Читать книгу Sozialrecht - Raimund Waltermann - Страница 197

3. Entwicklung und Rentenreformen[15]

Оглавление

364

a) Die heutige gesetzliche Rentenversicherung geht zurück auf das dritte Bismarcksche Sozialversicherungsgesetz, das Gesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung vom 22. Juni 1889 (in Kraft getreten am 1. Januar 1891). Die Grundstrukturen dieses Gesetzes bestehen noch heute. Im Jahr 1911 fasste die Reichsversicherungsordnung (RVO) die Gesetze der damals bestehenden Versicherungszweige Krankenversicherung, Unfallversicherung und Invaliditäts- und Altersversicherung zusammen; für die besser verdienenden und standesbewussten Angestellten wurde mit dem Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) eine Sonderregelung geschaffen, die unter meist milderen tatbestandlichen Voraussetzungen sehr viel günstigere Rentenversicherungsleistungen vorsah als die RVO für die Arbeiter. Durch die Rentenreform 1957 wurde die gesetzliche Rentenversicherung grundlegend umgestaltet. War die Rente der gesetzlichen Rentenversicherung ursprünglich nur Mittel zur Abwendung von Notlagen, bestand ihre Aufgabe seither darin, vorzeitig Erwerbsunfähigen, Altersrentnern und Hinterbliebenen eine hinreichende Existenzsicherung zu bieten, die die volle Sicherung des Lebensstandards zwar nicht erreicht, sich aber am Lebensstandard doch orientiert. Die Renten wurden dynamisiert, und das Finanzierungssystem wurde vom Kapitaldeckungsverfahren zum Umlageverfahren umgestaltet[16].

Im Kapitaldeckungsverfahren wird aus den Beiträgen Vermögen gebildet. Dieses Vermögen ist die Grundlage der späteren Rentenleistungen. Die Geldentwertungen nach dem Ersten Weltkrieg und nach dem Zweiten Weltkrieg haben bekanntlich die nach diesem Finanzierungssystem für die Rentenleistungen vorgesehenen Vermögen vernichtet. Gefährdungen auch der privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge durch die Finanzmarktkrise sind soeben aus Steuermitteln aufgefangen worden. Auch nicht spektakuläre jährliche Inflationsraten senken prinzipiell den Wert kapitalgedeckter Rentenanwartschaften[17]. Die Renten errechneten sich vor der Rentenreform von 1957 zudem auf der Basis von Beiträgen, die lange Zeit vorher entrichtet worden waren, sodass Geldentwertung und Preisentwicklung diesen Renten die Kaufkraft nahmen. Auch wurden im Verlauf der Arbeitsbiographie eintretende Lohnsteigerungen für die zurückgelegten Zeiten vor 1957 nicht wirksam, es kam dadurch zu einer Diskrepanz zwischen den erworbenen Rentenanwartschaften und dem zuletzt erzielten Einkommen. Mit einer neuen Rentenformel wurde die Höhe der Renten davon abhängig, wie sich während des Versicherungslebens das Durchschnittsentgelt des Versicherten zum zeitabschnittsgleichen Durchschnittsentgelt aller Versicherten verhalten hatte, die Renten wurden dynamisiert.

365

b) Das Umlageverfahren, unjuristisch auch als „Generationenvertrag“ bezeichnet, kommt ohne Kapitalansammlung aus. § 153 Abs. 1 SGB VI organisiert das Umlageverfahren in der Weise, dass die Ausgaben eines Kalenderjahres durch die Einnahmen desselben Kalenderjahres und, soweit erforderlich, durch Entnahmen aus der sog. Nachhaltigkeitsrücklage (§§ 216 ff SGB VI) gedeckt werden. Während also die Beiträge an die derzeitigen Rentner weitergegeben werden, erlangen die erwerbstätigen Versicherten auf Grund ihrer Beitragsleistungen Anwartschaften für ihre Altersversorgung, die dann später durch die Beiträge der nachfolgenden Generation eingelöst werden. Kurz zusammengefasst beruht die Absicherung also nicht auf der Bildung von Vermögen, sondern auf der Kontinuität der Versicherung. Das Umlageverfahren ermöglicht dabei Rentenleistungen, die am aktuellen Lohnniveau ausgerichtet sind, Inflationstendenzen werden aufgefangen und Lohnerhöhungen führen zu Rentenerhöhungen. Das Umlageverfahren setzt andererseits aber auch voraus, dass die erwerbstätige Generation durch hinreichende Beitragsleistungen die Renten erwirtschaften kann. Dies wiederum hat – neben ausreichender Beschäftigung – zur Voraussetzung, dass die künftigen Rentner für soviel Nachwuchs sorgen, dass für die Zeit ihrer Rente genügend Beitragszahler zur Verfügung stehen – woran es fehlt. Kurz zusammengefasst kann man sagen: Beitragszahlung und Kindererziehung garantieren die umlagefinanzierte Alterssicherung[18]. Den Zusammenhang zwischen der politischen Gestaltung der Alterssicherungssysteme und der Familienpolitik hat man lange übersehen[19], inzwischen hat man aber begonnen, dies zu berücksichtigen.

Vor der Finanzkrise haben Ökonomen zum Teil die Abkehr vom Umlageverfahren und den Übergang zu einem Kapitaldeckungsverfahren empfohlen. Die Nachteile einer kapitalgedeckten Vorsorge sind jedoch durch die Finanzkrise und die gegenwärtige Zinssituation wieder in das Bewusstsein getreten. Darüber hinaus ist zumindest Folgendes zu bedenken: Der Bevölkerungsrückgang auf Grund der niedrigen Geburtenrate führt für sich gesehen in einem kapitalgedeckten System zwar nicht zu den augenfälligen Nachteilen, wie sie in Bezug auf das Umlageverfahren leicht erkennbar sind, diese Entwicklung geht aber auch an einem kapitalgedeckten System nicht vorbei. Es kommt dort darauf an, welche Ausbeute die Kapitalanlage am Ende einbringen wird, wenn bei alternder und schrumpfender Bevölkerung die (in der Gesamtheit enormen) Rücklagen aufgelöst werden. Belastungen wie die durch eine höhere Lebenserwartung sind auch bei Kapitaldeckung nicht geringer. Problematisch wäre in jedem Fall die Dimension der notwendigen Rücklagen: Um vergleichbare Rentenausgaben wie derzeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung leisten zu können, wären zwischen 5 und 6 Billionen Euro vorzuhalten. Das sind volkswirtschaftlich gesehen enorme Größenordnungen[20]. Man muss fragen, ob Vermögensmassen dieser Größenordnung wirtschaftlich und politisch sicher und ertragreich angelegt werden könnten, was nur global möglich wäre, und man müsste annehmen können, dass eine Volkswirtschaft überhaupt in der Lage ist, so viel (geschützt vor Begehrlichkeiten) für die Zukunft zurückzulegen. Vielleicht ist ja die Anlage weltweit enormer bilanzmäßiger Vermögenswerte (denen man Vorsorgecharakter zuschreiben kann) Teil des zu Tage getretenen Verschuldungsproblems; Gläubiger brauchen Schuldner. Im Übergang von einem System zum anderen müsste im Übrigen die arbeitende Generation ansparen und zugleich für die Umlageversorgung der anspruchsberechtigten Rentenempfänger (wie auch immer) aufkommen[21]. Realistisch ist lediglich die zusätzliche Absicherung in einem kapitalgedeckten System, wie sie das Altersvermögensgesetz 2002 eingeführt hat, die aber auf finanzielle Spielräume angewiesen ist (Rn 141). Die (in regelmäßigen Abständen erhobene) Forderung nach Einführung einer ausschließlich steuerfinanzierten Rente oder eines allgemeinen Grundeinkommens verdient auf der Grundlage bisheriger Erkenntnisse keine Aufmerksamkeit: Ein grundlegender Systemwechsel dieser Art setzt die plausible Erklärung voraus, weshalb er richtig ist, wie er finanziert werden könnte und wie der Übergang (mit welcher Umverteilung) gedacht ist. Dafür müssten Steuermittel zur Verfügung gestellt werden, weil die Finanzierung der Rentenzahlungen in der Umbauphase ja nicht diejenigen gewährleisten können, die selbst von dem aufgegebenen System nichts mehr bekommen werden. Aus verfassungsrechtlichen und finanzpolitischen Gründen sind am Ende die Spielräume für große Systemveränderungen in der Alterssicherung gering. Wirkliche Konzepte in die Richtung einer steuerfinanzierten Rente oder eines Grundeinkommens gibt es nicht[22].

366

c) Mit der Rentenreform 1992 wurde die in RVO und AVG für Arbeiter und Angestellte getrennt geregelte Rentenversicherung zusammengefasst und in das Sozialgesetzbuch eingeordnet. Inhaltlich hat der Gesetzgeber auf das sich verschlechternde Verhältnis zwischen der (ansteigenden) Zahl der Rentner (bei zudem steigender Lebenserwartung) und der (abnehmenden) Zahl der Erwerbstätigen (und damit potentiellen Beitragszahler) reagiert. Die Lebensarbeitszeit wurde stufenweise verlängert. Um die Belastungen auf Beitragszahler, Rentner und Staat besser zu verteilen, wurden die Rentenanpassung, die Beitragssatzfestsetzung und die Höhe des Bundeszuschusses in einen sich selbst regulierenden Mechanismus eingebunden. Angesichts der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten am 3. Oktober 1990 kam es zur Geltung des neuen Rentenversicherungsrechts (das am 9. November 1989, dem Tag der Maueröffnung, verabschiedet worden war) vom 1. Januar 1992 an auch in den neuen Bundesländern. Die vielfältigen Übergangsregelungen dazu enthält das Renten-Überleitungsgesetz (RÜG)[23].

367

d) Mit dem Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmEG) vom 21. März 2001 (Rn 360) und dem Altersvermögensgesetz (AVmG) vom 26. Juni 2001 hat der Gesetzgeber auf die Notwendigkeit einer weiteren grundlegenden Reform zur Bewältigung der Auswirkungen der demographischen Entwicklung und des Wandels der Arbeitswelt auf zwei Ebenen reagiert.

aa) Die Reform der „eigentlichen“ gesetzlichen Rentenversicherung veränderte das Recht innerhalb der bestehenden Systemstrukturen, einem Systemwechsel wurde zu Recht eine Absage erteilt (Rn 365). Im Rentenversicherungsrecht des SGB VI befindet sich nach dem Altersvermögensergänzungsgesetz ein geändertes Steuerungsinstrument. Danach orientiert sich vom Jahr 2001 an der Anstieg der gesetzlichen Renten im Prinzip an der Entwicklung der Bruttolöhne („modifizierte Bruttolohnanpassung“[24]).

bb) Neben die veränderte Steuerung der Rentenanpassung tritt der Aufbau einer freiwilligen zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge mit staatlicher Förderung, verbunden mit einer Stärkung der betrieblichen Altersversorgung. Diese zusätzliche Altersvorsorge („Riester-Rente“), auch durch eine betriebliche Altersversorgung, ist nicht mehr Ergänzung, sondern teilweiser Ersatz der gesetzlichen Rentenversicherung. Regelungen zur Beitragstragung sieht das Gesetz nicht vor, die Arbeitnehmer tragen die Aufwendungen also, unterstützt durch die steuerfinanzierte staatliche Förderung, allein. Darin liegt eine Abkehr von der bisher je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanzierten Rentenversicherung mit dem Ziel der Lebensstandardsicherung für langjährig Versicherte. Die Lebensstandardsicherung wird vor den dargelegten Hintergründen durch die gesetzliche Rentenversicherung allein nicht mehr erreicht.

Kurz gesagt: Während sich bis dahin die Beitragssätze nach den Ausgaben gerichtet hatten, orientieren sich in Zukunft die Ausgaben an den Beitragseinnahmen. Es vollzieht sich ein Wechsel von einem leistungsorientierten zu einem beitragsorientierten System.

368

e) Nach einigen Korrekturen im Jahr 2003[25] reagierte der Gesetzgeber 2004 mit dem RV-Nachhaltigkeitsgesetz (Rn 360) erneut auf die insbesondere mit der demographischen Entwicklung zusammenhängenden Finanzierungsprobleme in der gesetzlichen Rentenversicherung. In die Rentenanpassungsformel wurde ein Nachhaltigkeitsfaktor eingefügt, zugleich wurde die modifizierte Bruttolohnanpassung verändert. Durch den eingefügten Nachhaltigkeitsfaktor werden Veränderungen des Verhältnisses von Leistungsempfängern und Beschäftigten berücksichtigt[26]. Rentenanpassungen fallen bei ungünstigem Zahlenverhältnis gering aus, steigt die Zahl der Beschäftigten (durch eine günstigere Arbeitsmarktlage oder wegen der angehobenen Rentenaltersgrenze, Rn 369), fällt die Anpassung höher aus.

369

f) Wegen der bei höherer Lebenserwartung steigenden durchschnittlichen Rentenbezugsdauer und einer zu geringen Erwerbstätigkeitsquote älterer Menschen wird durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) vom 20. April 2007[27] vom Jahr 2012 an schrittweise das Renteneintrittsalter angehoben. Dazu sind die in den §§ 35 ff SGB VI normierten Altersgrenzen für die verschiedenen Rentenarten (Rn 406 ff) verändert worden. Übergangsregelungen in den §§ 235 ff SGB VI sorgen dafür, dass die Altersgrenzen stufenweise ansteigen. Infolgedessen wirken sich die gesetzlichen Neuerungen in den §§ 35 ff SGB VI erst vom Jahr 2021 an auf Neurenten aus.

Von 2012 an steigt die Altersgrenze (für Geburtsjahrgänge ab 1947) jedes Jahr um einen Monat, von 2023 an (für Geburtsjahrgänge ab 1959) jedes Jahr um zwei Monate (§ 235 SGB VI). Für die 1964 Geborenen liegt die Regelaltersgrenze bei 67 Jahren. Wird die Rente vor der Altersgrenze bezogen, vermindert sich die Leistung um 0,3% je Monat. Wer den Rentenbeginn hinausschiebt, erhält Zuschläge (§ 77 SGB VI). Durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz wurde darüber hinaus die Wirkung des 2004 eingeführten Nachhaltigkeitsfaktors modifiziert. Greift (wie im Jahr 2005) zur Verhinderung einer Rentenkürzung die sog. Schutzklausel (§ 68a SGB VI) ein, führt dies von 2011 an zu einer Abschmelzung künftiger Rentenerhöhungen aufgrund des neuen Anpassungsfaktors[28].

Durch das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz)[29] werden mit Wirkung vom 1. Juli 2014 Zeiten der Kindererziehung für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, umfangreicher berücksichtigt („Mütterrente“). Zudem wurde die Möglichkeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente für besonders langjährig Versicherte gemäß § 236b SGB VI eingefügt („Rente mit 63“)[30] und der Zahlbetrag der Erwerbsminderungsrenten durch die Verlängerung der Zurechnungszeit (siehe § 59 SGB VI) erhöht. Letzterer wurde durch das Gesetz zur Verbesserung der Leistungen bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und zur Änderung anderer Gesetze (EM-Leistungsverbesserungsgesetz)[31] vom 17. Juli 2017 nochmals verbessert.

Mit dem Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben (Flexirentengesetz)[32] vom 8. Dezember 2016 verfolgt der Gesetzgeber zum einen das Ziel, das flexible Arbeiten bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze zu erleichtern und zum anderen das Weiterarbeiten über die Regelaltersgrenze hinaus attraktiver zu gestalten; dazu wurden die Hinzuverdienstregelungen neu strukturiert. Mit dem Gesetz über den Abschluss der Rentenüberleitung (Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz)[33] vom 17. Juli 2017 beabsichtigt der Gesetzgeber die rentenrechtlichen Fragen der Wiedervereinigung abschließend zu beantworten; für nach 2025 erworbene Rentenanwartschaften soll einheitliches Recht gelten.

g) Mit dem Gesetz über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und -stabilisierungsgesetz)[34] knüpft der Gesetzgeber an vorherige Leistungsverbesserungen an; so wird die Zurechnungszeit bei Zuerkennung einer Erwerbsminderungsrente erneut verlängert, außerdem erfolgt eine Ausweitung der Kindererziehungszeiten auf 30 Monate bzw. die Gewährung eines Zuschlags von 0,5 Entgeltpunkten für Kinder, die vor 1992 geboren sind („Mütterrente II“). Die Sicherung des Rentenniveaus ist neu gestaltet (sog. Doppelte Haltelinie)[35].

Der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung muss sich in den Jahren 2020 bis 2025 in einem Korridor von 18,6 % bis 20 % bewegen, als sog. Sicherungsniveau vor Steuern darf im Jahr 2025 ein Verhältniswert der Standardrente (Regelaltersrente mit 45 Entgeltpunkten vor Steuern, gemindert um die Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung, vgl § 154 Abs. 3a S. 2-4 SGB VI) gegenüber dem verfügbaren Durchschnittsentgelt (vgl § 154 Abs. 3a S. 5-7 SGB VI; für das Jahr 2019 beträgt das verfügbare Durchschnittsentgelt des Vorjahres 32 064 Euro) von 48% nicht unterschritten werden. Im Hintergrund der Methode, Rentenniveau und Einkommensniveau nicht mehr als „Eckrentenniveau“, sondern als „steuerbereinigtes Nettorentenniveau“ zu vergleichen, steht die mit dem Alterseinkünftegesetz (AltEinkG)[36] eingeführte nachgelagerte Besteuerung der Renten (Rn 376). Das steuerbereinigte Nettorentenniveau beträgt heute rund 50%. Wenn die Niveausicherungsklausel des § 154 Abs. 3 S. 1 SGB VI die Untergrenze des Verhältniswerts von 48% bis zum Jahr 2025 festlegt, ermöglicht dies auch, den vorgesehenen Mindestwert der auf Vorsorgeleistungen beruhenden Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung zu kalkulieren. Für die langfristige Fortentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung wurde eine Kommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ eingesetzt, die Vorschläge für die Zeit nach 2025 vorgelegt hat[37].

370

h) Ein Zukunftsproblem der Altersvorsorge hängt zusammen mit einer Veränderung der Arbeitsbeziehungen in Deutschland: Die gesetzliche Rentenversicherung vermittelt ihr Sicherungsniveau in Anknüpfung an Erwerbsbiographien, die in einem „Normalarbeitsverhältnis“ mit auskömmlichem Ertrag zurückgelegt werden. Insofern ist eine ungünstige Entwicklung unter drei Gesichtspunkten zu beobachten:[38] Zum einen verfestigt sich, in der Vergangenheit auch durch beschäftigungspolitisch motivierte Reformen des Gesetzgebers zur Flexibilisierung der Arbeitsbeziehungen gefördert, in sog. „atypischen Beschäftigungsverhältnissen“ (wie geringfügiger Beschäftigung, Leiharbeit) und durch breit gefächerte Beschäftigung im Niedriglohnsektor (der rund ein Viertel der Beschäftigungsverhältnisse umgreift, Rn 141, 363) eine Tendenz zu niedrigen Erträgen aus abhängiger Arbeit. Zum zweiten werden in einigen Jahren die Auswirkungen von Brüchen in Erwerbsbiographien (die zu Beitragsausfällen in den Sicherungssystem führen) zutage treten, vor allem in den neuen Bundesländern; dort werden bald nicht mehr die Erwerbsbiographien mit langen Versicherungszeiten vorherrschen, sondern es werden durch Arbeitslosigkeit und niedrige Entgelte gekennzeichnete Lebensläufe zunehmend die Rentenleistungen prägen. Altersarmut wird wieder mehr Bedeutung bekommen. Darin liegt nicht nur eine Problematik von grundsätzlicher gesellschaftlicher Bedeutung. Zu erwarten ist auch eine hohe finanzielle Belastung des zukünftigen Steueraufkommens, aus dem die subsidiäre Mindestsicherung finanziert wird (Schaubild Rn 141). Schließlich sind Kleine Selbstständige nur zum Teil in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert (Rn 380). Die Digitalisierung der Arbeitswelt wird voraussichtlich zu einer Verschiebung vom Arbeitsverhältnis zu Kleiner Selbstständigkeit führen[39].

Sozialrecht

Подняться наверх