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Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

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Mai 1972. Die Messe war ein voller Erfolg gewesen! BULOVA Deutschland, verantwortlich auch für den Vertrieb der Uhren in der Schweiz und in Österreich, wurde mit Aufträgen wahrhaft zugeschüttet. Eine imposante Medienkampagne hatte entscheidend dazu beigetragen. Doppelseitige, farbige Anzeigen fand man in allen wichtigen Tageszeitungen und Zeitschriften. Für Peter war das ein Start nach Maß. Wieder einmal war er zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen.

Da er den Audi Firmenwagen auch privat nutzen durfte und sogar die Erlaubnis bekam, eine Anhängerkupplung zu montieren, hatte Peter seinen geliebten Honda inzwischen verkauft, um mit dem Erlös des Coupés seinen nächsten Traum zu finanzieren…

Bereits im März hatte er gelesen, dass der Deutsche Meister – Knut- Holger Lehmann – sein Meisterauto, einen Kaimann Formel V 1300, zum Kauf anbot. Nun rief Peter ihn an: „Ist das Auto noch zu haben?“ „Ja! Aber nur, weil ein Interessent absprang, da er letztlich das Geld dafür doch nicht aufbringen konnte.“ Sofort wurde ein Termin in Hockenheim auf der Rennstrecke vereinbart, wo Peter mit der erforderlichen Kleidung, dem passenden Helm und natürlich – seiner Lizenz – pünktlich eintraf. Er war aufgeregt. Das erste Mal aktiv in einem Monoposto mit freistehenden Rädern! Dass es kalt war an diesem Tag, empfand er als angenehm, denn ihm wurde schon angesichts dieser ungewohnten Geschwindigkeiten ganz schön warm.

Nach nur einer Viertelstunde bildeten Peter und dieser Monoposto eine Einheit. Der Kurs machte ihm keinerlei Schwierigkeiten, weil er ihm ja bereits von der Lizenzprüfung her bestens bekannt war. Knut zeigte sich sehr beeindruckt. Noch beeindruckender fand er jedoch die Tatsache, dass ihm Peter den Kaufpreis von DM 11.000 bereits am nächsten Morgen in bar vorbeibringen wollte. Er klopfte ihm auf die Schulter. „Peter, das gefällt mir – ich werde dir am Anfang stets mit Rat und Tat zur Seite stehen! Glaub‘ mir, bei mir bist du in den besten Händen!“

Das war der Beginn einer großen Freundschaft. Sie sollten noch viel Spaß miteinander haben.

Zolder, Belgien, im Sommer 1972. Eine wunderschön gelegene, hochinteressante Rennstrecke, ganz in der Nähe von Aachen, auf der auch Formel 1 Rennen gefahren wurden. Freitagabend machte sich Peter mit seinem Freund – Volker Langer – auf den Weg nach Belgien. Volker war als Werkzeugmacher ein Universalgenie, da ihm alles, was Technik betraf kein Problem machte. Kurz nach Mitternacht erreichten sie Hasselt, einen Ort, der von der Rennstrecke nur wenige Kilometer entfernt lag. Schnell kamen sie in einer Pension unter und freuten sich auf das Abenteuer am nächsten Tag.

Technische Abnahme, Registrierung, Lizenzkontrolle, Startnummernausgabe – das volle Programm also – und das schon morgens um 7:00 Uhr. Nebel lag in der Luft und die Rennstrecke war feucht.

Peter fühlte eine gewisse Nervosität. Für 9:30 Uhr war das „1. Freie Training“ angesetzt. Von den fünfundvierzig gemeldeten FV-Wagen erhielt Eichner die Startnummer 1. Das lag daran, dass Knut Lehmann die Rennleitung darüber informiert hatte, wer der neue Besitzer des „Meisterschaftsautos“ war.

9:30 Uhr: Die Ampel schaltete auf Grün. Peter ließ erstmal neun Konkurrenten auf ihre Plätze fahren, bevor er sich selbst in Bewegung setzte. Es galt, den Motor und vor allem die Reifen warm zu fahren und ein sicheres Gefühl für den Kurs bekommen. Doch der Nebel hier in Zolder machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Er merkte gleich, dass er viel zu wenig Grip hatte. Diese Verhältnisse kannte er nicht. Hockenheim lag damals im schönsten Sonnenschein. Immer mehr seiner „Kollegen“ überholten ihn. Manche zogen einfach vorbei, andere starteten gewagte, sogar brutale Überholmanöver. Sein Selbstbewusstsein befand sich im freien Fall.

Nach dem ersten freien Training zeigte das Zeitentableau Rang 41 für ihn an. Zur Trainingsbestzeit fehlten exakt 7 Sekunden! Im Motorsport ein Abstand, von dem Peter nicht wusste, wie er ihn wieder hereinfahren sollte!

11:00 Uhr: Abschlusstraining der FV 1300. Volker versuchte Ruhe hineinzubringen. Penibel kontrollierte er Benzin, Öl und Reifendruck. Wieder ging es zur Trainingsaufstellung. Sie hatten vereinbart, dass er Peter die gestoppten Zeiten jeweils in der Folgerunde auf einer Tafel anzeigte. Die Sonne war herausgekommen. Demzufolge trocknete die Piste schnell und auch die Lufttemperatur stieg. Peter fühlte sich nun zwar ein wenig besser, aber alles andere als wirklich gut.

Seine Zeiten wurden mit jeder Runde schneller. Er schöpfte Hoffnung. Wenn er richtig rechnete, fehlten nur noch zwei Sekunden zur Bestzeit am Morgen. Die Schwarz/Weiß- karierte Flagge fiel. Zurück ins Fahrerlager. Ende des Trainings. Peter war sicher, dass er sich für das A-Rennen qualifiziert hatte. „Noch fünf Minuten bis zur Zeitenausgabe“, ertönte es aus dem Lautsprecher.

Volker erschien mit der Startaufstellung in der Hand. Die Startnummer 1 war auf Platz 36 zu finden! „Das kann doch nicht wahr sein“, stöhnte Peter, „ich war fünf Sekunden schneller als heute Morgen!“ „Ja“, meinte Volker, „aber die anderen auch!“ „Du lieber Himmel, ich glaube der Rennsport ist doch nichts für mich. Vielleicht sollte ich es besser mit Fußballspielen probieren!“ So richtig darüber lachen konnten beide nicht. Ziemlich desillusioniert gingen sie zum Mittagessen. Es schmeckte ihnen nicht. Doch wenigstens beruhigte ein gefüllter Magen die Nerven ein wenig.

Um 16:30 Uhr war der Start zum B-Rennen, dem „Hoffnungslauf“, angesetzt. „Du weißt, dass hier die letzten Zwanzig um die fünf verbliebenen Startplätze im A-Rennen kämpfen“, erinnerte Volker. Demzufolge startest du auf Startplatz 11. Wenn das kein gutes Omen ist. Nummer 1 steht an 11!“ Peter schaute ihn an und verzog keine Miene…

„Bitte vorfahren in die Startaufstellung!“ Als Peter sich gerade auf seinem Startplatz positioniert hatte, klopfte ihm jemand ziemlich unsanft auf den Helm. „Peter, alter Recke, das freut mich für dich! Du hast ja ordentlich Gas gegeben! Startplatz 11 – Super!“ Knut war gekommen. Peter reagierte total überrascht. Und doch freute er sich riesig. „Du weißt aber schon, Knut, dass das hier das B-Finale ist?!“ „Ja, was denkst du denn? Hast du vielleicht geglaubt, dass du in deinem ersten Rennen an 11. Stelle im A-Finale stehen würdest? Bleib mal auf dem Teppich, mein Freund! Das ist hier keine Karnevalsveranstaltung. Das sind Piloten, von denen die meisten schon zwei bis drei Jahre Formel-Erfahrung haben.“

„So, jetzt schauen wir noch mal kurz, ob dein Wagen richtig eingestellt ist. In wenigen Sekunden checkte er ihn: Der Stabilisator ist für diese Strecke zu weich! Mehr Stabi! Volker bitte korrigieren! Reifendruck 2.0/2.2. Verkehrt! Abends wird es kühler. Vorne und hinten um 0.1 absenken!“ Knut und Volker richteten alles in Windeseile. „Noch drei Minuten bis zum Start! Die Helfer bitte die Startaufstellung verlassen!“, schallte es aus dem Streckenlautsprecher.

Knut ermahnte noch einmal: „Sei absolut konzentriert, riskier‘ nicht zu viel und bewahre dein Selbstvertrauen. Du wirst merken, dass dein Wagen mit der neu eingestellten Stabi-Abstimmung viel stabiler liegen wird. Speziell in der Rechtskurve, vor der Gegengerade und in der Linkskurve kurz vor der Schikane hinten im Wald. Ab der 3. Runde kannst du dann dein Auto fliegen lassen. Ich vertraue dir! Du kannst das! Hals- und Beinbruch!“

Die Startflagge fiel. Nun galt für Peter alles, was er sich vorgenommen hatte, in die Tat umzusetzen: die gesamte Zielgerade bis zum ersten Linksknick auf der linken Seite bleiben, dann in Anfahrt auf den Rechtsknick nach innen wechseln. Es gelang ihm. Drei Wagen hatten sich bereits aus dem Feld verabschiedet. Sie waren einfach zu schnell gefahren, drehten sich beim Anbremsen und schoben sich dann gegenseitig von der Piste. Die schnelle Rechtskurve vor der Gegengerade fuhr auch Peter viel zu schnell an. Als er im Rückspiegel zwei Piloten sah, die Anstalten machten, sich in seinem Wind-

schatten anzusaugen, gab er ziemlich unkontrolliert Gas.

Insgesamt war sein Speed jedoch nicht zu hoch. Er hatte sogar noch Luft nach oben. Noch schneller zu fahren war möglich. In der nächsten Runde raste er mit 6200 Umdrehungen durch diese Passagen. Mit 200 Umdrehungen mehr als im Training.

Bei Start und Ziel sah er die Tafel von Volker: Pos. 6! Noch 7 Runden. Drei Runden vor Schluss war er bereits an 3. Position. Zwei Runden vor Schluss auf 2. Plötzlich tauchte Knut am Streckenrand auf – in seinem blauen Anorak – und schüttelte die Faust. „Was hat er denn?“, fragte sich Peter. Die Frage beantwortete sich sehr schnell von selbst. In der Anfahrt auf die vorletzte Schikane, sah er plötzlich blauen Qualm aufsteigen. Ein Überrundeter hatte offensichtlich seinen Bremspunkt zu optimistisch angelegt und war dem an Position 1 liegenden Fahrer direkt in die Seite geknallt!

Damit war der Weg frei zum ersten Sieg im ersten Rennen. „Nur noch heil ins Ziel kommen!“, flehte er. Die Zielflagge war das Schönste, was er an diesem Tag zu sehen bekam. Er riss die Arme hoch, während er die Auslaufrunde zu Ende fuhr. In der Box stürzten sich Knut und Volker regelrecht auf ihn und schüttelten ihn. „Das ist kein Traum, Peter! Du bist ein richtiges Talent! Das ist ja der Wahnsinn! Ich bin so froh, dass ich dabei war!“, sagte Knut. Volker stammelte nur: „Hammer – absolut Hammer!“

Als Peter sich gerade noch trocken rubbelte, weil er vollkommen verschwitzt war, hörte er durch den Fahrerlagerlautsprecher den Aufruf: „Wenn der Peter Eichner nur halb so schnell wie im Rennen wäre, dann hätten wir ihn auch hier bei der Siegerehrung!“ Oh je – das hatte er ja völlig vergessen! Einen Pokal im ersten Formel Rennen und am nächsten Tag die Möglichkeit, nochmals zu starten – von Startplatz 26 aus! Das war mehr als er sich je erträumte!

Yes, das Leben ist genug ...

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