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Die Kontroverse um das staatliche Plazet

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Von der Regierung hing nun ab, ob der ausgeklügelte Plan bloße Theorie blieb oder Realität wurde. Unmittelbar nach dem Austausch der ratifizierten Urkunden eröffnete Pacelli sowohl dem Ministerpräsidenten Braun als auch dem Kultusminister Becker die römische Intention, den Bischof von Meißen zum künftigen Oberhirten der zu errichtenden Berliner Diözese zu erheben. Beide hätten – wie Pacelli am 23. August nach Rom schrieb – grundsätzlich keine Einwände gehabt, wenngleich sie sich eine endgültige Entscheidung vorbehielten.90 Dieser Vorbehalt überrascht sicher nicht, wenn man bedenkt, dass sie die Mitteilung Pacellis völlig unvorbereitet traf. Leider sei es aber nicht bei der anfänglichen Zustimmung geblieben, wie der Nuntius kritisch hinzufügte: „… aber natürlich, als die Sache durch die Büros des Kultusministeriums ging, fingen die engstirnigen Bürokraten an, Einwände gegen den Besetzungsmodus und die Person des Kandidaten zu erheben.“91 Damit spielte er auf eine Unterredung mit Professor Friedrich Heyer vom 16. August an, der im Auftrag des Kultusministers forderte, dass

„vor Beantwortung der gestellten Anfrage die Art der ersten Besetzung des künftigen Bischöflichen Stuhles von Berlin feststehen müsse; der Vertrag enthalte zwar keine ausdrückliche Bestimmung darüber, der Herr Minister sei aber der Auffassung, daß die Besetzung im Sinne und unter möglichster Anwendung des Artikels 6 zu geschehen habe; insbesondere müsse man hiernach wenigstens die Einreichung einer Kandidatenliste durch die preußischen Bischöfe erwarten, wenn auch die des ja noch nicht vorhandenen Domkapitels ausfallen müsse“92.

Laut der Aufzeichnung des Ministerialbeamten ließ sich Pacelli erst nach einer längeren Auseinandersetzung darauf ein, diese staatliche Ansicht an die Kurie weiterzuleiten, tat dies aber dann doch nicht. Stattdessen suchte er Kardinal Bertram auf, um mit ihm den Fall zu besprechen. Im Anschluss daran bekräftigte er gegenüber Heyer telefonisch seine ablehnende Haltung mit der Bemerkung, dass er „die Einforderung einer Kandidatenliste in diesem Falle als eine für die Bischöfe unwürdige Farce ansehen [müsse], da … von vornherein feststehe, wen der Papst zum Bischof von Berlin ernennen wolle“93. Natürlich wollte der Episkopat keine Kandidatenlisten aufstellen, wenn diese vollkommen überflüssig waren und nur eine formale Funktion erfüllten. Der Nuntius war aber versiert genug, die Regierung mit den eigenen Waffen zu schlagen. Wenn also die Normen des 6. Artikels des Konkordats über die Bischofseinsetzungen möglichst getreu umgesetzt werden sollten, dann war es eigentlich Aufgabe des Domkapitels, die Regierung um politische Bedenken hinsichtlich des vorgesehenen Kandidaten anzugehen. Da aber das Kapitel noch nicht errichtet war, müsse – wie Pacelli Heyer vorhielt – die Anfrage zwecks der politischen Einwände entfallen.94 In Rom sei man derselben Ansicht, sodass sich eine Anfrage in dieser Angelegenheit erübrige. Unter Berücksichtigung dieses Sachverhalts erwartete Pacelli eine definitive Entscheidung des Kultusministeriums und betrachtete „bis dahin seine Anfrage nach der politischen Unbedenklichkeit des Kandidaten als nicht gestellt“95.

Wohl nicht verwunderlich ist, dass man in Regierungskreisen nicht bereit war, auf die Anwendung der politischen Klausel zu verzichten, und daher einlenkte. Ein Tag nach dem angesprochenen Telefonat, am 17. August, erklärte Heyer dem Nuntius, dass

„der Herr Minister zwar nach wie vor der Auffassung sei, daß die Besetzung des künftigen bischöflichen Stuhles von Berlin nach Einreichung einer Kandidatenliste des Episkopats hätte erfolgen sollen, daß er aber, vorbehaltlich der Stellungnahme des Staatsministeriums, bereit sei, die bestehende Meinungsverschiedenheit im Sinne des Artikels 13 des Vertrags96 zu beseitigen; er werde daher dem Staatsministerium vorschlagen, für diesen Fall sich mit der Einhaltung der sog[enannten] politischen Klausel zu begnügen“97.

Pacelli versicherte im Gegenzug, sich hinsichtlich der ebenfalls nach Inkrafttreten des Konkordats anstehenden Besetzung des bischöflichen Stuhls der neuen Diözese Aachen für eine Anwendung des im Vertrag vorgesehenen Modus einzusetzen.98 Der Kultusminister befürwortete also am 23. August gegenüber Braun den von Pacelli vorgetragenen Besetzungsmodus und auch den Kandidaten, mit dem Hinweis: „Schreiber gilt als einer der hervorragendsten und gelehrtesten Mitglieder des deutschen Episkopates. Er ist auch Andersgläubigen gegenüber stets duldsam gewesen und bereits im Jahre 1914 als Kandidat für den bischöflichen Stuhl in Hildesheim für genehm erklärt worden.“99

Schon am Vorabend des 23. August erhielt Pacelli das staatliche Plazet für den Verfahrensmodus und die Person Schreibers, woraufhin er sofort den angesprochenen Bericht an Gasparri verfasste. Diesen informierte er nicht nur über die erwähnten Widerstände gegen den Besetzungsmodus, sondern auch darüber, dass die Person des Kandidaten auf Vorbehalte gestoßen sei. Offenbar hatte Becker zunächst nicht seine eigentlich positive Meinung über Schreiber zugegeben, womöglich mit der Idee, den Nuntius zum Zugeständnis beim Verfahren bewegen zu können, wenn er dafür – gespielt widerwillig – auf den kurialen Kandidaten einginge. Jedenfalls habe der Kultusminister – so Pacelli – zunächst die Wahl eines Geistlichen für Berlin kritisiert, „der seine philosophisch-theologischen Studien in Rom absolviert hatte“100. Ohne genauer auf die Lösung dieses Problems einzugehen, drückte er Gasparri gegenüber seine Erleichterung aus, dass es ihm gelungen war, beide Einwendungen zu entkräften: „Der Heilige Stuhl kann daher jetzt ohne Weiteres den genannten Bischof zum Apostolischen Administrator des Gebiets der Delegatur von Berlin ernennen und vielleicht könnte er provisorisch den Titel und die Leitung der Diözese Meißen behalten.“101

Eugenio Pacelli im Spiegel der Bischofseinsetzungen in Deutschland von 1919 bis 1939

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