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5. Die Finanzierung der Sozialversicherung
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a) Allgemein sieht § 20 Abs. 1 SGB IV vor, dass die Mittel der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung nach Maßgabe der besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige durch Beiträge der Versicherten, der Arbeitgeber und Dritter, durch staatliche Zuschüsse und durch sonstige Einnahmen aufgebracht werden. Ganz im Vordergrund steht die Finanzierung durch Beiträge. Die Grundzüge des Beitragsrechts regeln die §§ 20–28 SGB IV[51].
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b) Die Beitragstragung ist in den einzelnen Sozialversicherungszweigen unterschiedlich geregelt. In der Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung tragen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Beiträge grundsätzlich je zur Hälfte (siehe § 58 Abs. 1 S. 1 SGB XI; § 168 Abs. 1 Nr 1 SGB VI; § 346 Abs. 1 S. 1 SGB III). In der Krankenversicherung war 2011 dieser Grundsatz aufgegeben worden, der Arbeitgeberanteil wurde eingefroren. Das hat man mit Wirkung vom 1. Januar 2019 wieder geändert[52] (§ 249 Abs. 1 S. 1 SGB V). In der gesetzlichen Unfallversicherung tragen die Unternehmer die Beiträge, die an den mit dem Unternehmen verbundenen Gefahren orientiert (Rn 287) und mit der Freistellung von der privatrechtlichen Haftung durch den sozialrechtlichen Versicherungsschutz verbunden sind (Rn 284), allein (§ 150 SGB VII). Allgemein trägt der Arbeitgeber den Beitrag gemäß § 20 Abs. 3 SGB IV allein, wenn das monatliche Arbeitsentgelt von im Rahmen der betrieblichen Berufsausbildung Beschäftigten 325 Euro nicht übersteigt (sog. Geringverdienergrenze) oder wenn Versicherte ein freiwilliges soziales Jahr oder ein freiwilliges ökologisches Jahr leisten.
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c) Die Höhe der Beiträge richtet sich in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung nach dem Bruttogehalt der Versicherten. Der Beitrag wird jeweils in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes aus den beitragspflichtigen Einnahmen der Versicherten erhoben[53].
Was die Beitragssätze angeht, gilt: In der gesetzlichen Krankenversicherung legte (bis zur Einführung des „Gesundheitsfonds“ 2009) jede Krankenkasse den allgemeinen Beitragssatz durch Satzung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben (§ 21 SGB IV, §§ 220 ff SGB V aF) selbstständig fest[54]. Nunmehr ist der allgemeine Beitragssatz gesetzlich festgelegt: er beträgt 14,6% (§ 241 SGB V), die Krankenkassen können Zusatzbeiträge erheben (Rn 169). Der Beitragssatz für die gesetzliche Pflegeversicherung beträgt bundeseinheitlich 3,05% (§ 55 Abs. 1 S. 1 SGB XI), unter den Voraussetzungen des § 55 Abs. 3 S. 1 SGB XI erhöht sich der Beitragssatz bei Kinderlosen um 0,25%. Der Beitragssatz für die Rentenversicherung wird jährlich durch Rechtsverordnung bundeseinheitlich festgelegt (§§ 160 Nr 1, 158 SGB VI), er beträgt derzeit 18,6%. Der Beitragssatz für die Arbeitslosenversicherung beträgt 2,4%. In der gesetzlichen Unfallversicherung richtet sich die Höhe der Beiträge im Wesentlichen nach der Unfallgefahr in dem Unternehmen und nach dem Entgelt der Versicherten (§ 153 SGB VII).
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d) Die 2003 eingeführte beitragsrechtliche Gleitzone, seit dem 1. Juli 2019 als Übergangsbereich bezeichnet, erfasst gemäß § 20 Abs. 2 SGB IV Sachverhalte, in denen das aus mehr als geringfügigen Beschäftigungen nach § 8 Abs. 1 Nr 1 SGB IV erzielte Arbeitsentgelt regelmäßig 1300 Euro im Monat nicht überschreitet; bei mehreren Beschäftigungen ist das insgesamt erzielte Arbeitsentgelt maßgebend.
Innerhalb dieses Übergangsbereichs besteht für die Beschäftigten Versicherungspflicht (und damit Versicherungsschutz) in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung. Es ist aber die Beitragsbelastung der Arbeitnehmer gestaffelt, sie steigt allmählich auf die hälftige Beitragsverteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer an. Im Einzelnen wird die Beitragsverteilung für Arbeitsentgelt im Übergangsbereich ermittelt, indem ein gegenüber dem Arbeitsentgelt (AE) geringeres Bemessungsentgelt zu Grunde gelegt wird (vgl §§ 344 Abs. 4 SGB III; 226 Abs. 4 SGB V; 163 Abs. 10 SGB VI; 57 Abs. 1 SGB XI), wobei der Arbeitgeber die Hälfte des ohne die besondere Übergangsbereichsregelung an sich zu entrichtenden Betrags, der Versicherte den Rest trägt (vgl §§ 346 Abs. 1a SGB III; 249 Abs. 3 SGB V; 168 Abs. 1 Nr 1d SGB VI; 58 Abs. 5 S. 2 SGB XI)[55]. Das beitragspflichtige Entgelt wird nach einer Formel berechnet[56].
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e) Die Einziehung der Beiträge erfolgt in einem Lohnabzugsverfahren, der Arbeitgeber hat die Beiträge der Arbeitnehmer zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung einzubehalten und zusammen mit seinem Anteil an die zuständige Krankenkasse als Einzugsstelle (§ 28h Abs. 1 S. 1 SGB IV) abzuführen. Der Arbeitgeber hat insoweit gegen die Beschäftigten einen Anspruch auf den von ihnen zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (§§ 28d, 28g S. 1 SGB IV), der nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden kann (§ 28g S. 2 SGB IV). Unterbleibt der Abzug, darf er nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, danach nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist (§ 28g S. 3 SGB IV). Die Einzugsstelle leitet die der Krankenkasse nicht zustehenden Beiträge an die anderen Versicherungsträger weiter (§ 28k Abs. 1 SGB IV).