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Tescelin und Humbeline
ОглавлениеZwischen 1118 und 20 begab sich auch Tescelin nach Clairvaux, um unter der Leitung seines Sohnes als Mönch das Ende seines Lebens zu erwarten, das tatsächlich bald eintreten sollte. So viele Adelige seiner Zeit machten dasselbe, überzeugt, beim Endgericht eher Gnade zu finden, wenn sie in einer Mönchskutte stürben.235 Einer mündlichen Tradition zufolge, die allerdings erst im 13. Jahrhundert aufgezeichnet wurde, soll Bernhard diese Umkehr bei seinem Vater auf drastische Weise erreicht haben: vor einem entzündeten Baumstrunk predigte er ihm vom Höllenfeuer, in dem er so wie dieses Holz brennen würde, falls er sich nicht schon im Erdenleben vom göttlichen Feuer entzünden lassen wolle.236 Es läßt sich schwer entscheiden, ob hier eine Legende vorliegt oder authentische Überlieferung; unwahrscheinlich ist letzteres jedoch nicht, da die Geschichte auf einen Großneffen des Heiligen zurückgeht, der in Fontaines residierte, also Familientradition war.237 Auch paßt es durchaus zu Bernhards mit dem Mittel des Kontrastes arbeitenden Stil, eine Relation zwischen dem göttlichen Liebesfeuer auf Erden und dem höllischen Feuer nach dem Tode herzustellen.
Nun war nur mehr Tescelins Tochter Humbeline dem bösen ‘saeculum’ verfallen, eine mit einem Neffen des Herzogs von Burgund verheiratete Frau mit zwei Kindern. Als sie eines Tages ihre Familie in Clairvaux besuchten wollte, natürlich im standesgemäßen Prunk einer adeligen Dame, wurde auch sie von Bernhard bekehrt, und nicht weniger drastisch als der Vater: Bernhard weigerte sich in gut monastischer Tradition, sie auch nur zu empfangen. Den seit der christlichen Antike so beliebten misogynen Vorwurf, sie sei bloß „ein Teufelsnetz zum Seelenfang“,238 ließ ihr der Abt ausrichten, und ihr Bruder Andreas setzte noch eins drauf, indem er in Anspielung auf ihre vornehme Kleidung befand, sie sei darin eingewickelter Dreck („stercus involutum“).239 Das war unter den Mönchen schon lange ein geläufiger Ausdruck für Frauen, wie er paradigmatisch etwa vom hl. Odo von Cluny († 942) verwendet worden war.240
Humbeline brach verständlicherweise in Tränen aus. Nur mit dem Argument, daß Christus ja für die Sünder gestorben sei und daß Bernhard wohl ihr Fleisch, nicht aber ihre Seele verachten dürfe, konnte sie ihre Brüder bewegen, an die Pforte zu kommen (Zisterzen zu betreten war Frauen prinzipiell verboten241). Bernhard hätte seine Schwester natürlich auch gern als Nonne gesehen, was ihre Ehe aber verhinderte. So befahl er ihr, wenigstens nach dem Beispiel ihrer Mutter zu leben – auch hier wieder ein Zeugnis, wie sehr Aleth nach wie vor für ihn präsent war – und allem weltlichen Prunken zu entsagen. Tatsächlich war Humbeline ob dieser Konfrontation, die von ihren Brüdern als Drohung, jegliche familiäre Bande abzubrechen, gemeint war und so von ihr verstanden wurde, so erschüttert, daß sie sich dazu bereit erklärte. Wirklich konnte sie nach einiger Zeit ihren Mann dazu bringen, sie nicht mehr zu berühren. Nach zwei Jahren verzichtete er ganz auf sie; Humbeline zog sich in das Benediktinerpriorat Jully-Ies-Nounains (Yonne) zurück, eine Gründung Molesmes. Sie sollte dort noch zur Priorin aufsteigen und, im Licht der Heiligkeit ihrer Brüder, auch selbst als Selige verehrt werden.242 Damit war für Bernhard eine erste Lebensaufgabe, die er sich gestellt hatte, erledigt: seine ganze Familie war auf dem Weg zum ewigen Heil. Wie Bernhard bei seinen Angehörigen vorging, das darf gewiß auch als Beispiel für die sonstigen so zahlreich von ihm bewirkten Konversionen angesehen werden. Liebevolles Werben und prophetische Drohung – beides aus der missionarischen Überzeugung heraus, so die Seelen der Angesprochenen zu retten.