Читать книгу Eugenio Pacelli im Spiegel der Bischofseinsetzungen in Deutschland von 1919 bis 1939 - Raphael Hülsbömer - Страница 19
Pacellis Plan für Limburg: Hilfrich als Koadjutor mit Nachfolgerecht
ОглавлениеDiese Darlegung überzeugte den Nuntius. Nachdem nun Modus und Kandidat bereitlagen, wandte er sich mit der Bittschrift Kilians nach Rom.175 Erst jetzt, am 1. November, kam er der Bitte des Limburger Bischofs von Ende September nach, der nichts davon wusste, dass sein Schriftstück die römische Kurie noch gar nicht erreicht hatte.176 Seinen Bericht an Gasparri konzipierte Pacelli stringent auf seine eigenen Vorstellungen zu der prekären Situation Kilians hin. Dementsprechend resümierte er zwar kurz dessen Wunsch nach der Erhebung Fendels oder Merkels zu seinem Weihbischof. Jedoch fügte er unmittelbar die von Kilian selbst gemachten Einschränkungen hinzu, nämlich dass dieser die Art der Lösung und die Kandidatenwahl letztlich in die Hände des Papstes lege. Der greise Kilian hatte am Schluss seiner Supplik innig darum gebeten, „dass die Bestellung eines neuen Weihbischofs auch in kleineren Diözesen, wie Limburg, aufgrund der geringen Zahl der gegenwärtigen Bischöfe in Deutschland nicht inopportun erscheine“177. Doch genau diesen Grund, die verhältnismäßig geringe Größe des Bistums, gab Pacelli nun dafür an, dass es sinnvoller sei, auf einen Weihbischof zu verzichten und stattdessen einen Nachfolger Kilians zu installieren. Die Problematik der Nachfolge des Oberhirten sei deshalb so heikel, weil man sie im Hinblick auf die Jesuitenhochschule St. Georgen angehen müsse. Diese Beziehung – wie Pacelli dem Kardinalstaatssekretär entfaltete – diktiere die Direktive bei der Personalfrage, insofern „es daher notwendig erscheint, dass der künftige Bischof solcher Art ist, dem genannten Institut keine Schwierigkeiten zu machen, von dem man so sehr eine bessere Bildung des Klerus in Deutschland erwartet“178. Angemessen sei deshalb die Nomination eines Koadjutors mit dem Recht der Nachfolge.
Unter dieser Richtlinie diskutierte Pacelli die Kandidatenfrage. Der von Kilian vorgeschlagene Kanoniker Fendel habe zwar das Zeug zum Weihbischof, aber nicht gleichermaßen zum Diözesanbischof, „weil es scheint, dass er nicht die außergewöhnlichen Fähigkeiten besitzt und ziemlich schwach ist“179 – damit verstand Pacelli unter der von Klein Fendel zugeschriebenen Konzilianz nichts anderes als Schwäche. Auch bei der Bewertung Merkels folgte der Nuntius der Analyse Kleins, indem er erklärte, dass man dessen Qualität und Haltung noch nicht absehen könne. Er hingegen könne einen anderen Geistlichen von „unzweifelhaft außergewöhnlicher Begabung“180 bieten, womit Pacelli auf Hilfrich zu sprechen kam. Wert legte er darauf, sein Alter (56), sein römisches Studium als Germaniker, sein Doktorat in Philosophie und Theologie und sein gegenwärtiges Pfarramt in Wiesbaden anzusprechen. Als besondere Kennzeichen Hilfrichs müssten seine unbedingte Treue zum Heiligen Stuhl, seine hohe Reputation in der Diözese, sein gewandtes Umgehen mit den weltlichen Autoritäten und seine tadellose Lebensführung gelten. Über das Urteil Kleins und Kösters’ hinausgehend berichtete Pacelli, dass kürzlich der Meißener Bischof Schreiber ihm gegenüber ein hohes Lob für Hilfrich ausgesprochen habe. Auch für Pacelli selbst war Hilfrich kein unbeschriebenes Blatt, schon häufiger war sein Name im Kontext von Bischofseinsetzungen gefallen.181 Eigentlich habe er intendiert – wie Pacelli dem Kardinalstaatssekretär offenbarte –, dem Heiligen Stuhl vorzuschlagen, ihn auf den bischöflichen Stuhl von Meißen zu transferieren, wenn dieser durch die Translation Schreibers nach Berlin vakant werde. Zu diesem Zweck hatte Pacelli bereits Mitte des Jahres von Kilian ein ausgesprochen günstiges Votum über den Genannten eingeholt.182 Falls aber der Papst dem Plan zustimme, Hilfrich zum künftigen Bischof von Limburg zu erheben,
„wäre es gleichwohl vielleicht nützlich so zu verfahren, dass man vermeidet, soweit es möglich ist, dass man von Seiten der öffentlichen Meinung die Kritik erregt – nachdem schon für Berlin ein Ex-Alumne des Kollegiums Germanicum-Hungaricum gewählt wurde –, dass der Heilige Stuhl jetzt, nach Abschluss des Konkordats mit Preußen, beabsichtigt, alle künftigen Bischöfe unter den Geistlichen zu wählen, die in Rom studiert haben“183.
Diese Sichtweise hatte bei Pacelli zunächst dazu geführt, die Einsetzung Wolfs zu unterstützen. Der Nuntius war demnach keiner, der sein Recht – die Kurie war ja durchaus berechtigt, bei jeder sich bietenden Gelegenheit einen „Römer“ in die episkopale Würde zu bringen – ohne Weiteres voll ausschöpfen wollte. Es gab offensichtlich Grenzen, die in diesem Fall darin bestanden, keine Verschlechterung des Verhältnisses der preußischen Behörden, Bürger und wohl auch Teile der preußischen Kirche zum Heiligen Stuhl zu riskieren. Behutsames Vorgehen war also die Marschroute. Nichtsdestotrotz hatte er sich erneut für einen Germaniker entschieden, aber nur – so Pacelli – weil er in der Diözese Limburg, aus welcher der Koadjutor unbedingt kommen sollte, vergeblich eine persona idonea gesucht habe. Wie sah nun seine Lösung dieser verzwickten Situation aus?
„Man könnte daher vielleicht schonend dem Ehrwürdigen Monsignore Kilian mit aller Vorsicht und auf streng vertraulichem Wege anraten, dass er selbst in einer neuen Bittschrift dem Heiligen Stuhl Hilfrich als Koadjutor mit künftiger Nachfolge vorschlägt und er auf diese Weise auch anzeigt, dass er zustimmt, die Frage des Gehaltes zu regeln; auf diese Art bliebe der obengenannte Nachteil, wenn ich nicht irre, beseitigt oder wenigstens ziemlich verringert.“184
Der Vorschlag sollte also aus Limburg selbst kommen, nicht aus Rom, sodass dem Heiligen Stuhl kein Vorwurf gemacht werden konnte. Es überrascht nicht, dass Pius XI. und Kardinalstaatssekretär Gasparri für diesen raffinierten Plan ein offenes Ohr hatten. Am 10. November teilte letzterer dem Nuntius mit, dass der Papst bereit sei, Kilian nicht etwa einen Weihbischof, sondern einen Koadjutor mit Nachfolgerecht in der Person Hilfrichs zur Seite zu stellen.185 Er wies Pacelli an, gemäß dem skizzierten Plan vorzugehen.