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3 Die Natur des Geistes

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Die Lehre Maharishis unterscheidet sich deutlich von dem, was andere Meister Indiens oder des Fernen Ostens unterrichten. Sie wertet die materielle Seite des Lebens und die Bedeutung des physischen Körpers nicht ab. Vertreter anderer Meditationsrichtungen verlangen häufig, dass unsere spirituelle oder innere Entwicklung unser einziges Ziel sein sollte. Einige von ihnen gehen sogar so weit, zu behaupten, dass unsere gegenständliche Welt nichts als eine Illusion sei, die man zurückweisen oder einfach ignorieren sollte. Maharishi schließt sich diesen Auffassungen nicht an. Er betont immer wieder die Realität der uns umgebenden Welt, die Bedeutung des körperlichen Wohlbefindens und die enge, gegenseitige Abhängigkeit von Körper und Geist.

Die moderne Psychologie hat längst bewiesen, dass alle Gedanken, Erfahrungen, Wünsche und Gefühle eine spezifische Reaktion in Geist und Körper hervorrufen. Geist und Körper beeinflussen sich wechselseitig. Zusätzlich gilt: jede physiologische Veränderung oder Aktivität im Gehirn beeinflusst auch unseren geistigen Zustand. Die meisten dieser Veränderungen geschehen, ohne dass wir es merken. Nur die stärksten werden von uns bewusst wahrgenommen.

„Ein Gedanke“, so schreibt Maharishi, „entsteht in der tiefsten Schicht unseres Unterbewusstseins. Von dort steigt er durch die für die meisten Menschen nicht wahrnehmbaren Bereiche des Bewusstseins auf, bis er schließlich die aktive Denkschicht erreicht und von uns als Gedanke erkannt wird.“ Maharishi illustriert dies gern mit dem Aufsteigen von Blasen in einem Teich. Ist der Teich trübe, können wir eine Blase erst dann erkennen, wenn sie an die Oberfläche kommt. Wir sehen nicht, wie sie vom Grund des Teiches aufsteigt. In ähnlicher Weise bleibt uns der Gedanke im Geist verborgen, wenn dieser trübe ist.

„Anhand dieser Analogie“, so Maharishi, „können wir uns leicht vorstellen, dass jeder Gedanke durch den gesamten Bereich des Bewusstseins wandert. Er wird erst dann wahrgenommen, wenn er die obere bewusste Denkebene erreicht hat. In seinen früheren Stadien bleibt er uns meist verborgen.“1

Das Bild von einem Gedanken, der im Geist aufsteigt, ist natürlich nur ein Modell und sollte nicht zu wörtlich genommen werden. Aber es ist ein sehr anschauliches und nützliches Modell und es charakterisiert die Prozesse im Gehirn durchaus treffend.

Aktuelle Forschungsergebnisse lassen darauf schließen, dass es ungefähr eine zehntel Sekunde dauert, bis eine bewusste gedankliche Erfahrung entsteht. Eine zehntel Sekunde ist für den Laien eine extrem winzige Zeitspanne; für den Neurologen ist sie jedoch ziemlich lang. Ein Neuron kann ein anderes in ca. 1/1000 Sekunde anregen, und jedes Neuron kann in dieser kurzen Zeitspanne möglicherweise mit tausend anderen in Interaktion treten. So wird deutlich, dass während einer zehntel Sekunde eine enorm komplexe Aktivität stattfinden muss. Sie ist nicht nur komplex, weil viele Neuronen daran beteiligt sind, sondern auch, weil die Aktivität höchst geordnet und strukturiert ist.

Wenn wir uns nun eine bestimmte Aktivität vorstellen, z. B. einen visuellen Eindruck, muss sich dieser Impuls irgendwie von der großen Menge anderer Aktivitäten unterscheiden, die sich gleichzeitig im Gehirn abspielen. Der entscheidende Faktor bei dieser Abgrenzung liegt wahrscheinlich in der unterschiedlichen Organisation. Die neuralen Vorgänge, die bewusste Erfahrungen hervorbringen, besitzen wahrscheinlich einen größeren Grad an Ordnung und Struktur. Es spricht einiges für die Theorie, dass eine bewusste Erfahrung einen spezifischen Grad von Ordnung verlangt. Das Bewusstsein korrespondiert direkt mit der Funktionsweise des Nervensystems, und bestimmte geistige Erfahrungen sind nur bei einer genau definierbaren, geordneten Aktivität innerhalb des Nervensystems möglich.2

Der international anerkannte Neurophysiologe Sir John Eccles ist überzeugt, dass die Aktivitäten im menschlichen Gehirn einen der kompliziertesten Prozesse im gesamten Sonnensystem darstellen.

Eine mathematische Analyse dieser Situation zeigt, dass nur ein sehr kleiner Prozentsatz (0,001 %) der Neuronen im Gehirn im Gleichklang sein muss, damit sich die neurale Aktivität von der weniger kohärenten Hintergrundaktivität abhebt. Wahrscheinlich ist es diese innerhalb einer zehntel Sekunde erfolgende geordnete Aktivität, die erforderlich ist, einen Gedanken zu erzeugen.

In kybernetischen Fachbegriffen ausgedrückt: der Vorgang der Organisation erhöht den Störabstand, d.h. das Verhältnis vom Signal zum Rauschen. Das Signal ist die Erfahrung, die gerade verarbeitet wird, das Rauschen ist die gesamte übrige unerwünschte Aktivität. Wird die Kohärenz der „erwünschten“ Information erhöht, trennt sie sich klarer von allen Hintergrundgeräuschen. Die Erfahrung wird deutlicher und schließlich bewusst.

Wie viel Geordnetheit innerhalb der Aktivität der Neuronen notwendig ist, damit wir uns eines Gedankens bewusst werden, hängt von der Stärke des „Hintergrundrauschens“ ab. Offensichtlich gibt es eine Schwelle, ab der wir eine Erfahrung bewusst wahrnehmen. Jede Aktivität mit einem relativ niedrigen Kohärenzgrad bleibt unterschwellig und wird von anderen, mehr geordneten Aktivitäten überschattet. Hat die Aktivität einen Kohärenzgrad, der gerade noch die Schwelle überschreitet, verursacht dies undeutliche, verschwommene Gedanken. Erst stärker geordnete Aktivitäten ermöglichen uns, klare und bewusste Erfahrungen zu machen.

Die Parallelen zu Maharishis Modell des Geistes sind ziemlich offensichtlich. Das Aufsteigen der „Gedankenblase“ entspricht der zunehmenden Komplexität und Organisation der neuralen Signale im Gehirn. Während die Kohärenz zunimmt, wird der Gedanke stärker und stärker, bis er den umgebenden mentalen „Lärm“ durchdringt und als Gedanke „auf der bewussten Ebene des Geistes“ wahrgenommen wird.

Die Abbildung 1 illustriert Maharishis Beschreibung dieses Vorgangs. Dasselbe Diagramm könnte auch dazu benutzt werden, die gleichzeitig stattfindenden Prozesse im Gehirn darzustellen. So habe ich Maharishis Beschreibung durch ein physikalisches Modell ergänzt.

Abb. 1: Das „Aufsteigen“ eines Gedankens im Geist. (a) Maharishis Beschreibung des Vorganges (b) Mögliches Gegenstück bezogen auf die Gehirnaktivität

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