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2. Hintergrund

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a) Die Vorsorge gegen die Risiken des Alters, der Invalidität und des Todes (Letzteres im Interesse der Hinterbliebenen) erfolgt vor allem im Bereich der abhängigen Beschäftigung durch die öffentlich-rechtlich organisierte gesetzliche Rentenversicherung. Daneben bestehen die Sicherungen des Beamtenrechts und der berufsständischen Versorgungswerke (zB Versorgungswerke der Rechtsanwälte, der Ärzte).

Die Versorgung der Beamten, Richter und Soldaten ist steuerfinanziert. Träger der Versorgung ist der jeweilige Dienstherr. Rechtsgrundlage ist insbesondere das Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG), dieses ist Teil des öffentlichen Dienstrechts[6].

Im Bereich der abhängigen Beschäftigung treten neben die Absicherung durch die gesetzliche Rentenversicherung die betriebliche Altersversorgung[7] in der Privatwirtschaft und die (2001 neu gestaltete) Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes; die Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes bilden eine besondere Form der „betrieblichen Altersversorgung“ (auf tarifvertraglicher Basis), zB durch kommunale Zusatzversorgungskassen[8]. In allen Bereichen spielte neben den genannten Sicherungssystemen die private Vorsorge bisher schon eine mehr oder weniger große Rolle. Mit der Reform durch das Altersvermögensgesetz (AVmG) tritt die zusätzliche private Vorsorge, staatlich gefördert, neben die Absicherung durch die gesetzliche Rentenversicherung. Es soll die wegen der demographischen Entwicklung bei Stabilisierung der Beitragssätze unvermeidliche Absenkung des Rentenniveaus der gesetzlichen Rentenversicherung aufgefangen werden.

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b) Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung der gesetzlichen Rentenversicherung ist sehr groß. Mehr als 80% der aus dem Erwerbsleben Ausgeschiedenen beziehen Einnahmen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, mit denen sie in erster Linie oder ausschließlich ihren Lebensunterhalt bestreiten. Die Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung betrugen 2018 308 Mrd. Euro[9]. Die gesetzliche Rentenversicherung ist der größte Zweig der Sozialversicherung.

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c) Die Alterssicherung (nicht nur durch die gesetzliche Rentenversicherung, sondern namentlich auch die Beamtenversorgung) steht vor großen Herausforderungen[10]: Die Erwerbstätigen müssen mehr Rentner und Pensionäre für einen immer längeren Zeitraum versorgen. Die Laufzeit der Renten verlängert sich, weil die Lebenserwartung weiter steigt (durchschnittliches Alter bei Rentenende 1960: 68 Jahre; 2018: 79,9 Jahre)[11]. Ein Problem mit zunehmendem Gewicht liegt darin, dass die Erwerbsbiographien wegen der lange Jahre hohen Arbeitslosigkeit bei vielen Brüche aufweisen. Vor allem in den neuen Bundesländern werden durch Diskontinuität und niedrige Arbeitsentgelte gekennzeichnete Lebensläufe zunehmend die Rentenleistungen prägen. Im Niedriglohnsektor wird mit dem Rentenanspruch zunehmend häufiger nicht das Niveau der Grundsicherung erreicht werden (Rn 141, Rn 370). Die Einführung einer sog. Grundrente mit Wirkung vom 1. Januar 2021 soll durch Zuschläge auf gewährte Renten eine Besserung des Rentensicherungsniveaus erreichen[12]. Der zur Erreichung des Ziels eingeschlagene Weg wirft viele Zweifelsfragen auf[13].

Während in der Bundesrepublik derzeit etwa 3,2 Personen im Alter von 20 bis 66 Jahren auf einen über 66-Jährigen kommen, wird sich dieses Verhältnis bis zum Jahr 2060 auf etwa 2 verändern[14]. Die zu der ungünstigen Altersstruktur führende demographische Entwicklung könnte zum Teil aufgefangen werden: Ausbildungszeiten müssten ohne Qualitätsverlust verkürzt werden, Kindererziehung und Erwerbstätigkeit müssten leichter nebeneinander möglich sein, Ältere oder Leistungsgeminderte müssten in das Arbeitsleben integriert bleiben, Arbeitsplätze könnten durch Zuwanderung besetzt werden. Die demographische Entwicklung würde in dem Maß an Brisanz verlieren, in dem die zukünftig arbeitende Generation ihre geringere Zahl durch eine höhere Erwerbsquote ausgleichen könnte. Die Hauptprobleme liegen nicht im Recht, sondern in den tatsächlichen Umständen, auf die das Recht zielführend reagieren muss.

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