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Die Suche Pacellis nach dem künftigen Diözesanbischof von Berlin

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Es verstrichen fast drei Wochen bevor der Nuntius der Frage nachging. Er dachte für die Nachfolge Deitmers und, „wie zu hoffen steht, späteren Bischof von Berlin“17, anders als Bertram zunächst an einen Kandidaten westdeutscher Provenienz, nämlich seinen langjährigen Vertrauten, Berater und Freund Kaas. Obwohl er den Trierer Domkapitular natürlich sehr gut kannte, ersuchte er im Februar dessen Diözesanbischof Bornewasser sub secreto Sancti Officii um eine Einschätzung. Pacelli hielt streng an seinem gewöhnlichen Vorgehen fest, obgleich dies im vorliegenden Fall an sich nicht nötig gewesen wäre. Der Trierer Oberhirte war mit dem Plan des Nuntius völlig einverstanden und sprach sich über Kaas vorbehaltlos positiv aus.18 In der siebenjährigen Zusammenarbeit habe er ihn immer mehr schätzen gelernt. Durch sein profundes theologisches und kanonistisches Wissen sei er eine „Zierde der deutschen Wissenschaft“19, besitze darüber hinaus eine klare Sicht auf die Bedürfnisse des kirchlichen Lebens und der pastoralen Notwendigkeiten. Seine hohe Befähigung im Umgang mit den Menschen jeden Standes und insbesondere sein Verhandlungsgeschick mit den staatlichen Behörden seien Pacelli wohlbekannt. Diese Aufzählung der Qualitäten des Domkapitulars erweiterte Bornewasser um seine „warme Liebe zum h[eiligen] katholischen Glauben und zu unserer h[eiligen] Mutter der Kirche, sein tadelloses priesterliches Leben, sein rastloses Arbeiten und sein tiefes, warmes Interesse für die Not unseres Volkes“20, die ihm ein beachtliches Ansehen im Klerus und Volk der Diözese Trier eingebracht hätten. Einen solchen Mann in seine Reihen zu bekommen, sei für den deutschen Episkopat ein „großer Gewinn“21, die Kenntnisse, Klugheit und Erfahrung des Prälaten vor allem für die Beratungen auf der Fuldaer Konferenz nützlich.22

Trotz des wohlwollenden Urteils Bornewassers hatte Pacelli als fraglichen Kandidaten nicht nur Kaas im Sinn, sondern wollte offenbar eine Alternative. Dafür griff er auf die Nummer zwei Kardinal Bertrams zurück, den Stettiner Propst Steinmann. Noch im Februar verlangte er über den Genannten ein vertrauliches Exposé vom Meißener Bischof Christian Schreiber, da er – so Pacelli – gehört habe, dass ihm der fragliche Kandidat „seit Jahren bekannt ist“23. Schreiber kam der Bitte umgehend nach und erklärte, dass seine Bekanntschaft mit Steinmann aus seiner römischen Studienzeit stamme, als er selbst im Germanicum und dieser in der Anima seine philosophisch-theologische Ausbildung absolviert habe.24 Seitdem habe er ihn persönlich nicht mehr getroffen, aber seine Karriere aufmerksam beobachtet. War der Eindruck in der Studienzeit schon gut, so habe er über Steinmanns vergangenes Wirken im Bistum Breslau ebenfalls nur positive Resonanz vernommen, sowohl in persönlicher als auch seelsorglicher Perspektive. Freilich gebe es eine Ausnahme: Steinmann sei wiederholt mit dem Militärpfarrer Paul Anton Josef Schwamborn „in Angelegenheiten von Militär-Seelsorgern“25 aneinandergeraten. In einer privaten Unterredung habe Schwamborn daher ihm gegenüber – so Schreiber – dem Stettiner Propst „ein herrisches Wesen“26 zugeschrieben. Der Meißener Bischof hielt die Anschuldigung aber nur teilweise für berechtigt und kam zu folgender Gesamtbeurteilung:

„Ich halte Herrn Dr. Paul Steinmann alles in allem genommen für sehr geeignet, den ihm etwa zugedachten Posten eines Weihbischofs (und später Bischofs) von Berlin zu bekleiden. Er wird nach meiner Überzeugung für diesen Posten folgende Eigenschaften mitbringen: treukirchlichen Sinn, starke Arbeits- und Tatkraft, große Erfahrung sowohl in Berlin, wo er längere Zeit gewirkt hat, wie auch im Delegaturbezirk, ein besonderes Verständnis für die schwierigen Aufgaben der Diaspora, gewandte Umgangsformen und eine bemerkenswerte Repräsentationsfähigkeit.“27

Über das Verhältnis Steinmanns zum Klerus und über seine Gesundheit konnte Schreiber kein qualifiziertes Urteil treffen, jedoch habe er über das erste nichts Negatives gehört und hinsichtlich des zweiten schloss er aus dem Umstand, dass der Propst trotz seiner endfünfziger Jahre die arbeitsreiche Aufgabe in Stettin gut bewältige, auf eine starke physische Verfassung.

Da der Nuntius die Frage nach Steinmanns Umgänglichkeit, gerade angesichts des angerissenen Konflikts, noch nicht für ausreichend beantwortet hielt, ließ er sich von seinem Privatsekretär Gehrmann ein Urteil anfertigen, das dezidiert auf dieses Thema zugeschnitten war.28 Gehrmann erklärte, den Propst aus seiner Zeit als Militärgeistlicher zu kennen, in der er sich über einen längeren Zeitraum bei Stettin aufgehalten habe. Dort habe er die Erfahrung gemacht, dass Steinmann sehr um ein gutes Verhältnis zu seinen Confratres bemüht sei, enge Verbindungen zu den Geistlichen unterhalte, bei seelsorglichen Schwierigkeiten und Verwaltungsangelegenheiten ihre Meinung einbeziehe sowie den jüngeren und schwächeren Priestern tatkräftig zur Seite stehe. Eine Auseinandersetzung habe es mit zwei Militärkaplänen gegeben – ob es sich um dieselbe Angelegenheit handelte, die Schreiber angesprochen hatte, muss offen bleiben –, die aber nach Meinung des Steyler Missionars gänzlich im Unvermögen der letzteren ihren Grund gehabt, jedoch dem Ruf Steinmanns geschadet habe. Damals habe sich auch Bertram in die Sache eingemischt, Steinmann in Schutz genommen und den beiden Kaplänen Ungehorsam vorgeworfen. Vermutlich deshalb hatte der Breslauer Fürstbischof dem Nuntius von dieser Episode nicht berichtet. Dieser gab sich mit den Hinweisen zufrieden und sah sich nun in der Lage, die Thematik der Berliner Besetzung in Rom vorzutragen. Um Gutachten über Bertrams Favoriten Piontek oder dessen Nummer drei Kaller bemühte er sich nicht mehr.

Eugenio Pacelli im Spiegel der Bischofseinsetzungen in Deutschland von 1919 bis 1939

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