Читать книгу Yes, das Leben ist genug ... - Peter Eichner - Страница 8
Premiere
ОглавлениеDie Eröffnung der neuen Saison in der Bayerischen Staatsoper galt in München stets als ein willkommenes gesellschaftliches Ereignis. Nach dem überstandenen Krieg war man besonders dankbar für derart hochkarätige Abwechslungen. Jeder genoss es, sich mal wieder fein herauszuputzen. Darüber hinaus war natürlich „Schwanensee“ ein Klassiker. Im Vorfeld der Erstaufführung hatten die Medien schon außerordentlich positiv darüber berichtet. Die Erwartungen waren dementsprechend groß.
Auch Christian selbst erlebte eine Premiere. Noch nie zuvor hatte er ein Opernhaus betreten – weder in Wien noch in München. Schnell fand er seinen Platz im 1.Rang. Perfekt! Ziemlich in der Mitte, mit uneingeschränkter Sicht, nicht zu weit hinten, aber vor allem auch nicht zu weit vorne. Vor Aufregung hatte er ganz feuchte Hände und hoffte für Sophie, dass ihr Nervenkostüm stärker war…
Der Vorhang öffnete sich. Sofort begann Christian, das Gesicht von Sophie unter den Tänzerinnen zu suchen. Nur Sophie interessierte ihn. Erst nach ungefähr zehn Minuten hatte er sie endlich entdeckt. Stolz erfüllte ihn. Für ihn war sie das schönste Mädchen des gesamten Ensembles.
Im 2. Akt hatte Sophie ihr Solo. Aus Christians Sicht meisterte sie es bravourös. Das meinten anscheinend auch die Zuschauer, denn sie spendierten einen spontanen Zwischenapplaus. Nun fiel jegliche Anspannung von ihm ab. Er wusste, dass auch seine Sophie glücklich und erleichtert sein musste. Mittlerweile konnte er kaum noch ruhig sitzen bleiben und fieberte dem Ende des 3. Akts entgegen. Dann fiel der Vorhang. Alle Akteure, Tänzerinnen und Vortänzer erschienen auf der Bühne, verbeugten sich mehrfach und holten sich ihren Beifall ab. Bis zu vier Mal fiel der Vorhang. Sobald sie wieder erschienen, brandete der Applaus erneut auf. Ein Teil des Publikums trampelte sogar vor Begeisterung!
Sophie hatte ihn gebeten, sich etwa zwanzig Minuten nach dem Fallen des letzten Vorhangs im Casino, was sich im ersten Stock befand, einzufinden. Dort würden sich dann alle treffen. Als Christian eintrat, hatten sich bereits einige Gäste versammelt und nippten an einem Gläschen Sekt. Auch Christian griff gern zu. Plötzlich legte ihm jemand von hinten die Handflächen über die Augen. Erschrocken drehte er sich um und sah in das strahlende Gesicht eines glücklichen Mädchens. „Sophie, du warst wunderbar! Ich liebe dich! Und ich gratuliere dir zu dieser wundervoll gelungenen Premiere! Aus vollstem Herzen! Ich kann dir gar nicht sagen, wie stolz ich auf dich bin!“
Sophie ergriff Christians Hand und zog ihn mit sich. „Komm, ich muss dir jemanden vorstellen!“ Sie bahnten sich einen Weg durch die Menge und gingen auf ein elegantes Paar zu. Die geschmackvoll und edel gekleidete Dame sprach Christian spontan an: „Sie müssen Christian sein! Ich freue mich sie kennenzulernen.“ Lächelnd reichte Frau Dietl Christian die Hand und deutete dann auf den Herrn neben sich: „Darf ich ihnen meinen Mann vorstellen?“ „Gestatten – Gerhard Dietl – der Vater!“ Christian musste sich kräftig zusammennehmen, damit man ihm die Aufregung der letzten Stunden nicht sofort vom Gesicht ablesen konnte. „Christian Kessler! Herr Dietl, es ist mir ein Vergnügen sie beide hier und heute kennenzulernen. Ich gratuliere ihnen zu ihrer großartigen Tochter. Ihr Auftritt muss für sie ein wunderbares Erlebnis gewesen sein.“
Gerhard Dietl war sichtlich beeindruckt von dem properen jungen Mann. Seine bis dahin etwas angespannten Gesichtszüge formten sich zu einem Lächeln. „Ganz meinerseits, Herr Kessler. Es freut auch uns, sie endlich persönlich kennenzulernen. Sophie hat zwar schon einiges von ihnen erzählt – nur Gutes, immer nur Gutes – aber sich dann auch mal von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen, ist schon etwas anderes!“ Christian wusste, dass seine Premiere damit auch gelungen war.
“Papa, bitte entschuldige, aber ich möchte Christian auch noch Anna vorstellen!“ „Ist doch klar!“ Dann wandte er sich an Christian: „Aber ich lasse euch nur gehen, wenn sie uns versprechen, in den nächsten vierzehn Tagen auf einen Kaffee zu uns kommen.“ „Versprochen! Einen schönen Abend wünsche ich ihnen beiden noch und – ich freue mich auf ein Wiedersehen!“
Erst gegen 1:30 Uhr am Sonntagmorgen brachte Christian Sophie nach Hause.