitbarkeit“ (contestability) von Märkten kann aber auch insoweit durch Marktzutrittsschranken begrenzt sein. Es ist unter bestimmten Voraussetzungen denkbar, dass ein Oligopol ganz und gar unangreifbar ist, weil die Struktur der Produktionskosten nur eine begrenzte Anzahl von Anbietern auf dem Markt zulässt. Das oben erläuterte Phänomen der Skalenerträge (economies of scale) bringt es mit sich, dass es für die Herstellung bestimmter Produkte eine optimale Betriebsgröße gibt, die relativ zur Marktnachfrage sehr groß sein kann. Dann ist es denkbar, dass der jeweilige Markt nicht mehr als eine begrenzte Zahl von Produktionsunternehmen aufnehmen kann. Unter solchen Bedingungen lässt sich die oligopolistische Marktstruktur nur dadurch aufbrechen, dass die Grenzen des Marktes gegenüber dem Weltmarkt geöffnet werden, so dass die Oligopolisten Konkurrenz aus dem Ausland erhalten. Im Zeitalter der Globalisierung bestehen dafür gute Chancen, aber auch der Weltmarkt kann zuweilen bereits oligopolistisch strukturiert sein.
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Selbst bei völliger Abwesenheit von Marktzutrittsschranken ist es möglich und sogar realistisch, dass der Markteintritt neuer Konkurrenten in einen oligopolistisch strukturierten Markt zwar zu einem Polypol, aber nicht zu vollkommenem Wettbewerb führt. Wenn die Produkte sämtlicher Konkurrenten hinreichend differenziert sind, um je für sich auf eine spezifische Nachfrage zu kostendeckenden Preisen zu stoßen, so ist der Wettbewerb eingeschränkt trotz des Vorhandenseins vieler Anbieter. Aufgrund der Produktdifferenzierung teilen sich die Anbieter den Markt gewissermaßen untereinander auf, ohne sich gegenseitig in der Existenz zu gefährden. Diese Form des Wettbewerbs ist plastisch als monopolistischer Wettbewerb gekennzeichnet worden: Die Wettbewerber setzen die Preise ähnlich wie Monopolisten und decken mit ihren Monopolpreisen ihre Durchschnittskosten. Aber die Durchschnittskosten befinden sich nicht – wie unter Bedingungen vollkommenen Wettbewerbs – im Minimum. Es wird also in jedem Fall weniger produziert als möglich, und dies zu Preisen, die über den Kosten liegen.