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2. Die Verordnung (EG) Nr 883/2004

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a) Den Kern der mit Wirkung vom 1. Mai 2010 anwendbaren Verordnung (EG) Nr 883/2004 bilden die koordinierenden Vorschriften über die einzelnen Leistungsarten (bei Krankheit und Mutterschaft; Invalidität; Alter und Tod; Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten; Arbeitslosigkeit; Familienleistungen und Beihilfen; Leistungen für unterhaltsberechtigte Kinder von Rentnern und für Waisen). In der Verordnung (EG) Nr 883/2004 kehren die wesentlichen Regelungsgegenstände des nationalen Sozialrechts, insbesondere des Sozialversicherungsrechts, wieder.

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b) Es bleibt Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, die Voraussetzungen für den Erwerb von Ansprüchen festzulegen. Den Schwerpunkt des europäischen Sozialrechts bildet nicht die Harmonisierung der nationalen Systeme, sondern die gegenseitige Abstimmung der unterschiedlich gestalteten nationalen Sozialrechtsordnungen. Die Vorschriften des Titels III (Art. 17–70) der Verordnung (EG) Nr 883/2004 koordinieren insofern die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit, als sie, wie in Art. 48 AEUV vorgesehen, die Wanderarbeitnehmer durch Zusammenrechnung aller nach den verschiedenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu berücksichtigenden Zeiten und durch Zahlung der Leistungen in dem Mitgliedstaat, in dem der Leistungsberechtigte wohnt, den Personen gleichstellt, die nicht von der unionsrechtlichen Freizügigkeit Gebrauch machen.

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c) Im Einzelnen[47] sichert die Verordnung (EG) Nr 883/2004 in diesem Zusammenhang gemäß Art. 11 ff die Anwendbarkeit der Sozialrechtsvorschriften nur eines einzigen Mitgliedstaates, grundsätzlich des Beschäftigungsstaates (einheitliches Sozialrechtsstatut), sie sichert den Leistungsexport und sieht die Bildung internationaler Versicherungsverläufe vor (insbesondere durch Zusammenrechnung von Versicherungszeiten oder Beschäftigungszeiten). Sie sorgt dadurch für die Überwindung der territorialen und nationalen Begrenztheit der Sozialrechte der Mitgliedstaaten.[48]

In Bezug auf Krankheit und Mutterschaft (Art. 17–35 VO (EG) Nr 883/2004) koordiniert die „Wanderarbeitnehmerverordnung“ die Leistungen vor allem, wenn der Wohnort des Berechtigten nicht im Gebiet des zur Leistung verpflichteten Mitgliedstaates liegt, etwa weil ein in Österreich als Arbeitnehmer beschäftigter (und also dort gegen Krankheit abgesicherter) deutscher Staatsangehöriger in Lindau wohnt. Gemäß Art. 17 VO (EG) Nr 883/2004 hat im Grundsatz der Berechtigte bei Sachleistungen (Rn 191) einen Leistungsanspruch gegen den Träger des Wohnortstaates nach den für diesen Träger geltenden Rechtsvorschriften, in dem Beispielsfall also gegen den Träger des Wohnorts Lindau in Deutschland, und zwar für Rechnung des zuständigen (im Beispiel also österreichischen) Trägers (sog. Sachleistungsaushilfe). Geldleistungen werden gemäß Art. 21 VO (EG) Nr 883/2004 vom zuständigen (hier österreichischen) Träger in den Wohnortstaat (hier Deutschland) exportiert, entweder durch den zuständigen Träger selbst oder auf dessen Rechnung durch den Träger des Wohnorts[49]. Die Zuständigkeit für Leistungen ist aber im Ergebnis gespalten, es ist somit wichtig, die Rechtsnatur der Leistung zu bestimmen. Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten (vgl Art. 36–41 VO (EG) Nr 883/2004) werden im Prinzip ebenso koordiniert wie Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft, also im Weg der Sachleistungsaushilfe und des Geldleistungsexports (Art. 36 Abs. 1 VO (EG) Nr 883/2004). Besondere praktische Bedeutung hat auch Art. 5 VO (EG) Nr 883/2004. Aus Art. 5 lit. b VO (EG) Nr 883/2004 folgt, dass ein Wegeunfall, der sich im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ereignet hat, als im Gebiet des zuständigen Staates eingetreten gilt; wer von Maastricht aus als Beschäftigter zu seinem Arbeitsplatz nach Deutschland unterwegs ist, steht auch während der Fahrt auf niederländischem Staatsgebiet gemäß § 8 Abs. 2 Nr 1 SGB VII unter dem Schutz der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung. Was Leistungen bei Invalidität, Alter und Tod (Art. 42–60 VO (EG) Nr 883/2004) angeht, kommt es in dem dargelegten Sinn vor allem darauf an, die in den Mitgliedstaaten zurückgelegten und nach dem dort geltenden Recht zu Leistungen führenden Versicherungs- und Wohnzeiten anrechnungsfähig zu machen. Art. 51 VO (EG) Nr 883/2004 regelt vor diesem Hintergrund die Zusammenrechnung von Zeiten. Die Leistung erfolgt durch den jeweiligen Mitgliedstaat pro rata temporis nach Maßgabe von Art. 52 VO (EG) Nr 883/2004. Geldleistungen im Hinblick auf Alter und Tod können exportiert werden (vgl Art. 7 VO (EG) Nr 883/2004). Im Hinblick auf die Absicherung des Risikos der Arbeitslosigkeit (Art. 61–65a VO (EG) Nr 883/2004) geht es wiederum vor allem um die Zusammenrechnung von (Versicherungs- oder Beschäftigungs-) Zeiten und die Bestimmung des anwendbaren Rechts für Grenzgänger (siehe sogleich Lösung Fall 4).

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