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3.2.5.3 Gutgläubiger rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen vom Nichtberechtigten

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Grundsatz: Es erscheint eigentlich unlogisch, dass jemand einem anderen eine Sache zu Eigentum übertragen kann, die ihm selbst nicht gehört. Normalerweise kann man eine Rechtsposition, die man selbst nicht innehat, nicht weitergeben.

Im römischen Recht lautete der entsprechende Rechtssatz: „Nemo plus juris transferre potest, quam ipse habet“: Niemand kann Rechtspositionen übertragen, die er selbst gar nicht hat.

Bauarbeiter B verkauft seinem Freund F Baumaterialien seines Chefs E, die er zuvor auf der Baustelle „organisiert“ hat. Der Freund weiß über die Art der Beschaffung des Materials Bescheid. Der F wird selbstverständlich nicht Eigentümer der Sachen, sondern muss diese dem E herausgeben (§ 985 BGB).

Ausnahmsweise besteht jedoch ein schutzwürdiges Interesse eines „gutgläubigen“ Erwerbers, dem das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen gegenüber dem wahren Eigentümer Vorrang einräumt (§ 932 Abs. 1 Satz 1 BGB): „Durch eine nach § 929 BGB erfolgte Veräußerung wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er … Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist.“ Eigentum kann daher unter der Voraussetzung, dass der Erwerber gutgläubig von der Eigentümerstellung der Veräußerers ausgeht, auch von einem Nichteigentümer (sog. Nichtberechtigter) wirksam erworben werden. Eine Ausnahme gilt nur bei unfreiwilligem Verlust der Sache durch den Eigentümer.


Schreinermeister S löst altershalber seinen Kleinbetrieb auf und verkauft sämtliche Maschinen an den jungen Kollegen K. Die mitverkaufte Hobelmaschine war kurze Zeit vorher von S auf Raten unter Eigentumsvorbehalt beim Werkzeugmaschinenhändler H gekauft worden und ist noch nicht voll bezahlt; sie gehörte somit wegen des im Kaufvertrag vereinbarten Eigentumsvorbehalts nach § 449 BGB noch dem Händler H. Ist K mit der Übernahme der Maschine Eigentümer geworden?

Guter Glaube: Er liegt vor, wenn der Erwerber keine zwingenden Anhaltspunkte dafür hat, dass der Veräußerer nicht der wahre Eigentümer ist. Wem also bekannt ist, dass eine übereignete Sache dem Veräußerer nicht gehört oder dies zwar infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, er es aber hätte wissen müssen, ist nicht mehr gutgläubig, sondern „bösgläubig“ (§ 932 Abs.2 BGB).

Kauf eines Pkws, für den der Kfz-Brief nicht vorgelegt werden kann; Kauf eines Schmuckstücks unter verdächtigen Umständen in der Schalterhalle eines Großstadtbahnhofs.

In den genannten Fällen hätte der Käufer aufgrund der Umstände Anlass gehabt, die Eigentümerstellung des Verkäufers in Zweifel zu ziehen.

Besitzübergabe nach § 929 BGB: Hinzukommen muss, dass der Veräußerer dem Erwerber den unmittelbaren Besitz an der Sache übergibt (vgl. Verweisung in § 932 Abs. 1 Satz 1 BGB auf § 929 BGB: Einigung und Übergabe). Denn aus dem Besitz darf auf das Eigentum geschlossen werden: Nach § 1006 BGB wird zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache vermutet, dass er auch Eigentümer der Sache sei. Wer folglich vom Veräußerer keinen unmittelbaren Besitz erlangen kann, kann sich im Hinblick auf dessen Eigentum nicht sicher sein und daher vom sog. Nichtberechtigten auch kein Eigentum gutgläubig erwerben.

Da Erwerber K im obigen Eingangsbeispiel der berechtigten Meinung sein durfte, Veräußerer S sei Eigentümer der Hobelmaschine, und da S ihm im Rahmen der Übereignung auch den unmittelbaren Besitz übertragen hat, durfte K aufgrund der Vermutung des § 1006 BGB vom Besitz auf das Eigentum des S schließen und hat demnach gutgläubig Eigentum an der Hobelmaschine erworben.

Für die Fälle des Übergabewegfalls nach § 929 S. 2 BGB und die Fälle der Übergabesurrogate nach § 930, 931 BGB gibt es in §§ 932 Abs. 1 S. 2, 933, 934 BGB Sonderregelungen, die jedoch allesamt wieder auf die Frage der Besitzerlangung abstellen.

Ausnahmen vom gutgläubigen Erwerb

Diebstahl oder Abhandenkommen: Gutgläubiger Erwerb ist nicht möglich, wenn die verkaufte Sache dem Eigentümer – gegen dessen Willen – gestohlen worden – ohne dessen Willen – verloren gegangen oder sonst abhandengekommen ist (§ 935 Abs. 1 BGB). Weder der Dieb noch der Hehler noch ein gutgläubiger Erwerber von Diebesgut kann jemals Eigentümer werden.

D stiehlt bei E ein echtes Gemälde (D bösgläubig). Er verkauft es an den Hehler H (H bösgläubig). Dieser verkauft es an Galerist G (G gutgläubig). Dort kauft es zufällig der Freund F des E (F gutgläubig). Bei F entdeckt es der E an der Wand und verlangt sein Gemälde nach § 985 BGB heraus. Zu Recht, E ist noch immer Eigentümer.

Beim Abhandenkommen bzw. Verlust von Gegenständen muss differenziert werden, ob dies mit oder ohne den Willen des echten Eigentümers geschah.

A verliert seine Kamera, B findet sie, verkauft und übereignet sie an den gutgläubigen C. C wird nicht Eigentümer, sondern muss sie auf Verlangen dem A entschädigungslos herausgeben, weil sie ohne den Willen des A verloren ging. Selbstverständlich kann sich C wegen seines Schadens an B halten (falls dort etwas zu holen ist). Auch etwaige weitere Erwerber der Kamera (Käufer des C) müssen die Kamera an den A herausgeben, ohne dass es auf deren Gutgläubigkeit oder Bösgläubigkeit ankäme.

A verleiht dem B seine Kamera für eine Urlaubsreise. B gerät in Geldnot und verkauft die Kamera an den gutgläubigen C. C wird Eigentümer der Kamera, weil diese dem A nicht abhandengekommen war (sie war ja mit Einverständnis des A in den Besitz des B gelangt).

Ausnahmen von der Ausnahme: An abhandengekommenen Sachen kann ausnahmsweise doch gutgläubig Eigentum erworben werden (§ 935 Abs. 2 BGB), wenn es sich um Geld oder Inhaberpapiere oder um öffentlich versteigerte gestohlene, verlorene oder sonst abhandengekommene Gegenstände handelt:

> Geld/Inhaberpapiere: Wer (außer dem Hehler) gestohlenes Geld (oder gestohlene Inhaberpapiere) ausgehändigt bekommt, etwa als Wechselgeld, wird Eigentümer der Geldstücke oder Geldscheine.

Der Dieb tankt und bezahlt seine Tankfüllung mit gestohlenem Geld. Der gutgläubige Tankstelleninhaber wird Eigentümer des Geldes.

> Öffentliche Versteigerung: Wer eine gestohlene oder abhandengekommene Sache im Wege der öffentlichen Versteigerung erwirbt, wird Eigentümer. An Fundgegenständen, die öffentlich versteigert werden, kann man ebenfalls Eigentum erlangen.

Kommt es zum Streit darüber, ob ein Erwerber gutgläubig war, also die fehlende Berechtigung des Veräußerers nicht kannte und auch nicht hätte kennen müssen, dann trifft die Beweislast den bisherigen Eigentümer, der die Sache herausverlangt: Er muss dem Erwerber den „bösen Glauben“ nachweisen.

Im Ergebnis sind bei der Prüfung eines gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerbs etliche Prüfungsebenen zu durchlaufen:


Schließlich ist sogar gutgläubiger Eigentumserwerb von Grundstücken nach Maßgabe der §§ 891, 892 BGB möglich!

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