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Pacellis abwartender Kurs und die gegenteilige Intervention Bertrams in Rom

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Gasparri war mit der abwartenden Haltung, die der Nuntius empfahl, einverstanden. Zwar ließ er vom Heiligen Offizium sofort für alle vier von Pacelli beigebrachten Kandidaten – wohlgemerkt auch für die, die dieser für ungeeignet erklärt hatte – das Nihil obstat ausfertigen.54 Aber für das weitere Vorgehen erteilte er zunächst keine Weisung. Pacelli wiederum hatte offenbar ebenso wenig auf das Initiativschreiben Bertrams vom 1. Februar geantwortet. Dessen ungeachtet ergänzte der Breslauer Kardinal am 9. April seine frühere Darstellung mit Überlegungen zur Situation der Berliner Delegatur, die ihm vom Interimsdelegaten Cortain zugegangen waren.55 Prälat Cortain identifizierte in der fehlenden Seelsorgsinfrastruktur ein Hauptproblem, weshalb die kirchliche Verwaltung in Berlin künftig von einem Mann geführt werden müsse, „der von vornherein diese systematische und organisierte Tätigkeit als seine Aufgabe erkennt und dieselbe mit ruhiger, zielbewusster Hand … in die Tat umsetzt“56. Nach anderen Äußerungen aus dem Delegaturamt sei – so Bertram – neben dem administrativen Geschick zum Ausbau der Pfarrstrukturen auch eine stringentere und tatkräftigere Leitung durch den neuen Weih- beziehungsweise Diözesanbischof vonnöten. Bertram hoffte, dass dies Urteil von vor Ort bei der Kandidatenwahl des Heiligen Stuhls berücksichtigt werde, zumal vielleicht schon bald eine Entscheidung aus Rom zu erwarten sei.

Dort standen die Zeichen aber auf Stillstand. Pacelli dachte gar nicht daran, die Angelegenheit voranzutreiben, sondern kümmerte sich stattdessen um die preußischen Konkordatsverhandlungen, die nun in ihre allerletzte Phase eintraten. Daran änderte auch die Eingabe eines anonymen Katholiken von Anfang Mai nichts, die einen Diözesanbischof von Berlin nach der Art des neuen Hildesheimer Oberhirten, Nikolaus Bares, forderte.57 Eine Persönlichkeit wie diese sei nötig, um das Übel des deutschen Katholizismus, den „Interkonfessionalismus mit seiner systematischen Propaganda von der ‚Eigengesetzlichkeit‘ wichtiger Lebensbezirke, mit seinem leidenschaftlichen Eintreten für einen falsch verstandenen ‚Gemeinschaftsgedanken‘“58, zu bekämpfen. Weil die katholische Aktion von dezidierten Vertretern dieser Denkweise unterwandert werde, liege es an den Bischöfen, die sich „durch eine klare Einstellung und eine feste Führung des katholischen Volkes“59 auszeichnen würden, ihr Absinken aufzuhalten. Einen solchen glaubte der Verfasser auch zu kennen, nämlich den Geistlichen Rat in Berlin Lichterfelde, Maximilian Beyer. Es ist anzunehmen, dass der anonyme Schreiber, der offenbar einer integralistischen Richtung nahe stand, aus Beyers näherem Umfeld stammte. Pacelli freilich ließ sich von diesem Brief überhaupt nicht beeindrucken.

Weil daher keine Veränderung und kein Fortschritt in der Berliner Besetzungsfrage auszumachen war und der Nuntius auf das zweite Schriftstück Bertrams wiederholt nicht reagierte, wandte sich dieser am 24. Mai schließlich an den Papst.60 In seiner Eingabe trat er für die Einsetzung des Delegaten nach dem Modus der Konvention von 1854 ein, ergänzte ihn allerdings um eine vorige Abstimmung mit dem Heiligen Stuhl. Prinzipiell – so Bertram – sei es ihm auch möglich, eigenmächtig einen Delegaten zu ernennen,

„aber weil der, dem jetzt die bischöfliche Verwaltung des Delegaturbezirks überantwortet würde, schon bald nach der Errichtung der Diözese Berlin, die im Konkordat vorgesehen ist, nicht leicht bei der Ernennung des Bischofs der neuen Diözese übergangen werden kann, liegt diese Angelegenheit jetzt beim Heiligen Stuhl“61.

Nachdem er – so der Breslauer Kardinal weiter – den mit Rom vereinbarten Kandidaten zum Delegaten ernannt haben würde, könne der Heilige Stuhl diesen – genau wie damals Deitmer – zum Weihbischof erheben. Nach Abschluss des Preußenkonkordats wäre der neue Delegat schon gut eingearbeitet und könne daher leichter den anstehenden Aufbau der Bistumsstrukturen bewältigen. Bertram warnte hingegen eindringlich vor der – wie er vermutete – in Rom verfolgten Taktik, die Stelle bis nach Inkrafttreten des Konkordats vakant zu lassen. In Berlin seien unablässig weitreichende Entscheidungen zu treffen, insbesondere im Bereich der Finanzverwaltung. Mit den Behörden müssten Verhandlungen geführt werden über Angelegenheiten, die das kirchliche Leben, die Schulen und das öffentliche Leben beträfen, ganz abgesehen von den übrigen Aufgaben, die ein guter Hirte zu erledigen habe. Der Interimsdelegat Cortain sei von den Belastungen und Mühen schwer gezeichnet und müsse ein Sanatorium aufsuchen. Die übrigen Pfarrer Berlins seien den Herausforderungen nicht gewachsen. Kurzum: „Die Stadt Berlin mit dem Gebiet der Delegatur benötigt die starke Hand eines klugen Hirten.“62 Sicherlich nicht unkritisch bemerkte Bertram abschließend, dass er seine Gedanken „über die Qualitäten einiger Personen“63 dem Berliner Nuntius schon vor langem dargelegt habe – und man kann in Gedanken hinzufügen: ohne, dass dieser darauf reagiert hätte.

Eugenio Pacelli im Spiegel der Bischofseinsetzungen in Deutschland von 1919 bis 1939

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