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1. Haftungsfreistellung der Unternehmer

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a) Unternehmer (§ 136 Abs. 3 SGB VII) sind den in § 104 Abs. 1 SGB VII beschriebenen Versicherten sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach privatrechtlichem Vertrags- und Deliktsrecht wegen eines Personenschadens nur dann schadensersatzpflichtig, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem (gemäß § 8 Abs. 2 Nr 1–4 SGB VII) versicherten Weg herbeigeführt haben. Ansonsten sind sie von der Haftung durch § 104 SGB VII freigestellt.

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aa) Diese Haftungsfreistellung für Personenschäden gilt erstens nur gegenüber denjenigen Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen. Dazu gehören ohne weiteres Arbeitnehmer des Unternehmens, in der Alternative („sonstige Beziehung“) deren „Wie-Beschäftigte“. Nach allgemeiner Ansicht ist gegenüber Leiharbeitnehmern auch der Entleiher von der Haftung freigestellt; Leiharbeitnehmer stehen zwar in einem Arbeitsverhältnis und in einer Beschäftigung (§ 2 Abs. 1 Nr 1 SGB VII) zum Verleiher, sie werden aber für den Entleiher gemäß § 2 Abs. 2 SGB VII tätig[77].

Hat der Verletzte eine Aufgabe wahrgenommen, die sowohl zum Aufgabenbereich seines Stammunternehmens als auch zu dem des Unfallunternehmens gehört, ist regelmäßig anzunehmen, dass er allein im Interesse seines Stammunternehmens tätig geworden ist[78]. Der BGH geht davon aus, dass die Haftungsbeschränkung gemäß § 104 SGB VII nur gegenüber einem Unternehmer in Betracht kommt[79]. Gemäß § 135 Abs. 1 Nr 7 SGB VII ist die Frage gesetzlich aufgelöst; danach geht eine Versicherung gemäß § 2 Abs. 1 Nr 1 SGB VII einer Versicherung nach § 2 Abs. 2 SGB VII vor. Die Problematik ist durch § 106 Abs. 3, 3. Fall SGB VII nicht gegenstandslos geworden, weil diese Vorschrift nicht alle Fälle der Hilfeleistung in einem anderen Unternehmen erfasst.

Wegen der weit gefassten Begriffe des Unternehmers (§ 136 Abs. 3 SGB VII) und des Unternehmens (§ 121 Abs. 1 SGB VII) haben die Haftungsfreistellungen der §§ 104 ff SGB VII, wenn eine „Wie-Beschäftigung“ gemäß § 2 Abs. 2 SGB VII vorliegt, eine ungeahnt weite Auswirkung auf die deliktsrechtliche Schadensersatzpflicht im privaten Bereich. So hat der BGH die Haftungsfreistellung eines Musikstudenten (Unternehmer gemäß § 136 Abs. 3 Nr 1 SGB VII) gemäß § 636 RVO (jetzt § 104 SGB VII) gegenüber den Ansprüchen eines Maschinenbaustudenten („Wie-Beschäftigter“) bejaht, der unentgeltlich und aus Gefälligkeit den PKW des Musikstudenten repariert hatte (Unternehmen gemäß § 121 Abs. 1 SGB VII) und dabei durch Mitverschulden des Musikstudenten unter dem zuvor aufgebockten Auto eingeklemmt und schwer verletzt worden war[80].

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bb) Die Haftungsfreistellung setzt zweitens voraus, dass der betreffende Personenschaden durch einen Versicherungsfall (Arbeitsunfall, Berufskrankheit) verursacht worden ist.

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b) Die Haftungsfreistellung gilt nur für Schadensersatzansprüche wegen Personenschäden; Sachschäden können ungehindert nach den privatrechtlichen Vorschriften geltend gemacht werden. Die Haftungsfreistellung umfasst alle Ansprüche auf Ersatz des Personenschadens einschließlich des immateriellen Schadens. Auch der Anspruch auf Schmerzensgeld ist nach vom BVerfG gebilligter hM durch die Unfallversicherung ersetzt[81], die Fortentwicklungen des Haftungsrechts durch den Gesetzgeber im Bürgerlichen Recht (Schmerzensgeldanspruch auf vertraglicher Grundlage und bei Gefährdungshaftung) und im Sozialrecht (Ausweitung der Haftungsfreistellung) sowie durch die Rechtsprechung (wirtschaftliche Aufwertung des Schmerzensgeldes) rechtfertigen keine andere Bewertung[82].

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c) Was die Ausnahmetatbestände angeht, ist Folgendes hervorzuheben: In Bezug auf die vorsätzliche Herbeiführung genügt bedingter Vorsatz. Verletzungshandlung und Erfolg müssen vom Vorsatz erfasst sein[83], was insbesondere im Schulbereich („unechte Unfallversicherung“) Bedeutung hat; das Unfallversicherungsrecht versagt die Haftungsfreistellung erst dann, wenn den Schädiger ein besonders schwerer Vorwurf trifft, was neben dem Vorsatz in Bezug auf die Verletzungshandlung den Vorsatz auch in Bezug auf den Schadenserfolg voraussetzt. Bei einer Rauferei im Schulbereich muss also auch der Verletzungserfolg in Kauf genommen sein. Auch beim Wegeunfall sollen dem Geschädigten über die Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung hinausgehende zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nicht vorenthalten werden. Dazu gehören aber nicht sog. Betriebswege (zB Fahrt zu einem Kunden), sie sind versicherte Tätigkeit. Wege auf dem Werksgelände sind auch dann Betriebswege, wenn sie Teil des Heimwegs oder des Wegs zur Arbeit sind[84]. Zu Recht verneinen BGH und BAG den Ausnahmetatbestand schließlich, wenn ein Weg eng mit Unternehmenszwecken verbunden ist (Beispiel: Unternehmer transportiert Versicherte in einem Betriebsfahrzeug von der Wohnung zum Betrieb oder zur Baustelle); in diesen Fällen verwirklichen sich Risiken, die dem Organisationsbereich des Unternehmers, nicht dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen sind[85].

In Fall 9 ist die bürgerlich-rechtliche Haftung des U für Personenschäden des A (§ 280 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB iVm § 229 StGB, § 7 StVG, § 253 Abs. 2 BGB, auch mit § 11 S. 2 StVG) gemäß § 104 Abs. 1 SGB VII ausgeschlossen. A ist für das Unternehmen des U tätiger Versicherter gemäß § 2 Abs. 1 Nr 1 SGB VII. Sein Personenschaden ist durch einen Versicherungsfall (Arbeitsunfall gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII) verursacht worden. Die Ausnahmetatbestände greifen nicht ein, U hat den Unfall weder vorsätzlich noch auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr 1–4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt. Die Haftungsfreistellung umfasst alle Ansprüche auf Ersatz des Personenschadens, auch den Schmerzensgeldanspruch, nicht aber den Sachschaden. Im Ergebnis kann A den U nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts nur auf Ersatz seiner Sachschäden (Armbanduhr) in Anspruch nehmen.

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