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a) Der Arbeitsunfall

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Der Arbeitsunfall als praktisch bedeutsamster Versicherungsfall der gesetzlichen Unfallversicherung wird durch § 8 Abs. 1 SGB VII definiert. Gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle „Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit)“. Das BSG konkretisiert den Rechtsbegriff seit 2006[21] sinngemäß: Ein Arbeitsunfall setzt voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb Versicherter ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität), das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung der Leistung[22]. Im Einzelnen:

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aa) Es muss zunächst ein Unfall eines Versicherten vorliegen. Als Unfälle bezeichnet § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII „zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen“. In Bezug auf diese Gesetzesdefinition des Unfalls ist hervorzuheben:

(1) § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII fordert die Einwirkung von außen. Sog. innere Ursachen, aus dem Menschen selbst kommende Ereignisse, sind nicht als Unfall anzusehen. Wenn das Gesetz für die Abgrenzung einen räumlichen Bezug wählt, ist dies nicht unproblematisch. Eine Einwirkung von außen kann auch gegeben sein, wenn sich der Ausgangspunkt im Körperinneren befindet (Beispiele: Kurzwellen setzen einen Herzschrittmacher außer Funktion, was tödliche Folgen hat[23]; durch den Genuss von Palatschinken, der Walnuss enthält, kommt es bei einem Allergiker zu einem anaphylaktischen Schock mit tödlichem Herz-Kreislaufstillstand (Fall 7)[24].

(2) Das Ereignis muss, damit es ein Unfallereignis iSv § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII ist, zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Gesundheitsschaden in diesem Sinn ist der Erstschaden und als solcher jeder regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand. Es genügt die kleinste Schnittwunde. Dass der Schaden (in diesem Sinn des Erstschadens) gemäß der Definition des § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII im Unfallbegriff steckt, ist in Bezug auf die gesetzliche Unfallversicherung folgerichtig, denn ohne irgendeine Schädigung gibt es keinen Versicherungsfall. Da der Unfallbegriff den Schaden voraussetzt, muss auch eine Kausalitätsbeziehung (zwischen dem Ereignis und irgendeinem Gesundheitsschaden) schon innerhalb des Unfallbegriffs gegeben sein („die zu einem … führen“). Wie noch darzulegen ist, ist diese (haftungsbegründende) Kausalität innerhalb des Unfallbegriffs begrifflich von der sog. Unfallkausalität und der sog. haftungsausfüllenden Kausalität zu unterscheiden. Es muss in allen drei Fällen sowohl ein tatsächlicher Kausalzusammenhang bestehen als auch die rechtliche Zurechenbarkeit angenommen werden können (dazu Rn 318 ff).

(3) Nur Unfälle von Versicherten können Arbeitsunfälle iSd Unfallversicherungsrechts sein. Versicherte iSv § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind die gemäß §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Personen, also auch die in der „unechten“ Unfallversicherung Versicherten, wenn deren Unfälle auch mit der „Arbeit“ im eigentlichen Sinn nichts zu tun haben.

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bb) Die Versicherten müssen, damit Versicherungsschutz besteht, den Unfall bei einer versicherten Tätigkeit erleiden. Arbeitsunfälle sind nur Unfälle von Versicherten „infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit)“. Gemeint ist die im konkreten Einzelfall tatsächlich unfallbringende Verrichtung. Wer zwar zu einem der in § 2 Abs. 1 Nr 1–17 SGB VII aufgezählten Personenkreise, etwa zu den Beschäftigten (§ 2 Abs. 1 Nr 1 SGB VII), gehört, aber bei der Arbeit in seinem Garten den Unfall hat, erleidet keinen Arbeitsunfall. Es handelt sich schon ihrer Art nach um eine private, nicht um eine versicherte Tätigkeit. Man spricht auch von eigenwirtschaftlicher Tätigkeit.

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Es muss, was den konkreten Handlungsablauf angeht, ein innerer Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Unfallgeschehen bestehen. Die Dinge liegen meist nicht so einfach wie in dem Beispiel mit der Gartenarbeit, wenn etwa ein Arbeitnehmer während der Arbeitszeit mit einem Arbeitskollegen in Streit gerät und es deshalb zu einem Unfall kommt[25] oder wenn ein Arbeitnehmer während einer Geschäftsreise im Auftrag seines Unternehmens an einem als Teil der Tagung veranstalteten Essen teilnimmt und dabei einen Unfall erleidet (Fall 7). Die zum Versicherungsschutz von Beschäftigten entwickelten Grundsätze sind namentlich in der Schülerunfallversicherung mit Bezug auf die schulischen Verhältnisse gedanklich umzuformen[26]. Im Einzelnen:

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(1) Die Definition des § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII geht von der versicherten Tätigkeit aus, obwohl die §§ 2, 3 und 6 SGB VII den versicherten Personenkreis bestimmen. Es muss deshalb das den Gesundheitsschaden verursachende Unfallgeschehen der versicherten Tätigkeit in Anknüpfung an die versicherten Personenkreise zugeordnet werden. Dafür muss man zunächst die Tätigkeitsbereiche ermitteln. Dann ist zu fragen, ob zwischen Unfallgeschehen und versicherter Tätigkeit ein Zusammenhang besteht. Nur dann ist Versicherungsschutz gegeben.

Ob ein Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Unfallgeschehen besteht, ist eine Frage der Rechtsanwendung: Es geht darum, ob Versicherungsschutz besteht oder nicht besteht.

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(2) Was namentlich die gemäß § 2 Abs. 1 Nr 1 SGB VII versicherten Beschäftigten angeht, ist dieser Personenkreis also nur gegen Unfälle versichert, die im Zusammenhang mit ihrer Beschäftigung stehen, andernfalls werden sie der eigenwirtschaftlichen Tätigkeit zugerechnet.

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(3) Wenn die Rechtsprechung des BSG insoweit von einem „inneren“ oder „sachlichen“ Zusammenhang spricht, bedeutet dies, dass es nicht nur auf den zeitlichen und räumlichen Bezug zu der versicherten Tätigkeit, etwa zu der Beschäftigung als Arbeitnehmer, ankommt. Die Frage des Zusammenhangs ist vielmehr vor dem Hintergrund des Versicherungsschutzes der gesetzlichen Unfallversicherung wertend zu ermitteln. Es kommt darauf an, ob die Verhaltensweise, die zum Unfall führt (die letzte beobachtbare Handlung), zu der versicherten Tätigkeit gehört (sodass Versicherungsschutz besteht) oder dem privaten Bereich (räumlich, zeitlich, wertungsmäßig) zuzurechnen ist. Für diese Unterscheidung spielt der Zweck des Handelns, die anhand objektiver Umstände zu beurteilende Handlungstendenz des Versicherten („objektivierte Handlungstendenz“), eine wesentliche Rolle[27]; es muss sich die subjektive Handlungstendenz (als innere Tatsache) in der Verrichtung (wie sie objektiv beobachtbar ist) widerspiegeln[28].

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Die Fähigkeit zu richtiger Unterscheidung von versicherten und privaten Tätigkeiten lässt sich durch Auswertung höchstrichterlich entschiedener Grenzfälle gewinnen.

Beispiele:

Kein innerer Zusammenhang besteht, wenn ein Versicherter am Arbeitsplatz in einer Pause sein Fahrzeug repariert; wenn durch privates Telefonieren am Arbeitsplatz die versicherte Tätigkeit nicht nur geringfügig unterbrochen wird (LSG Hessen, NZS 2014, 74); wenn Doktoranden einer Hochschule einen Festumzug veranstalten (BSG, VersR 1996, 867); beim gemeinsamen Essen nach einer Treibjagd („Schüsseltreiben“, BSG, NZS 2006, 100); wenn Beschäftigte, die in einem Home-Office arbeiten, zur Küche gehen, um ein Getränk zu holen (BSG, NZS 2016, 948); anders, wenn eine versicherte selbstständige Friseurin Geschäftswäsche aus einem in ihrer Wohnung befindlichen privaten Waschraum holt (BSG, NJW 2018, 1207). Die Einnahme einer Mahlzeit (auch am Arbeitsplatz während der Arbeitszeit) gehört grundsätzlich zum Privatbereich, versichert sind nur die erforderlichen Wege (BSGE 11, 267; BSG, NZS 2000, 566). Ein innerer Zusammenhang besteht bei einem Betriebsfest, Betriebsausflug, einem Fußballturnier oder einer ähnlichen betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung, wenn die Veranstaltung vorab erkennbar grundsätzlich allen Betriebsangehörigen oder Angehörigen einer organisatorischen Einheit offensteht (BSG, NZS 2017, 25 m. Anm. Waltermann). Bei „gemischter Tätigkeit“, die untrennbar privaten und betrieblichen Zwecken dient, kommt es darauf an, ob diese wesentlich auch in betrieblichem Interesse erfolgt (BSG, NJW 2010, 1692 ff).

In Fall 7 war das Abendessen Teil der Tagung. A war praktisch gezwungen, an dem Abendessen teilzunehmen; wenn er an dem betreffenden Abend etwas zur üblichen Zeit essen wollte, waren Ort und nähere Umstände des Essens durch die Tagungsorganisation vorgegeben. Es handelt sich um eine Fallgestaltung, in der die Nahrungsaufnahme ausnahmsweise nicht persönliche Verrichtung ist.

In Fall 8a ist A gemäß § 2 Abs. 1 Nr 1 SGB VII kraft Gesetzes unfallversichert, also Versicherter. Ein Arbeitsunfall liegt vor, wenn A einen Unfall iSv § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII infolge einer versicherten Tätigkeit erlitten hat (§ 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII). Ein Unfall liegt vor; dass der Körper des A mit der Folge eines Gesundheitsschadens auf die Treppe und auf den Boden geprallt ist, steht der Annahme eines „von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses“ nicht entgegen[29]. Der Unfall ereignete sich sodann nicht im privaten Bereich, sondern während der Arbeitszeit, die versicherte Tätigkeit ist. Da aber A seine Tätigkeit wegen des Ausmaßes seiner Trunkenheit nicht mehr verrichten konnte, fehlt es am inneren Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verhaltensweise, die zum Unfall geführt hat. Es bestand also insoweit kein Versicherungsschutz. Ein Arbeitsunfall ist deshalb zu verneinen[30]. Im Straßenverkehr hat die Rechtsprechung früher bei einer nachgewiesenen Blutalkoholkonzentration von mindestens 3,0 ‰ die Wegefähigkeit verneint[31]. Das BSG lässt in seiner neueren Rechtsprechung offen, ob es dieser Linie folgen würde[32].

One-Page-Fälle: BSG, NZS 2017, 192 (Waltermann): Fußballturnier; BSG, NZS 2019, 515 (Pitz): Home-Office; BSG, NZS 2019, 673 (Brose): Sportturnier; LSG Baden-Württemberg, NZS 2018, 195 (Kainz): Fußballtestspiel; LSG Stuttgart, NZS 2018, 233 (Schütz): Austragung eines persönlichen Konflikts im Betrieb.

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cc) Über den inneren Zusammenhang des Unfalls mit der versicherten Tätigkeit hinaus muss der Unfall auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein („infolge“ einer versicherten Tätigkeit). Man muss unterscheiden: Dass sich der Unfall bei einer versicherten Tätigkeit (oben bb.) ereignet, ist Voraussetzung dafür, dass überhaupt Versicherungsschutz des Versicherten besteht. Hinzukommen muss noch, dass zwischen der versicherten Verhaltensweise (versicherten Verrichtung) und dem Unfallereignis ein Zusammenhang besteht. Nötig ist insoweit ein Kausalzusammenhang, zudem bedarf es auch hier einer wertenden Betrachtung. Bei diesem Zusammenhang handelt es sich um eine (weitere) haftungsbegründende Kausalität; das BSG spricht von „Unfallkausalität“.

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(1) Rechtsprechung[33] und Schrifttum[34] beurteilen die Zusammenhänge (zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden, Rn 310, und zwischen versicherter Verhaltensweise und Unfallereignis, also die Unfallkausalität) nach der sog. Theorie der rechtlich wesentlichen Ursache. Danach sind unter Abwägung ihrer verschiedenen Werte nur diejenigen Bedingungen als ursächlich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Dies drückt man traditionell auch so aus, dass von allen Ursachen iS der naturwissenschaftlich-philosophischen Kausalitätslehre nur diejenigen rechtliche Bedeutung haben, denen nach der Anschauung des praktischen Lebens die wesentliche Bedeutung für den Eintritt des Erfolges zukommt[35].

Früher wurden Kausalitätsfragen und Zurechnungsfragen miteinander vermischt[36]. Heute werden aus der Verschiedenheit im Zivilrecht und im Sozialrecht Konsequenzen gezogen[37]. Im Zivilrecht erfasst man die Problematik, die im Sozialrecht mit der Einschränkung der „Wesentlichkeit“ gelöst wird, begrifflich unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der Norm. Der Unterschied von Kausalität und (wertender) Zurechnung ist rechtswissenschaftlich gesehen beträchtlich: Kausalität ist eine Frage des „Seins“, es geht um die Wirklichkeit, diese kann im Rahmen des Möglichen erforscht und (namentlich durch Beweisaufnahme) geklärt werden. Was die „Theorie der rechtlich wesentlichen Ursache“ unter bewertender Abwägung von dem als kausal Erkannten als wesentlich ansehen will, ist dagegen eine Frage des „Sollens“. Es geht darum, welche rechtliche Bedeutung man einer bestimmten Ursache beimessen will. Es geht also zusammengefasst um zweierlei, zum einen um einen sinnlich wahrnehmbaren Wirklichkeitszusammenhang, zum anderen um die normative Frage der rechtlichen Bedeutung, also um Rechtsanwendung. Diese Differenzierung ist nicht zuletzt auch ein Beleg für den in der Rechtswissenschaft erzielten methodologischen Fortschritt von der Interessenjurisprudenz zur Wertungsjurisprudenz[38]. Für die Wertungsjurisprudenz kommt eine Vermischung von Kausalitätsfragen und Auslegungsfragen nicht in Betracht.

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(2) Was die Kausalität angeht, gilt auch im Unfallversicherungsrecht zunächst die Äquivalenztheorie. Wie im Strafrecht und im Privatrecht ist jede Bedingung ursächlich, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Diese Kausalität im naturwissenschaftlichen Sinn ist natürlich endlos, auf den naturwissenschaftlichen Kausalzusammenhang allein lassen sich rechtliche Folgen regelmäßig nicht stützen.

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(3) Die Eingrenzung erfolgt durch wertende Betrachtung.

Das Privatrecht schränkt bei der Frage der Schadensersatzpflicht des Schädigers folgendermaßen ein: Herkömmlich wird geprüft, ob die objektive Zurechenbarkeit nach den Regeln der Adäquanztheorie, nach der Lehre vom Schutzzweck der Norm oder aus sonstigen Wertungsgründen ausgeschlossen ist. Dabei hat man auch im Zivilrecht früher das Adäquanzkriterium als „Kausalitätsmerkmal“ aufgefasst. Heute gilt es als Zurechnungskriterium, wobei seine Eignung angesichts fehlenden normativen Gehalts und Bezugs mit Recht in Zweifel gezogen wird[39]. Entscheidend ist der Zweck der Norm.

Auch das Sozialrecht benötigt Zurechnungskriterien, mit denen die als Ursache in Betracht kommenden Bedingungen wertend zugeordnet werden. Typische Fallgestaltungen, in denen die Frage der Zurechnung näherer Prüfung bedarf, sind Fälle einer möglichen inneren Ursache, einer gemischten Tätigkeit, einer unerheblichen Unterbrechung oder einer eingebrachten Gefahr[40]; in diesen Fallgestaltungen tritt neben die versicherte Verrichtung eine weitere, nicht versicherten Zwecken zuzurechnende Ursache. Diese darf nicht die allein rechtlich wesentliche Ursache sein. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls[41].

Die privatrechtliche Adäquanztheorie, die Bedingungen herausfiltert, welche „im Allgemeinen und nicht nur unter ganz besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges geeignet“[42] sind, passt im Unfallversicherungsrecht von vornherein nicht. Denn auch ganz untypische Geschehensabläufe können dem Versicherungsschutz unterfallen, insbesondere sind bei der Zuordnung von Schadensfolgen (Rn 321) gerade auch untypische Schadensfolgen zu entschädigen.

Die Unfallkausalität (zwischen Verrichtung und Unfallereignis) kann in der Regel angenommen werden, zumal wenn keine Konkurrenzursachen festgestellt sind[43].

In Fall 7 bedarf die Unfallkausalität näherer Erörterung[44]. Der Nussallergie kommt als unversicherter Ursache für den Tod des A gegenüber der versicherten Ursache, dem Essen der nusshaltigen Nachspeise, nicht die überragende Bedeutung zu; das Essen ist wesentlich für die Einwirkung der Nüsse und im Verhältnis zu der Allergie nicht nur (unwesentliche) Gelegenheitsursache, zumal die Aufmerksamkeit des A während des Essens auf die Gesprächsinhalte gelenkt und seine Konzentration hinsichtlich der Nahrungsaufnahme herabgesetzt war.

In Fall 8b erlitt der versicherte A den Unfall bei einer versicherten Tätigkeit. Die Verrichtung (Begehen der Treppe, um, wenn auch leidlich betrunken, zu arbeiten) ist versichert. Die weitere Frage ist, ob nicht aber der Sturz vor allem auf die Trunkenheit zurückzuführen ist. Kausalität im Sinn der Äquivalenztheorie ist gegeben. Tritt nun bei wertender Betrachtung die versicherte Verhaltensweise (Dienstweg) als Ursache ganz gegenüber der anderen, dem nicht versicherten Bereich entspringenden Ursache (Trunkenheit) zurück, ist die versicherte Verhaltensweise jedoch gleichwohl unbeachtlich. Ein Arbeitsunfall wäre danach zu bejahen, wenn der Transport der Akten bei dem Sturz vor dem Hintergrund des Zwecks der Unfallversicherung noch eine hinreichende Rolle gespielt hat, er wäre zu verneinen, wenn der Aktentransport die Treppe hinunter als die für die Leistungserbringung relevante Ursache angesichts des Alkoholisierungsgrades des A derart in den Hintergrund tritt, dass sie rechtlich als unwesentlich einzustufen ist. Diese Rechtsanwendungsfrage könnte nur nach Aufklärung des genauen Unfallhergangs unter Berücksichtigung des Alkoholisierungsgrades und etwaiger Ausfallerscheinungen des A beantwortet werden.

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dd) Keine Frage des Vorliegens eines Arbeitsunfalls, sondern eine Frage des Umfangs der Leistungspflicht ist der Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und dem geltend gemachten Gesundheitsschaden. Man spricht herkömmlich von haftungsausfüllender Kausalität. Auch die haftungsausfüllende Kausalität ist aber – sowohl was den Zusammenhang zwischen Arbeitsunfall und geltend gemachtem Gesundheitsschaden („Gesundheitserstschaden“) als auch was das Verhältnis zu weiteren Folgeschäden bzw mittelbaren Unfallfolgen angeht – gemäß der Theorie der rechtlich wesentlichen Ursache wertend zu beurteilen. Die Frage der haftungsausfüllenden Kausalität erlangt besondere Bedeutung in den Fällen, in denen das Unfallereignis auf einen bereits vorher bestehenden Gesundheitsschaden einwirkt, diesen möglicherweise verschlimmert, sowie wenn fraglich ist, ob ein Folgeschaden auf einen „Gesundheitserstschaden“ zurückzuführen ist.

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ee) Zusammenfassende Übersicht[45]


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