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IV. Leiharbeitnehmer/Arbeitnehmerüberlassung

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Viel Aufmerksamkeit in Politik und Öffentlichkeit erfuhr in den letzten Jahren die Arbeitnehmerüberlassung. Modellbeschreibung: Bei der auch Leiharbeit genannten Konstruktion besteht ein Arbeitsvertrag zwischen Leiharbeitnehmer und dem sog. Verleiher, der ihn aufgrund eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags an den Entleiher „verleiht“ (§ 1 I 1 AÜG) und dafür im Gegenzug ein Entgelt erhält. Der Leiharbeitnehmer wird in der Folge rein tatsächlich für den Entleiher tätig, ohne dass zwischen beiden ein Arbeitsvertrag bestünde. Der Leiharbeitnehmer steht damit dem sog. Stammarbeitnehmer gegenüber, der direkt beim „Einsatzarbeitgeber" angestellt ist. Grafisch lässt sich die Arbeitnehmerüberlassung wie folgt darstellen:

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Die Arbeitnehmerüberlassung „funktioniert“ wegen der im Zweifel bestehenden Nichtabtretbarkeit des Anspruchs auf die Dienstleistung (§ 613 S. 2 BGB, s. Rn. 587) nur, wenn der Leiharbeitnehmer mit ihr einverstanden ist; in der Praxis wird das Problem aber dadurch „umschifft“, dass der Arbeitnehmer sich im Arbeitsvertrag generell mit dem Einsatz bei Dritten im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung einverstanden erklärt.[51] Überdies ist die Arbeitnehmerüberlassung nur in dem vom AÜG vorgegebenen Rahmen zulässig. Erforderlich ist insb., dass der Verleiher über eine öffentlich-rechtliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügt (§§ 1 I 1, 2-5 AÜG). Nach § 1 Ib AÜG beträgt die Höchstdauer für die Überlassung an denselben Entleiher 18 aufeinander folgende Monate. Grundsätzlich unzulässig ist die Arbeitnehmerüberlassung im Baugewerbe (§ 1b AÜG).

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In Bezug auf die Rechtsfolgen der Arbeitnehmerüberlassung ist es zentral, zwischen der zulässigen und der unzulässigen Überlassung zu unterscheiden:

(1) Ist die Arbeitnehmerüberlassung zulässig, so bleibt Vertragsarbeitgeber der Verleiher, der deshalb insb. Schuldner der Vergütungsansprüche ist. Nach § 8 AÜG hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (equal-treatment-Grundsatz bzw. equal-pay-Grundsatz; für Ausnahmemöglichkeiten vgl. § 8 II AÜG). Jedoch treffen den Entleiher einige aus der Fürsorgepflicht abzuleitende Nebenpflichten, insb. die Schutzpflichten für Gesundheit, Leben, Persönlichkeitsrecht, Eigentum und ggf. Vermögen des Leiharbeitnehmers (vgl. zu den Nebenpflichten des Arbeitgebers Rn. 661 ff.).[52] Im Gegenzug überträgt der Verleiher dem Entleiher sein Weisungsrecht (Rn. 582 ff.), so dass dieser den Arbeitnehmer nach seinem Gutdünken einsetzen kann.[53] Es kommt also zu einer Aufspaltung der Arbeitgeberfunktionen.

(2) Erheblich sind die Folgen bei einem Verstoß gegen bestimmte Vorschriften. So ist grundsätzlich der Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Arbeitnehmer unwirksam, wenn

dem Verleiher die nach § 1 I 1 AÜG erforderliche Erlaubnis fehlt, § 9 I Nr. 1 Hs. 1 AÜG, oder
die Arbeitnehmerüberlassung entgegen § 1 I 5, 6 AÜG nicht ausdrücklich als solche bezeichnet und/oder die Person des Leiharbeitnehmers nicht konkretisiert wurde, § 9 I Nr. 1a Hs. 2 AÜG, oder
die Überlassungshöchstdauer von § 1 Ib AÜG überschritten wird, § 9 I Nr. 1b Hs. 1 AÜG.

Durch diese auf den ersten Blick merkwürdige Konsequenz soll der Arbeitnehmer geschützt werden, und zwar dergestalt, dass in diesen Fällen zugleich ein Arbeitsvertrag zwischen ihm und dem Entleiher fingiert wird, § 10 I 1 AÜG (zu dessen Inhalt s. § 10 I 2-5 AÜG). Es kommt also zu einem vom Willen der Beteiligten unabhängigen Vertragsübergang kraft Gesetzes. Jedoch hat (nur!) der Arbeitnehmer die Möglichkeit, durch eine sog. Festhaltenserklärung diese Rechtsfolgen – Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages mit dem Verleiher und Fiktion eines solchen mit dem Entleiher – zu verhindern (Details s. § 9 I Nr. 1-1b, II, III AÜG).

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In Fall 3 fehlt es P an der nach § 1 AÜG erforderlichen Erlaubnis. Der eigentlich zwischen ihr und A bestehende Arbeitsvertrag ist daher nach § 9 I Nr. 1 Hs. 1 AÜG unwirksam, A hat auch keine dies verhindernde Festhaltenserklärung (§ 9 I Nr. 1 Hs. 2 AÜG) abgegeben. Nach § 10 I 1 AÜG besteht somit ein Arbeitsverhältnis zwischen A und U.

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Achtung: Die Arbeitnehmerüberlassung i.d.S. ist streng zu unterscheiden von Situationen, in denen sich ein Unternehmer gegenüber einem anderen Unternehmer im Rahmen eines Werkvertrags zur Ausführung von Arbeiten in dessen Betrieb verpflichtet und hierfür seine eigenen Arbeitnehmer einsetzt. Hier kommt es nicht zu einer Arbeitnehmerüberlassung, vielmehr sind und bleiben die Arbeitnehmer stets Erfüllungsgehilfen ihres Arbeitgebers. Die Abgrenzung erfolgt nach dem objektiven Geschäftsinhalt und dem wahren Willen der Parteien (nicht dem im Vertrag verlautbarten), sie kann in der Praxis äußerst schwerfallen.

Beispiel:

Ein Malerunternehmen verpflichtet sich, die Geschäftsräume eines Kaufhauses neu zu streichen und setzt hierfür seine eigenen Maler ein.

§ 2 Arbeitnehmerbegriff und andere Begriffe › C. Besondere „Arten“ von Arbeitsverhältnissen › V. Kirchliche Arbeitnehmer

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