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An einem anderen Ort

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Kurt Eichner, 40 Jahre alt, Politischer Chefredakteur bei der Hessischen Allgemeinen Zeitung in Kassel, kam gegen 22:30 Uhr nach Hause. Seine Frau Anneliese hatte ihm – wie jeden Abend – ein paar Brote als Nachtmahl hingestellt. Wie immer, leistete sie ihm noch für eine Weile Gesellschaft und dabei ließen sie den Tag Revue passieren. Ein kleines Ritual, das beide liebten. Als Journalist bei der größten Tageszeitung in Kassel hatte Kurt – besonders in dieser Nachkriegszeit – stets aktuellste Informationen, die sie sehr interessierten.

Oftmals kam es vor, dass noch kurz vor dem Umbruch der Zeitung, die eine oder andere Meldung nachgeschoben wurde, so dass er selten vor 22:00 Uhr Feierabend machen konnte. Anneliese schlief oft schon, wenn er heimkam.

Heute jedoch am Freitag, war es anders als sonst. Sie hatte sich besonders hübsch gemacht, sogar etwas geschminkt und erwartete ihn hellwach im Wohnzimmer. Eine Flasche Weißwein aus Rheinhessen war schon geöffnet. „Guten Abend, Anni – was ist denn hier los? Haben wir etwas zu feiern?“ Kurt entledigte sich seiner Krawatte, streifte die Straßenschuhe ab und machte es sich bequem.

Gerade mal ein halbes Jahr war es her, dass Anneliese ihre zweite Fehlgeburt verkraften musste. Wochenlang litt sie danach unter Depressionen. Viel Kraft hatte es gekostet, den Mut nach dieser erneuten Enttäuschung nicht zu verlieren.

„Ich war heute Mittag bei Dr. Bertram und hatte auch ein längeres Gespräch mit ihm. Was wir beide leider schon befürchtet haben, ist jetzt Gewissheit, Kurt. Er riet mir dringend auf eine dritte Schwangerschaft zu verzichten, weil das Risiko für mich selbst einfach zu groß wäre. Er meinte sogar, dass es lebensgefährlich sein könnte und ich denke, mit Vierzig möchtest du wahrhaftig nicht zum Witwer werden?!“ „Um Gottes Willen, natürlich nicht, das wäre ja nicht auszudenken!“ „Dr. Bertram riet uns deshalb zu einer Adoption. Er ist sicher, uns mit seinen guten Beziehungen helfen zu können, zumal sein Draht nach Bayern nie abgerissen ist. Du weißt ja, bevor er sich hier niederließ, arbeitete er in Tegernsee in einem Krankenhaus. Er würde sich, wenn wir beide damit einverstanden wären, sogar selbst vor Ort für uns einsetzen.“

Kurt lächelte seine Anneliese an. “Es ist seltsam, auf dem Heimweg hatte ich ähnliche Gedanken. Da sieht man halt mal wieder, wie eng wir miteinander verbunden sind. Einfach wunderbar!“ Er nahm das Weinglas und prostete ihr zu. “Trinken wir auf unseren Bayern, meine Liebe! Weißt du, in meinem Alter wird es jetzt wirklich bald mal Zeit, dass ich Vater werde. Schließlich möchte ich ja auch noch erleben, dass wir Enkelkinder bekommen!“

„Du machst mich so glücklich, Kurt. Aber ich wusste ohnehin schon, dass du dazu bereit bist.“ „Ich werde versuchen Urlaub zu bekommen und dann könnten wir am besten schon am Wochenende nach Bayern fahren, dort zwei schöne, freie Tage genießen und uns dann gleich am Montag in diesem Kinderheim informieren. Sofern ich noch irgendwelche Referenzen brauche, bin ich mir sicher, dass mein Verleger bei der „HESSISCHEN“ mich mit einer positiven Beurteilung unterstützen würde. Gerade heute Mittag hat er mir noch versichert, wie viel er von mir hält.“

Yes, das Leben ist genug ...

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