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Clementi filiolo

Einleitung

„‘Breves dies hominis sunt.’ Fugiunt, nec recedunt. Vestigia eorum nulla retrorsum. Labitur miser homo more fluctuentis aquae, cum ipsis, et praecipiti cursu, ad finem, quem nescit, excurrit.

· Kurz sind die Tage des Menschen. Sie fliehen ohne wiederzukehren. Keine Spuren bleiben von ihnen zurück. Mit ihnen entschwindet der arme Mensch wie verfließendes Wasser und eilt in überstürztem Lauf einem Ende zu, um das er nicht weiß.“

Beginn eines Briefes des Abtes Petrus von Cluny vom Herbst 1149 an seinen Freund Bernhard von Clairvaux. (Epistola 150, ed. Constable I, 367)

Im zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts durchzog ein hagerer Mann in heller Mönchskleidung halb Europa, gefolgt von Scharen von Kranken und Besessenen, die ihn, der selbst leidend war, um Heilung anbettelten. Er reiste nie allein, eine Gruppe von Mönchen umringte ihn, und oft genug eine Menge anderer geistlicher Würdenträger. Meist sah der Mann nichts von seiner Umgebung, da er, auch auf dem Rücken seines Pferdes, in tiefe Meditation über die Liebe zwischen Gott und der Seele versunken war.

Wandte der Mann aber seine Aufmerksamkeit auf die Menschen, die ihn umgaben, dann begann er eine Faszination auszustrahlen, der sich nur wenige zu entziehen vermochten. Liebe und Haß, die Klugheit der Schlange und die Einfalt der Taube waren in seinen Worten. Diese Worte ließen Adelige ihr Wohlleben verlassen, um eigenhändig wie die verachtetsten Bauern Äcker umzugraben, Gelehrte auf ihre Bücher verzichten, um statt dessen stundenlang in schmucklosen und eisigen Kirchen Psalmen zu singen, Fürsten jede politische Raison hintanstellen, um in einen katastrophal endenden Kreuzzug zu ziehen, höchste Prälaten zu zweifelhaften Kniffen in geistlichen Gerichten greifen, um seine Feinde zu verurteilen. Viele nannten ihn darob lange vor seinem Tode einen Heiligen, manche verfluchten ihn als falschen Propheten.

Wenn dieser Mann nicht betend oder predigend durch die lateinische Christenheit zog, dann tat er das, was er wohl am meisten liebte: er diktierte oder schrieb. Hunderte von Briefen und Ansprachen, Dutzende von Traktaten grub der Schreibgriffel auf Wachstafeln, zeichnete die Feder auf Pergament. In einer wunderbar mitreißenden, bibelgesättigten Sprache, geschmückt mit allen rhetorischen Raffinessen, umkreisten seine Werke immer das eine Thema: wie leben, um den Himmel zu gewinnen? Ihm kam kein Zweifel, daß der sicherste Weg der war, dort sein Erdendasein zu vollenden, wo er selbst in seinem dreiundzwanzigsten Jahr die drei Mönchsgelübde abgelegt hatte: im Orden der grauen Brüder von Cîteaux und namentlich in dem Konvent, dem er als Abt vorstand, in Clairvaux.

Das aktive Leben und das beschauende Leben, beides hat Bernhard in solcher Intensität erfahren und gestaltet, wie kein anderer Mensch seiner Epoche, von dem wir wissen. Mit allen großen Strömungen der Zeit war er nicht nur konfrontiert, sondern gestaltete sie selbst mit, voller Sympathie oder voller Widerstand: Armutsbewegung und Kreuzzug, Papstschisma und Adelsfehden, Scholastik und Mystik, Liebesdichtung und Kriegspropaganda … Mit wem von den Großen seiner Zeit hätte er nicht zusammengewirkt oder ist er nicht zusammengestoßen? Päpste baten um seinen Rat, Königen drohte er, Philosophen bekämpfte er, Bischöfe verdankten ihm ihr Amt. Im Kirchenstaat Innozenz II. und Eugen III., in Frankreich Ludwig VI. und Ludwig VII., in Deutschland Lothar III. und Konrad III., in Italien Roger II. – sie alle haben mit ihm verhandelt, und die meisten von ihnen oft und oft. Ordensgründer wie Norbert von Xanten oder Gilbert von Sempringham waren seine Freunde, eine Seherin wie Hildegard von Bingen verehrte ihn tief, und der progressivste Denker seiner Generation, Peter Abaelard, lernte ihn hassen.

Es gibt viele Wege, etwas über jene Achsenzeit der europäischen Geschichte zu erfahren, die das hohe Mittelalter darstellt. Bernhard von Fontaines auf seinem Ritt durch ein Europa voller Konflikte und in die Welt seiner unweltlichen Gedanken zu folgen, ist einer der spannendsten.

Bernhard von Clairvaux

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