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Eigenschaften des Ich-Gedankens

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Normalerweise halten wir unser mühsam zusammenkonstruiertes Selbstbild für unser „wahres Ich“. Auf die Frage nach unserer Identität antworten wir in der Regel mit der Aufzählung diverser Attribute wie Geschlecht, Beruf, Alter etc. Wir behandeln also unser Ich wie ein Ding, das man definieren und beschreiben kann. Auch unsere Gedanken drehen sich fast ständig um unser Selbstbild, um dessen Aussehen, Status und Wohlbefinden. Dabei entgeht uns, dass das Selbstbild keine eigene Identität besitzt, sondern lediglich ein „Bild“ darstellt.

Würden Sie alle Gedanken über Ihr Ich nach und nach loslassen, dann würde Ihr Selbstbild mit all seinen Eigenschaften sang- und klanglos im Nichts verschwinden. Aber keine Angst. Auch wenn das im Moment wie ein Widerspruch klingt, Sie selbst mitsamt Ihrem Identitätsgefühl würden dadurch natürlich nicht sterben, es würde nur eine Vorstellung wegfallen, der außerhalb ihrer imaginären Gestalt ohnehin keine eigene Realität zukommt.

Im Folgenden sind stichpunkthaft typische Eigenschaften zusammengestellt, die häufig mit dem „Ich“ in Verbindung gebracht werden. Wie gesagt, es handelt sich hierbei nicht um Wahrheiten, sondern um Ansichten, Konzepte und um übliche Reaktionsmuster, die mit der Idee „Ich“ zusammenhängen. Und da es hier zweifellos von Mensch zu Mensch Unterschiede gibt, dürfen Sie gerne für sich selbst nachspüren, ob die genannten Punkte auf Ihre Sichtweise zutreffen oder nicht.

Typische Eigenschaften des Ich-Gedankens:

• Das Ich ist der Kristallisationspunkt des Denkens. Das Denken kreist um das Ich, um dessen Wohlergehen und Verteidigung, um dessen Vergangenheit und Zukunft.

• Das Ich möchte immer etwas bekommen (Wunsch) oder etwas vermeiden (Angst), wobei jeder Wunsch auch eine Art der Vermeidung darstellt, nämlich der Vermeidung des vermeintlich unvollkommenen augenblicklichen Zustandes.

• Das Ich schließt aus, hält Distanz und grenzt sich von anderen ab. Es steht in dauerhaftem Wettbewerb und hält sich entweder für unter- oder für überlegen.

• Das Ich vergleicht sich ständig, da es durch Abgrenzung seine Identität erfährt. Selbst als „Opfer“ fühlt es sich moralisch überlegen, was eine sehr starke psychische Kraft darstellt.

• Das Ich ist immer der Chef. Es ist der Besitzer von Dingen, des Körpers, der Gedanken, Gefühle und des freien Willens.

• Das Ich kann Verdienste und Ruhm erlangen, aber auch schuldig werden.

• Der Ich-Gedanke führt zu unterschiedlichen Identifizierungen, wodurch das Selbstwertgefühl potentiell steigt. Identifizierungen sind immer Beschränkungen und Abgrenzungen, die auf eine Hierarchie (Über- und Unterlegenheit) hindeuten. Beispiele wären: Ich bin diejenige/derjenige, die/der dies und das kann, so und so aussieht, dies und das besitzt, dies und das weiß, sich so und so verhält, so und so denkt etc.

• Das Ich identifiziert sich mit der „Person“, die ein äußeres Bild darstellt, das wir von uns haben bzw. das wir der Welt von uns anbieten (personare [lat.]: durch eine Maske sprechen).

• Die Identifikation mit vergänglichen Merkmalen fördert das Ich-Gefühl der Unvollständigkeit, Bedürftigkeit und Sterblichkeit.

• Das Ich ist nur ein Bruchstück und ständig gefährdet. Dadurch wird die ursprüngliche Vorstellung der Mangelhaftigkeit ständig bestätigt und verstärkt. Das Ich ist eine ewige Baustelle.

Ich – wer ist das?

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