Читать книгу Sozialrecht - Raimund Waltermann - Страница 86

b) Geringfügige Beschäftigung

Оглавление

136

Von der Regel, nach der eine Beschäftigung im Sinn von § 7 SGB IV die Sozialversicherungspflicht begründet, gibt es Ausnahmen, wenn die Beschäftigung geringfügig ist. In der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung (anders naturgemäß in der gesetzlichen Unfallversicherung) besteht dann keine Versicherungspflicht, in der Rentenversicherung besteht seit 2013 eine voraussetzungslose Befreiungsmöglichkeit von der Versicherungspflicht (vgl § 7 SGB V; § 20 Abs. 1 S. 1 SGB XI iVm § 7 SGB V; § 27 Abs. 2 SGB III; § 5 Abs. 2 S. 1 Nr 1, § 6 Abs. 1b S. 1 SGB VI). Man spricht allgemein von Mini-Jobs.

137

aa) Unter welchen Voraussetzungen eine abgabenprivilegierte geringfügige Beschäftigung vorliegt, bestimmt für das Sozialversicherungsrecht allgemein § 8 SGB IV. Zwei Fälle sind zu unterscheiden:

138

(1) Eine geringfügige Beschäftigung liegt gemäß § 8 Abs. 1 Nr 1 SGB IV vor, wenn das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat 450 Euro nicht übersteigt (Entgeltgeringfügigkeit). Für die Frage der Versicherungspflicht kommt es auf den Beginn der Beschäftigung an, sodass eine Prognose anzustellen ist (siehe auch § 28h Abs. 2 S. 2 und 3 SGB IV).

139

(2) Eine geringfügige Beschäftigung gemäß § 8 Abs. 1 Nr 2 SGB IV ist gegeben, wenn die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage (gemäß § 115 SGB IV[33] vom 1. März bis zum 31. Oktober 2020: fünf Monate oder 115 Arbeitstage) nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und zudem ihr Entgelt 450 Euro im Monat übersteigt (Zeitgeringfügigkeit). Der Unterschied zur Entgeltgeringfügigkeit liegt darin, dass die zeitgeringfügige Beschäftigung nicht regelmäßig, sondern gelegentlich ausgeübt wird[34]. Wird die Beschäftigung nicht berufsmäßig[35] ausgeübt, gibt es keine Entgeltgrenze.

One-Page-Fall: BSG, NZS 2018, 591 (Wagner): Aushilfsfahrer.

140

(3) Gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV sind bei der Anwendung des § 8 Abs. 1 SGB IV zum einen mehrere (gleichartige) geringfügige Beschäftigungen (nach Nr 1 oder nach Nr 2) zusammenzurechnen. Das bezieht sich auf mehrere Beschäftigungen bei unterschiedlichen Arbeitgebern; mehrere Beschäftigungen bei ein und demselben Arbeitgeber gibt es aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht nicht, es liegt dann eine einheitliche Beschäftigung vor[36]. Zum anderen sind unter bestimmten Voraussetzungen geringfügige Beschäftigungen nach § 8 Abs. 1 Nr 1 SGB IV und nicht geringfügige Beschäftigungen zusammenzurechnen.

Die gesetzliche Regelung zur Zusammenrechnung von geringfügigen Beschäftigungen mit einer nicht geringfügigen (Haupt-)Beschäftigung wurde mehrfach geändert. Wenn die Hauptbeschäftigung und die geringfügige Beschäftigung bei verschiedenen Arbeitgebern erfolgen, lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 SGB IV in der bis zum 31. März 1999 geltenden Fassung nicht vor, die geringfügige Beschäftigung blieb versicherungsfrei. Dass mehrere geringfügige Tätigkeiten zusammengerechnet werden, eine nicht geringfügige (Haupt-)Tätigkeit und eine geringfügige Tätigkeit (bei einem anderen Arbeitgeber) dagegen nicht, während wiederum Überstunden bei dem Arbeitgeber der Hauptbeschäftigung beitragspflichtig waren, war sachlich nicht gerechtfertigt, hatte aber als langjährige Wirklichkeit bei Arbeitnehmern Besitzstände begründet und Arbeitgebern Vorteile gebracht. Nach der deshalb viel kritisierten Neufassung zum 1. April 1999 waren geringfügige Beschäftigungen nach Nummer 1 und nicht geringfügige Beschäftigungen zusammenzurechnen. Diese sachlich an sich konsequente Regelung ist mit dem Ziel, Arbeitgebern und Beschäftigung Suchenden einen Anreiz zur Schaffung bzw. zur Aufnahme neuer Beschäftigungen zu geben[37], dann aber wieder geändert worden. Mit Wirkung vom 1. April 2003 gilt gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV – sprachlich bemerkenswert unzulänglich abgefasst –, dass bei Anwendung des Absatzes 1 eine (erste) geringfügige Beschäftigung nach Nummer 1 mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung nicht zusammenzurechnen ist; zur Zusammenrechnung kommt es (in der Auslegungspraxis) erst mit der zweiten und mit eventuell weiteren geringfügigen Beschäftigungen neben der Haupttätigkeit[38].

(4) Für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ist § 7 Abs. 1 S. 2 SGB V, für die gesetzliche Rentenversicherung ist § 6 Abs. 1b S. 3 SGB VI zu beachten. Danach ist § 8 Abs. 2 SGB IV mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Zusammenrechnung mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung nur erfolgt, wenn die Hauptbeschäftigung versicherungspflichtig ist. Sind Versicherungsfreie, namentlich Beamte, neben dem Beamtenverhältnis geringfügig beschäftigt, scheidet die Zusammenrechnung der geringfügigen Beschäftigung und der Beschäftigung als Beamter somit aus, sodass auf diese Weise keine Versicherungspflicht entstehen kann (Rn 180, 383 f).

Beispiele: (1) A arbeitet bei der Frankfurter Firma F montags und dienstags insgesamt acht Stunden, donnerstags und freitags arbeitet sie bei Arbeitgeber G in Gießen zusammen neun Stunden. Bei F verdient sie im Monat 300 Euro, bei G 340 Euro. Beide Beschäftigungen sind gemäß § 8 Abs. 1 Nr 1 SGB IV geringfügig, sie sind also gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV zusammenzurechnen. (2) Übt A im Beispielsfall beide Beschäftigungen bei F aus (als Schreibkraft und als Aushilfe im Lager), ist eine einheitliche Beschäftigung gegeben. (3) Arbeitet A neben einer Hauptbeschäftigung als Sekretariatskraft bei F aushilfsweise als Lagerarbeiterin bei G, bleibt die geringfügige Beschäftigung bei G versicherungsfrei (keine Zusammenrechnung einer geringfügigen Beschäftigung neben einer Hauptbeschäftigung). (4) Keine Zusammenrechnung erfolgt, wenn A neben ihrer geringfügigen Beschäftigung bei F aufgrund sich bietender Gelegenheit im September bei der Winzergenossenschaft W im Rheingau 20 Tage bei einem Verdienst von 1800 Euro bei der Rieslinglese arbeiten würde (geringfügige Beschäftigungen nach § 8 Abs. 1 Nr 1 und Nr 2 SGB IV werden nicht zusammengerechnet). (5) Ist der Beamte B neben seinem Beamtenverhältnis geringfügig beschäftigt, erfolgt gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB V, § 6 Abs. 1b S. 3 SGB VI, § 8 Abs. 2 SGB IV in Bezug auf Kranken- und Rentenversicherungspflicht ohnehin keine Zusammenrechnung.

141

(5) Hinter der Versicherungsfreiheit geringfügiger Beschäftigungen stand ursprünglich der Regelungszweck, dass es einer sozialen Absicherung der geringfügig Beschäftigten nicht bedürfe, weil deren Lebensunterhalt regelmäßig durch andere Einkünfte gesichert sei, mit denen sich zugleich die soziale Sicherung verbindet[39]. Gedacht war dabei zB an die geringfügige Beschäftigung von Personen, deren Ehepartner vollschichtig berufstätig ist, sodass über diesen die soziale Absicherung gewährleistet ist. Seit 2003 ist die Abgabenprivilegierung der geringfügigen Beschäftigung beschäftigungspolitisch motiviert.

Es sollen Beschäftigungsmöglichkeiten im Niedriglohnbereich aufgebaut werden. Die im Zusammenhang damit angestrebte Brückenfunktion in normale Arbeit wird allerdings in keiner Untersuchung bestätigt. Die Zahl der geringfügigen Beschäftigungen hat in der Folge deutlich zugenommen (2003: 5,2 Mio.; 2019: ca. 7,8 Mio.[40]), und es wurden, um Arbeitskosten zu senken (Übersicht Rn 143), Tätigkeiten, die in einer sozialversicherungspflichtigen (Vollzeit- oder Teilzeit-)Beschäftigung ausgeübt werden könnten, in mehrere geringfügige Beschäftigungen aufgeteilt. Die Abgabenprivilegierung der Mini-Jobs setzt in der ökonomischen Wirkung einen Fehlanreiz[41], der zu einem Anstieg der Zahl niedrig entlohnter und nicht sozialversicherter Beschäftigungen geführt hat. Ertragsschwache Beschäftigung begegnet nicht nur in geringfügiger Beschäftigung, sondern auch in der Leiharbeit, im Niedriglohnsektor insbesondere des Dienstleistungsbereichs allgemein und in kleiner (Solo-)Selbstständigkeit[42]. In Deutschland arbeiten zwischen 20% und 25% der im Arbeitsverhältnis Beschäftigten im Niedriglohnsektor[43], Kleine Selbstständigkeit mit niedrigen Einkünften kommt hinzu. Darin liegt im Hinblick auf die soziale Sicherheit ein Zukunftsproblem. Beschäftigung mit schwachen Erträgen und ohne hinreichende Vorsorge wird zu Bedürftigkeit im Alter führen[44]. Um die längerfristige Problematik zu erkennen, die sich dahinter verbirgt, muss man sich die Größenordnung klar machen, in der bei langer durchschnittlicher Lebenserwartung verdient werden muss, um eine Altersrente in Höhe der Grundsicherung zu erhalten[45].

Stundenlohn 9,35 € 10,50 € Grundsicherung im Alter
Bruttolohn pro Monat 1626,– € 1826,– € SGB XII-Gesamtbedarf, bestehend aus Regelleistung und gemittelten Unterkunftskosten 432,– €
Entgeltpunkte pro Jahr 0,4812 0,5404
aktueller Netto-Rentenwert 33,05 € 33,05 €
(niedrige Annahme) 377,– €
Rentenhöhe 715,71 € 803,74 € 809,– €

Durch den mit Wirkung vom 1. Januar 2015 eingeführten gesetzlichen Mindestlohn (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 MiLoG, vom 1. Januar 2020 an 9,35 Euro je Zeitstunde, siehe Beschluss der Mindestlohnkommission nach § 9 MiLoG vom 26.6.2018[46]) wird das Problem verringert.

142

bb) Bei Vorliegen einer geringfügigen Beschäftigung gelten die folgenden sozialversicherungsrechtlichen und steuerrechtlichen Besonderheiten (in der gesetzlichen Unfallversicherung gelten die allgemeinen Regeln, versichert sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr 1 SGB VII alle Beschäftigten):

(1) Eine Beitragspflicht zur Sozialversicherung besteht im Grundsatz nur für den Arbeitgeber.

(2) Die Beitragspflicht des Arbeitgebers zur gesetzlichen Krankenversicherung regelt § 249b S. 1 SGB V. Der pauschale Beitrag in Höhe von 13% für Beschäftigte iSv § 8 Abs. 1 Nr 1 SGB IV (keine Beitragspflicht bei Zeitgeringfügigkeit iSv § 8 Abs. 1 Nr 2 SGB IV) ist danach allerdings nicht zu entrichten, wenn der geringfügig Beschäftigte nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (auch freiwillig oder als Familienangehöriger oder gemäß § 5 Abs. 1 Nr 13 SGB V) versichert ist. Das ergibt sich daraus, dass der Arbeitgeber „für Versicherte“ diesen Beitrag zu tragen hat. Für geringfügig nebenbeschäftigte privat Versicherte (namentlich Beamte, Selbstständige und deren nicht gesetzlich krankenversicherte Ehepartner) ist also der pauschale Krankenversicherungsbeitrag nicht zu entrichten.

(3) In der gesetzlichen Rentenversicherung ist mit Wirkung vom 1. Januar 2013 bei nach diesem Zeitpunkt neu begründeten (§ 230 Abs. 8 SGB VI, Rn 383) Beschäftigungen gemäߧ 8 Abs. 1 Nr 1 SGB IV die Versicherungspflicht die Regel[47]. Gemäß § 6 Abs. 1b SGB VI besteht die Möglichkeit, von der Versicherungspflicht auf Antrag befreit zu werden („Opt out“). Die in der Rentenversicherung versicherungspflichtigen Arbeitnehmer tragen die Differenz zwischen dem Pauschalbeitrag des Arbeitgebers von 15% und dem jeweiligen Beitragssatz zur Rentenversicherung (§ 168 Abs. 1 Nr 1b SGB VI), also im Jahr 2020 3,6%. Sie haben dann der vollen Beitragszahlung entsprechende Rentenansprüche nach den allgemeinen Regeln. Für Beschäftigte im Sinn von § 8 Abs. 1 Nr 1 SGB IV, die in dieser Beschäftigung gemäß § 6 Abs. 1b SGB VI oder nach anderen Vorschriften von der Versicherungspflicht befreit oder gemäß § 5 Abs. 4 SGB VI versicherungsfrei sind, tragen nur die Arbeitgeber gemäß § 172 Abs. 3 S. 1 SGB VI den Beitrag in Höhe von 15% des Arbeitsentgelts; auf der Leistungsseite ergeben sich in der gesetzlichen Rentenversicherung nach Maßgabe von § 76b Abs. 1 SGB VI dann Zuschläge an Entgeltpunkten. Wurde die geringfügige Beschäftigung vor dem 1. Januar 2013 begründet, verbleibt gemäß § 230 Abs. 8 S. 2 SGB VI die Möglichkeit, durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber auf die Versicherungsfreiheit zu verzichten, sodass Rentenversicherungspflicht mit den daran gebundenen Rechtsfolgen eintritt („Opt in“). Geringfügig Beschäftigte nach § 8 Abs. 1 Nr 2 SGB IV sind versicherungsfrei (§ 5 Abs. 2 Nr 1 SGB VI).

(4) Neben die Pauschalbeiträge der Arbeitgeber von (unter diesen Voraussetzungen) zusammen 28% an Kranken- und Rentenversicherung treten nach Maßgabe von § 40a Abs. 2 EStG eine pauschale Steuer von 2% des Arbeitsentgelts und bestimmte Umlagen betreffend Krankheit, Mutterschaft und Insolvenz (vgl §§ 1 Abs. 1, 2 AAG, §§ 358 ff SGB III).

(5) Einzugsstelle für den Gesamtbetrag ist gemäß § 28i S. 5 SGB IV die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See.

143

Der Rechtsrahmen der Mini-Jobs ist, wie die Rn 136 bis 142 gezeigt haben dürften, kompliziert. Zugleich zeigt dieser Rechtsrahmen, wie sehr man im Spannungsfeld von Arbeits- und Sozialrecht auf (ökonomische) Anreizwirkungen achten müsste, was jedoch unterbleibt. Das mögen die folgenden Überlegungen verdeutlichen. In der Praxis liegt die Belastung der Arbeitgeber mit Beiträgen (bei gesetzlich krankenversicherten Mini-Jobbern), wie dargelegt (Rn 142), bei rund 30%. Manche meinen, die Belastung der Arbeitgeber sei also höher als bei einem nicht geringfügigen sozialversicherten Arbeitsverhältnis (bei dem Arbeitgeber rund die Hälfte des Gesamtsozialversicherungsbeitrags von etwas über 40% tragen, Rn 146 f). Das Gegenteil trifft jedoch zu. Denn die Arbeitgeber müssen im nicht abgabenprivilegierten Arbeitsverhältnis betriebswirtschaftlich mit dem vollen Beitragssatz (rund 40%) kalkulieren, da sie den Arbeitgeber- und den Arbeitnehmeranteil an die Einzugsstelle der Sozialversicherung abführen müssen (§§ 28d S. 1, 28e Abs. 1, 28g, 28h Abs. 1 SGB IV, Rn 149). Die betriebswirtschaftliche Kostenentlastung der Arbeitgeber ist erheblich, wie sich rechnerisch zeigt, wenn man auf der Arbeitnehmerseite das ausgezahlte Arbeitsentgelt bei 450 Euro fixiert (gerechnet mit Zahlen und Rechtslage des Jahres 2020 bei unterstelltem Grenzsteuersatz von 20%, Zahlen gerundet auf Euro, ohne Beiträge zur UV, AN-Brutto bei Befreiung gemäß § 6 Abs. 1b SGB VI, vgl auch www.minijob-zentrale.de). Darauf beruht der angesprochene Fehlanreiz (Rn 141).

AN-Netto AN-Brutto Arbeitgeberbelastung Privathaushalt
Mit Abgabenprivilegierung 450 € 450 € 590 € 509 €
Ohne Abgabenprivilegierung 450 € 560 € 685 € 685 €
Zusätzlich bei hypothetischer Lohnsteuerpflicht (unterstellt: 20% Steuerlast) 450 € 745 € 897 € 897 €

Schrifttum: Griese/Preis/Kruchen, NZA 2013, 113; Knospe, VSSR 2011, 233; Waltermann, NJW 2013, 118. Vgl auch die Geringfügigkeits-Richtlinien der Spitzenverbände v. 21.11.2018 (zu finden im Internet).

Nun ist allerdings mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Januar 2015, ohne dass der Gesetzgeber dies beabsichtigt oder die entstandene Anreizwirkung bemerkt hätte, der Anreiz für Arbeitgeber gesunken, Mini-Jobs zu begründen. Denn Arbeitgeber zahlen jetzt die Pauschalabgaben von rund 30% (Rn 142) mit Bezug auf das Nettoentgelt. Die Pointe der Mini-Jobs lag bis Ende 2014 darin, dass Arbeitgeber ein Nettoentgelt mehr oder weniger weit unter dem seit 2015 geltenden gesetzlichen Mindestlohn anboten, von dem dann die Pauschalabgaben anfielen. Jetzt ist es für Arbeitgeber günstiger, eine sozialversicherte Beschäftigung zum Mindestlohn anzubieten, den Arbeitgeberbeitrag von rund 20% zu zahlen und den Arbeitnehmeranteil (der im Übergangsbereich zwischen 450,01 Euro und 1300 Euro gestaffelt anfällt, Rn 148) abzuziehen[48]. Sie bekommen dann für das gleiche Geld mehr Arbeitsstunden und entgehen der für Mini-Jobs geltenden Dokumentationspflicht (vgl § 17 Abs. 1 MiLoG). Für Arbeitnehmer hingegen bleibt der Mini-Job attraktiv, wenn sie aufgrund ihres Familienkontextes einen höheren Steuersatz haben.

144

cc) Eine besondere Regelung gilt (um die illegale Beschäftigung in Haushalten einzudämmen) seit 2003 für die geringfügige Beschäftigung in Privathaushalten. Sie liegt gemäß § 8a Halbs. 2 SGB IV vor, wenn die Tätigkeit durch einen privaten Haushalt begründet ist und sonst gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts erledigt wird (namentlich Hausarbeiten, Kinderbetreuung oder Gartenpflege). Für die Beurteilung der Tätigkeit als geringfügig gilt dann dasselbe wie allgemein gemäß § 8 SGB IV in Bezug auf die Voraussetzungen der Entgeltgeringfügigkeit, Zeitgeringfügigkeit und Zusammenrechnung (vgl § 8a Halbs. 1 SGB IV). Es sind aber die bei Entgeltgeringfügigkeit vorgesehenen Pauschalbeiträge zu Krankenversicherung und Rentenversicherung deutlich geringer: Der Krankenversicherungsbeitrag beträgt gemäß § 249b S. 2 SGB V 5%, der Rentenversicherungsbeitrag beträgt auf Arbeitgeberseite gemäß § 168 Abs. 1 Nr 1c SGB VI (bei Versicherungspflicht) bzw. gemäß § 172 Abs. 3a SGB VI (bei Befreiung oder Versicherungsfreiheit) ebenfalls 5%. Arbeitnehmer tragen bei Versicherungspflicht die (höhere) Differenz zum jeweiligen Beitragssatz der Rentenversicherung (§ 168 Abs. 1 Nr 1c SGB VI), also im Jahr 2020 13,6%. Der Arbeitgeber trägt die Pauschalsteuer von 2% gemäß § 40a Abs. 2 EStG sowie die Umlagen nach dem Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen (AAG) und den Beitrag zur Unfallversicherung iHv 1,6% gem. § 185 Abs. 4 S. 3 SGB VII (zum Haushaltsscheckverfahren siehe §§ 28a Abs. 7 und 8, 23 Abs. 2a SGB IV[49]).

Obwohl danach die Belastung durch eine Beschäftigung im Privathaushalt für die Arbeitgeber gering ist und ohne Abwälzung auf die Beschäftigten, zumal von denen, die es angeht, leicht zu tragen wäre, finden Arbeitgeber und Beschäftigte nicht zu der gebotenen legalen Gestaltung. Dabei spielt auch eine Rolle, dass bei Arbeitnehmern vielfach mehrere Beschäftigungen nebeneinander stehen, sodass die Privilegierung gemäß § 8 Abs. 2 SGB IV nicht eingreift. Von etwa 4,5 Millionen Privathaushalten, die eine Hilfe beschäftigen, haben im März 2020 etwa 295 000 Haushalte eine geringfügig beschäftigte Hilfe gemeldet[50].

Sozialrecht

Подняться наверх