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a. Marktstrukturtest

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Die weiter oben dargestellten preistheoretischen Analysen zeigen modellhaft, dass die Marktstruktur ein entscheidender Faktor ist, der das Marktverhalten von Unternehmen und somit auch das Marktergebnis beeinflusst: Im Polypol verhalten sich Unternehmen anders als in einer oligopolistischen oder monopolistischen Marktstruktur. Das theoretische Modell zeigt, dass im Rahmen einer polypolistischen Marktstruktur – insbesondere unter den Bedingungen vollkommenen Wettbewerbs – das profitmaximierende Verhalten der Unternehmen im Ergebnis zu einer effizienten Allokation der Ressourcen führt, weil die Konkurrenten keinen Einfluss auf die Bedingungen des Wettbewerbs haben und sich die Präferenzen der Konsumenten am Markt durchsetzen. Demgegenüber wird unter monopolistischen Bedingungen das Effizienzziel (sowohl im Sinne der allokativen, als auch der produktiven und der dynamischen Effizienz) verfehlt, weil der Monopolist selbst entscheidet, zu welchen Bedingungen er am Markt agiert, und nicht der Wettbewerb um die Konsumenten. Er verfügt über Marktmacht, die er gewöhnlich im Sinne einer Beschränkung der Produktion (einschließlich der Innovation) und einer Erhöhung des Preises auf ein Niveau oberhalb des Wettbewerbspreises ausnutzen wird.

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Diese modelltheoretischen Feststellungen bedürfen aber einer erheblichen Relativierung. Die Voraussetzung, die das Modell des vollkommenen Wettbewerbs im Hinblick auf die Homogenität der Produkte macht, mit denen die Unternehmen konkurrieren, sowie im Hinblick auf die allen gleichermaßen verfügbare Produktionstechnologie, ist nicht nur wirklichkeitsfremd. Sie geht auch von einer statischen Betrachtungsweise aus, die Veränderungen aus der Analyse ausklammert. So ist gerade die Produktdifferenzierung (und damit die Inhomogenität der Produkte) in der Realität ein wichtiges Element des Wettbewerbs, ebenso wie die Fortentwicklung der Produktionstechnologie und der Unternehmensorganisation Skalenerträge (economies of scale) ermöglicht. Zwar führt die Entwicklung neuer Produkte und Produktionstechnologien, die sich von allen bisherigen unterscheiden, zu einer gewissen Unabhängigkeit des einzelnen Unternehmens von den Kräften des Wettbewerbs, also zu einer gewissen Marktmacht und zu dem was man „monopolistische Konkurrenz“ genannt hat (siehe dazu oben Rn. 308).[43] Aber bei einer Betrachtung des Wettbewerbs als Prozess[44] bzw. als dynamisches Interaktionssystem ist ein solches Innovationsverhalten geradezu die treibende Kraft der Konkurrenz. Wettbewerb besteht aus dieser Sicht im Kern darin, dass Unternehmen miteinander rivalisieren, indem sie innovative Produkte und Produktionstechnologien oder effizientere Vertriebsmethoden und Organisationsstrukturen entwickeln, die ihnen einen Vorsprung vor den Konkurrenten garantieren. Dieser Vorsprung gewährt ihnen solange gewisse Handlungsspielräume am Markt, bis sie von den Konkurrenten durch deren Neuentwicklungen eingeholt bzw. überholt worden sind.[45] Man spricht in diesem Sinne von „vorstoßendem Wettbewerb“. Schumpeter hat ihn als einen „Prozess der schöpferischen Zerstörung“ bezeichnet.[46]

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Die Entwicklung neuer und besserer Produkte sowie die Entwicklung kostensparender Produktionstechnologien, Vertriebsmethoden und Organisationsstrukturen liegen letztlich auch im Interesse der Konsumenten. Der dynamische Wettbewerbsprozess fördert also durchaus sowohl die allokative Effizienz im Sinne der Präferenzgerechtigkeit und die produktive Effizienz im Sinne der Kosteneffizienz als auch das Wachstum im Sinne einer Steigerung der Produktivität. Wohlfahrtsökonomisch gesehen können also Abweichungen vom Modell des vollkommenen Wettbewerbs nicht nur Effizienzverluste im Sinne eines „dead weight loss“ (= statische Betrachtung) zur Folge haben (siehe oben Rn. 279), sondern auch Effizienzgewinne (= dynamische Betrachtung). Das Modell des vollkommenen Wettbewerbs negiert im Grunde sogar dessen Charakter als Entdeckungsverfahren. In diesem Modell werden nämlich alle Marktdaten als bereits bekannt vorausgesetzt; es gibt nichts zu entdecken. Für den einzelnen Marktteilnehmer ist es dann eine reine Rechenaufgabe, ob er sich angesichts seiner Kostenstruktur am Markt beteiligen soll oder nicht. Mit der Wahrnehmung wettbewerblicher Handlungsautonomie durch die Marktteilnehmer, die es ihnen ermöglichen soll, die jeweils konkurrenzfähigen Leistungsverbesserungen durch trial and error erst einmal zu entdecken, hätte das nichts zu tun.

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Die Marktstruktur darf somit vor dem Hintergrund der heute allgemein akzeptierten dynamischen Wettbewerbskonzeption nicht im Sinne eines statischen Zustandes betrachtet, sondern sie muss unter dem Aspekt ihrer ständigen Entwicklung und Veränderung analysiert werden. Diese Entwicklung ist nicht allein durch Strukturveränderungen aufgrund von Konzentrations- bzw. Dekonzentrationsprozessen unter aktuellen Wettbewerbern gekennzeichnet, welche die Marktstruktur in Richtung auf ein Oligopol oder Monopol verengen bzw. in Richtung auf ein weites Oligopol oder Polypol erweitern können. Vielmehr stellen bei einer dynamischen Betrachtungswiese vor allem die Bedingungen für den Markteintritt potentieller Wettbewerber einen entscheidenden Faktor dar.

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Die Offenheit der Märkte für Strukturveränderungen wird unter dieser Perspektive zu einem entscheidenden marktstrukturellen Gesichtspunkt.[47] Für die Beurteilung der auf einem Markt bestehenden Wettbewerbsintensität kommt es hiernach wesentlich auf die Marktzutrittsbedingungen an. Wettbewerb setzt die „Bestreitbarkeit“ (contestability) eines Marktes im Sinne der Angreifbarkeit der bestehenden Marktstruktur durch potentielle Wettbewerber, dh die Abwesenheit von Marktzutrittsschranken, voraus.[48] Bestehen erhebliche Marktzutrittsschranken, so haben die aktuellen Konkurrenten monopolistische Handlungsspielräume. Die Höhe der Marktzutrittsschranken schlägt sich daher in dem Ausmaß wieder, in dem die aktuellen Wettbewerber ihre Preise über den Wettbewerbspreis hinaus erhöhen können, ohne den Neueintritt potentieller Wettbewerber befürchten zu müssen. Die größte Wettbewerbsintensität ist bei völliger Abwesenheit von Marktzutrittsschranken anzunehmen, weil sich die aktuellen Wettbewerber dann am Wettbewerbspreis orientieren müssen.

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Die Marktstruktur wird aber über die Anzahl der am Markt aktiven Anbieter und Nachfrager hinaus durch weitere Gesichtspunkte gekennzeichnet wie insbesondere den Grad der Markttransparenz, die Heterogenität der Produkte, die Existenz von Größen- und Verbundvorteilen (economies of scale), etwaige Verflechtungen zwischen Unternehmen und das Ausmaß der vertikalen Integration. Es sind dies alles Faktoren, welche die reale Struktur eines bestimmten Marktes vom Modell des vollkommenen Wettbewerbs unterscheiden. Sie führen dazu, dass die in der Realität beobachtbaren Marktformen häufig oligopolistische oder monopolistische Züge aufweisen. Diese können aber zugleich auch als Markteintrittsschranken interpretiert werden: Produktdifferenzierung bedingt nämlich, dass aus der Sicht der Abnehmer keine vollständige Austauschbarkeit der Produkte besteht, dh die Umlenkung oder Umstellung der Nachfrage auf neue Produkte nicht kostenlos ist. Ebenso kann es die Struktur der Produktionskosten – vor allem ein degressiver Verlauf der Durchschnittskosten, der Skalenerträge ermöglicht – den etablierten Wettbewerbern aufgrund ihrer Betriebsgrößen erlauben, Preise zu verlangen, die ein neu in den Markt eintretender Wettbewerber nicht ohne weiteres unterbieten kann. Von erheblicher Bedeutung ist es ferner, ob mit einem Markteintritt in erheblichem Umfang irreversible Investitionen verbunden sind, die „versunkene“ Fixkosten verursachen. Solche Fixkosten beziehen sich auf Investitionen, die im Falle eines vorzeitigen Marktaustritts, der wegen mangelnden Erfolgs erforderlich werden könnte, wertlos sind. „Versunkene“ Kosten können für einen potentiellen Konkurrenten, der erwägt, neu in den Markt einzutreten, abschreckend wirken. Auch ein hoher Grad an vertikaler Integration, insbesondere im Falle der „Vorwärtsintegration“ von Produzenten in die nachgelagerten Handelsstufen hinein, kann es potentiellen Wettbewerbern erschweren, einen Neueintritt auf der Produktionsstufe ins Auge zu fassen. Schließlich resultiert ein Schutzeffekt daraus, dass der Markteintritt selbst gewöhnlich nicht kostenlos und nur mit einer mehr oder minder großen Verzögerung möglich ist. Aus alledem resultiert ein gewisser Schutz der etablierten Anbieter gegen potentiellen Wettbewerb.

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Es ist nun allerdings nicht gerechtfertigt, Marktzutrittsschranken stets ohne weiteres als Beschränkungen des Wettbewerbs zu qualifizieren. Sie können nämlich durchaus auch Ergebnisse erfolgreichen Wettbewerbs sein.[49] Das gilt für die Produktdifferenzierung und die Entwicklung von Produktionskosten senkenden Technologien ebenso wie für die Veränderung der optimalen Betriebsgrößen, die vertikale Integration oder die produktspezifischen Aufwendungen, welche die bereits im Markt tätigen Unternehmen beispielsweise in den Aufbau und die Erhaltung ihrer Reputation investiert haben. Solche Verhaltensweisen generell zu verbieten, hieße nicht den Wettbewerb zu schützen, sondern ihn zu beschränken. Unter wettbewerbspolitischen Aspekten ist die entscheidende Frage daher, ob es gewissermaßen strategische Markteintrittsbarrieren gibt, die von den aktuellen Wettbewerbern „künstlich“ errichtet werden können, um sich gegen potentiellen Wettbewerb zu schützen. Im Prinzip können nämlich viele der genannten Verhaltensweisen, die Auswirkungen auf die Marktstruktur und damit die Wettbewerbsintensität haben, in der Tat auch bewusst strategisch zur Abwehr von potentiellen und zur Verdrängung von aktuellen Konkurrenten eingesetzt werden. Es handelt sich dann nicht um wettbewerbliches Verhalten, sondern um Monopolisierungsstrategien. Die mit ihnen verbundenen Investitionen stellen Kosten dar,[50] die volkswirtschaftlich als Wohlfahrtverluste zu qualifizieren sind. Diese Verluste sind dem „dead weight loss“ hinzuzurechnen, das stets mit Marktmacht verbunden ist, und sie können im Einzelfall sogar größer sein als die zusätzliche Produzentenrente (Monopolrente), die dem monopolisierenden Unternehmen zuwächst (vgl. bereits oben Rn. 278 ff.).[51]

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Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Marktstruktur nicht im Sinne einer statischen preistheoretischen Marktformenlehre (und schon gar nicht im Sinne des theoretischen Modells vollkommenen Wettbewerbs) für die wettbewerbspolitische Beurteilung unternehmerischen Verhaltens zugrunde gelegt werden kann. Da es nicht eine ganz bestimmte Marktstruktur gibt, der allein und ausschließlich die Eigenschaft zugeschrieben werden könnte, den erwünschten Prozess des Rivalisierens unter Marktteilnehmern zu gewährleisten, kann es nicht darum gehen, gerade diese Marktstruktur zu schützen oder herbeizuführen. Auch das Konzept des „funktionsfähigen Wettbewerbs“, das weite Oligopole mit mäßiger Produktdifferenzierung und unvollkommener Markttransparenz für wettbewerblich optimal betrachtet,[52] eignet sich nicht dazu, womöglich gegen in der Realität vorhandene abweichenden Marktformen wettbewerbspolitisch durchgesetzt zu werden. Andererseits besteht Einigkeit darüber, dass die Intensität des Wettbewerbs jedenfalls tendenziell von der Marktstruktur abhängig ist. Auch wenn sich exakte Kausalzusammenhänge nicht allgemeingültig feststellen lassen, ist anzunehmen, dass die Wettbewerbsintensität sich im Prinzip umgekehrt proportional zum Konzentrationsgrad eines Marktes verhält.

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Trotz der somit begrenzten Operationalität des Gesichtspunkts der Marktstruktur ist ein richtig verstandener „Marktstrukturtest“ für die Bewertung eines bestimmten unternehmerischen Marktverhaltens als wettbewerbskonform oder wettbewerbswidrig unerlässlich. Wenn man nämlich den Wettbewerb zutreffend als ein auf individueller Handlungsautonomie der Marktteilnehmer beruhendes Interaktionssystem begreift, dann kommen in der Marktstruktur die Handlungsspielräume der Marktteilnehmer zum Ausdruck. Je größer beispielsweise die Zahl der konkurrierenden Anbieter, die hinsichtlich ihrer Leistungen rivalisieren, desto größer die Freiheit der Abnehmer, sich ihre Bezugsquelle für bestimmte Güter oder Leistungen auszuwählen. Dasselbe gilt umgekehrt für die Auswahlfreiheit der Anbieter hinsichtlich ihrer Absatzmöglichkeiten im Verhältnis zu den Abnehmern. Generalisierend lässt sich also sagen: je offener die Marktstruktur auf einer Seite des Marktes, desto größer die Handlungsspielräume auf der Marktgegenseite. Daraus folgt, dass unternehmerisches Verhalten stets auf seine Drittwirkungen im Sinne seines Einflusses auf die wettbewerblichen Handlungsspielräume anderer Marktteilnehmer hin zu bewerten ist. Diese Handlungsspielräume sind wegen ihrer konstitutiven Bedeutung für den Wettbewerb als Interaktionssystem schutzbedürftig. Dritte werden gewissermaßen wegen ihrer Systemrelevanz geschützt und das System findet seinen Ausdruck eben in der Marktstruktur. Der Drittschutz ist hier Systemschutz.

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Da es wettbewerbspolitisch also um den Schutz der durch die Marktstruktur vermittelten autonomen Handlungsspielräume der Marktteilnehmer geht, gilt das Erfordernis negativer marktstruktureller Drittwirkungen für alle Formen unternehmerischen Marktverhaltens, die als Wettbewerbsbeschränkungen anzusehen sind. Dabei sind Marktstrukturveränderungen, die das Resultat überlegener wirtschaftlicher Leistung sind (wie im Fall des „internen“ Wachstums eines Unternehmens aufgrund seines Erfolges am Markt) von denen zu unterscheiden, die strategisch mit Mitteln herbeigeführt werden, die nicht Ausdruck überlegener wirtschaftlicher Leistung sind.

Denkbar ist zum einen, dass mehrere konkurrierende Unternehmen zusammenwirken, um ihr Marktverhalten derart zu koordinieren, dass sie die Marktstruktur negativ beeinflussen (Koordinierungsstrategie).
Zum anderen können sich Unternehmen organisatorisch zu neuen wirtschaftlichen Einheiten zusammenschließen und damit die Marktstruktur unmittelbar verengen (Konzentrationsstrategie).
Selbst durch einseitiges Verhalten können einzelne (marktbeherrschende) Unternehmen mit bestimmten Strategien strategische Eintrittsbarrieren für potentielle Konkurrenten errichten oder aktuelle Konkurrenten vom Markt verdrängen und dadurch die wettbewerblich bereits geschwächte Marktstruktur weiter negativ beeinflussen (Verdrängungsstrategie).

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Der entscheidende wettbewerbsrelevante Aspekt, der all diesen Strategien gemeinsam ist, besteht also in der Benachteiligung Dritter hinsichtlich ihrer wettbewerblichen Handlungsspielräume, über die sie im Rahmen der jeweils gegebenen Marktstruktur verfügen und von denen sie aufgrund ihrer Handlungsautonomie Gebrauch machen können. Jede Verengung der Marktstruktur impliziert eine Reduktion der Alternativen, die der einen oder der anderen Marktseite als Bezugsquellen oder Absatzmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

Europäisches Marktöffnungs- und Wettbewerbsrecht

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