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b) Verhältnis zu allgemeinen Rechtsscheintatbeständen

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Klärungsbedürftig ist das Verhältnis von § 15 II HGB zu sonstigen Rechtsscheintatbeständen. Die Frage stellt sich etwa in folgendem

Beispiel:

Kaufmann K erteilte P eine Prokura, die ordnungsgemäß im Handelsregister eingetragen wurde (§ 53 I HGB). Zudem stellte er ihm eine Vollmachtsurkunde (§ 172 BGB) aus. Später widerrief er die Prokuraerteilung, was ebenfalls im Handelsregister eingetragen wurde, § 53 II, I HGB. In der Folge schließt P unter Vorlage der sich nach wie vor in seinem Besitz befindlichen Vollmachtsurkunde und unter Behauptung, nach wie vor Prokurist des K zu sein, in dessen Namen einen Vertrag mit dem gutgläubigen D. Ist K an den Vertrag gebunden?

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Mangels rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht des P kommt eine Bindung des K nur über einen Rechtsscheintatbestand in Betracht. § 15 I HGB scheidet aus, da das Erlöschen der Prokura ja gerade im Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht wurde, womit zugleich die Voraussetzungen von § 15 II HGB erfüllt sind. Allerdings greift zugleich § 172 II BGB ein, wonach die Vertretungsmacht – vorbehaltlich einer Bösgläubigkeit des Dritten, § 173 BGB – solange bestehen bleibt, bis die Vollmachtsurkunde zurückgegeben oder für kraftlos erklärt wird. Es stellt sich daher die Frage, ob § 15 II HGB nicht nur einen Rechtsscheinschutz über § 15 I HGB ausschließt, sondern auch den außerregisterrechtlichen Schutz des § 172 BGB.

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Teilweise wird hier für einen Vorrang von § 15 II HGB mit der Folge plädiert, dass neben § 15 I HGB auch sonstige Rechtsscheintatbestände ausgeschlossen sind.[63] Richtigerweise wird man die sonstigen Rechtsscheintatbestände aber als unberührt anzusehen haben und daher im obigen Beispiel § 172 II BGB anwenden müssen.[64] Dagegen kann man zwar den apodiktisch gefassten, keine Ausnahme für den Rechtsscheinschutz nach § 15 I HGB machenden Wortlaut des § 15 II 1 HGB („muss ein Dritter sie gegen sich gelten lassen“) anführen. Dem kann aber über eine teleologische Reduktion der Norm hinweggeholfen werden. Denn die Bekanntmachung kann dem Dritten entgangen sein und eine Einsicht ins Handelsregister ist von ihm nicht zu erwarten, wenn sich sein Gegenüber durch eine Vollmachtsurkunde legitimiert. Angesichts seiner „Vergesslichkeit“ (= unterlassene Rückforderung der Vollmachtsurkunde) erscheint K überdies im Verhältnis zu D weniger schutzwürdig.

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