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Autophagie und Fasten

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Die Autophagie ist eines der spannendsten Forschungsgebiete der Ernährungsmedizin. Autophagie heißt, dass unbrauchbar gewordene Körperbestandteile abgebaut und verwertet werden. Während unseres Lebens kommt es in jeder Körperzelle zu Schäden. Im Laufe der Zeit summieren sie sich an den Zellstrukturen. Die Folge: Die Abläufe in der Zelle funktionieren nicht mehr reibungslos, wir altern. Stellen Sie sich den Körper wie ein Auto vor, das im Dauerbetrieb fährt: Irgendwann gehen kleinere Teile kaputt – doch auch ohne Blinker kann man noch fahren. Nicht mehr so gut, aber immerhin. Irgendwann sind die Defekte so gravierend, dass das Auto ohne Ersatzteile liegenbleibt. So geht es auch dem Körper beim Altern.

Autophagie als natürliches Anti-Aging-Programm

Bei einem Auto kann man den Alterungsprozess verzögern, indem man regelmäßig Inspektionen durchführt und defekte Teile austauscht. Eben dies kann auch unser Körper – mit der Autophagie. Wenn in einer Körperzelle die Autophagie aktiviert wird, werden geschädigte Zellstrukturen in ihre einzelnen Bestandteile abgebaut. Dieser »Zellmüll« wird dann entweder entsorgt oder zu neuen, intakten Zellstrukturen recycelt. Damit ist die Autophagie das in all unsere Zellen eingebaute natürliche Anti-Aging-Programm. Sie schützt uns davor, dass sich defekte Zellbestandteile anreichern und die Zelle geschädigt wird.

Fasten fördert die Autophagie

Und jetzt kommt das Spannendste. Damit dieses zelluläre Recycling-Programm ablaufen kann, braucht der Körper eine Ernährungspause. Nehmen Sie wieder das Auto-Beispiel: Während Sie über die Autobahn fahren, ist kein Öl- und Reifenwechsel möglich. So lange wir dem Körper ununterbrochen Nahrung zuführen, hat er weder Zeit noch Grund, in den Autophagie-Modus zu wechseln. Essen hemmt die Autophagie, bei längeren Essenspausen von 14 bis 16 Stunden steigt die Autophagie-Rate sprunghaft an. Noch stärker wird dieser Effekt bei zwei aufeinanderfolgenden Fastentagen pro Woche (sog. 5:2-Fasten) oder beim Heilfasten, wo über mehrere Tage (überwiegend) auf Nahrung verzichtet wird.

Was vielen Menschen heute als »unnatürlich« erscheint – zeitlich begrenzter Nahrungsverzicht – war in der Menschheitsgeschichte immer der Normalzustand: Zeiten des Nahrungsüberflusses wechselten sich ab mit Zeiten des Nahrungsmangels. Auf diesen Wechsel ist unser Körper bestens eingerichtet. Er ist darauf programmiert, sich in Mangelzeiten selbst zu regenerieren. Nicht Nahrungsunterbrechung im Sinne von Fasten ist unnatürlich, sondern die dauerhafte Nahrungsaufnahme.

Wie kann ein natürliches Vitamin das Krebsrisiko erhöhen?

Stellen Sie sich vor, Sie haben im Garten eine Brachfläche. Wenn Sie jetzt Dünger daraufgeben – entsteht dadurch von allein ein perfekter englischer Rasen? Natürlich profitieren vom Dünger die Pflanzen, die am schnellsten wachsen – und das ist das Unkraut. Genauso verhält es sich in unserem Körper, wenn wir ihn mit isolierten bzw. überdosierten Vitaminpräparaten »düngen«: Diese Vitamine lösen keinen Krebs aus, aber da viele Menschen unentdeckte, winzige Krebsvorstufen in sich tragen, beschleunigen diese Vitamine deren Wachstum. Damit wird aus winzigen Krebsvorstufen schneller und häufiger ein Tumor.

Also, hochdosiertes Beta-Carotin ist schon mal keine gute Idee. Aber wie ist das mit anderen Vitaminen? Hier gibt es eine Geschichte, die jeder Pharmakologe kennt: Der amerikanische Arzt Dr. Sidney Farber suchte in den 1940er-Jahren nach einer Heilung für besonders heimtückische Leukämien bei Kindern. Da er wusste, dass Vitamin B9 (besser bekannt als Folsäure) die Blutbildung fördert, setzte er es bei Kindern mit Blutkrebs ein. Entgegen seiner Erwartung kam es bei seinen kleinen Patienten aber innerhalb weniger Tage zu einer dramatischen Verschlechterung. Dr. Farber zog die richtigen Schlüsse: Mit einer Folsäure-armen Ernährung konnte er den Kindern Linderung verschaffen. Sofort begann er mit der Entwicklung von Anti-Vitamin-B9, und noch heute ist der Folsäure-Blocker Methotrexat ein Standardmedikament der Krebstherapie.

Fazit: Hochdosierte B-Vitamine (Vitamin B6, Vitamin B9, Vitamin B12) können das Krebsrisiko erhöhen, indem sie an Tumorzellen als Wachstumsbeschleuniger wirken.

Die Ergebnisse der 2009 vom M. D. Anderson Cancer Center (Houston, Texas) veröffentlichten SELECT-Studie zeigten, dass Vitamin-E-Supplemente das Prostatakrebs-Risiko bei gesunden Männern erhöhen können. Besser sieht es dagegen für Vitamin C, Vitamin D und Omega-3-Präparate aus: In allen großen Studien waren entsprechende Supplemente zur Krebsprävention lediglich komplett unwirksam, aber zumindest nicht gefährlich.

Das große Praxisbuch Ernährungsmedizin

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