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a) Streben nach Macht und Stärke
ОглавлениеIn unserer Gesellschaft fast allgegenwärtig ist das permanente Streben nach persönlicher Leistung, sei es in der Schule, im Beruf, Sport oder gar im zwischenmenschlichen Bereich. Der Wert einer Person wird im Wesentlichen über ihre Leistungsfähigkeit definiert. Und wenn jemand nicht mithält, dann wird seine Einstellung zum Erfolg kritisiert. Die Idee, dass Erfolg gar kein probates Lebensziel darstellen könnte, ist so abwegig, dass sie im Grunde niemals geäußert wird.
Wenn aber der eigene Selbstwert vom Erfolg abhängt, dann hat ein Misserfolg nicht nur die damit verbundenen unangenehmen materiellen oder sozialen Konsequenzen, sondern er greift auch gleichzeitig immer das eigene Ich an. In der Folge führt das Leistungsdenken sozusagen als Nebenwirkung fast unvermeidlich zu Versagensängsten, wobei jede Angst das Mangelgefühl tendenziell verstärkt, das ja ursprünglich durch die Leistung kompensiert werden sollte. So wird das ursprüngliche Gefühl der Trennung nicht gemindert, sondern es wird tendenziell stetig verschärft. Die Spirale aus Macht und Angst ist ja bekanntlich auch der Mechanismus, der totalitäre Herrscher an die eigene Gewalt bindet und somit erst die erhebliche Zerstörungskraft freisetzt, die totalitären Regimen so häufig eigen ist.
Ein weiteres Problem des Kompensationsversuchs durch Macht und Stärke besteht aber darin, dass auch der Erfolgsfall häufig gar keine zufriedenstellende Lösung darstellt. Belohnt wird mit dem Erfolg zwar eine ganz bestimmte Eigenschaft der Person, zum Beispiel ihre Sportlichkeit, aber eben nicht der „ganze“ Mensch, der durch das persönliche Mangelgefühl in Frage steht. Ein schönes Beispiel bieten die zahlreichen Promis, die sich in Talkshows so gerne als Kinderbuchautoren oder Leiter von Hilfsprojekten präsentieren, um damit zu sagen: „Hey, ich bin und kann viel mehr als die ausgezeichnete Sportlerin oder die begnadete Schauspielerin, die ihr kennt.“
Weitere Strategien im Streben nach Stärke und Macht sind zum Beispiel auch die Anhäufung von Besitz oder das Streben nach Status, Bewunderung und Ruhm, womit natürlich eine ständige Verlustangst einhergeht, und sei es die Angst vor dem Gesichtsverlust. Aber auch hier lindert der Erfolg selten das ursprüngliche Manko. Schließlich verstärkt großer Besitz oder Prominenz aufgrund der hohen Mauern, Sicherheitsvorkehrungen, Bodyguards, also durch den sogenannten goldenen Käfig, die Trennung zu den Mitmenschen, die ja ursprünglich überwunden werden sollte. Das Hilfsmittel erweist sich also als das eigentliche Gift. Und schließlich kann Besitz und Status schon vom Prinzip her keine Hilfe darstellen, da das ursprüngliche Gefühl der Unvollkommenheit selten etwas mit einem Mangel an Gütern oder Status zu tun hat. Hier liegt schlicht und einfach eine Verwechslung vor.