Читать книгу Eugenio Pacelli im Spiegel der Bischofseinsetzungen in Deutschland von 1919 bis 1939 - Raphael Hülsbömer - Страница 18
Zwei Sitzungen der Kongregation für die Außerordentlichen Kirchlichen Angelegenheiten und der römische Konkordatsentwurf
ОглавлениеMatts erster Teilentwurf der Konkordatsmaterie wurde mitsamt der Berichterstattung des Nuntius am 28. Mai in einer Sessio particularis der AES diskutiert.158 Als Sitzungsgrundlage fungierte eine Relation, die das Staatssekretariat unter der Federführung Gasparris für die Teilnehmer angefertigt hatte und der neben der Denkschrift des Kultusministers sämtliche Eingaben der bayerischen Bischöfe und Domkapitel beigefügt waren.159 Wie dem Protokoll der Sitzung zu entnehmen ist, gab es über den dritten Artikel keinen größeren Diskussionsbedarf. Die Kardinäle waren bereit, im Äußersten die Meinung der bayerischen Bischöfe zu akzeptieren und billigten nach „kurzer Diskussion“160 folgende Fassung des dritten Artikels: „Die Ernennung der Erzbischöfe und Bischöfe ist dem Heiligen Stuhl vorbehalten, welcher, vor der Veröffentlichung der Ernennungsbulle, sich versichern wird, dass Bedenken politischer Art gegen den Kandidaten nicht bestehen.“161 Man rückte also von der reinen päpstlichen Nominationsvollmacht nicht ab, das von Matt verlangte Kapitelswahlrecht kam nicht infrage und nicht einmal das von Pacelli angedachte Vorschlagsrecht sollte für die Domkapitel herausspringen. Auch ein Auditionsrecht des Episkopats verankerte man nicht. Dagegen griffen die Kardinäle, wie es der Konkordatspraxis der Kurie entsprach, die politische Klausel auf. Allerdings war der Umfang derselben keineswegs geklärt. De Lai übte Kritik an der Klausel, weil er fürchtete, dass die bayerischen Regierungen künftig jeden von Rom ausgewählten Kandidaten torpedieren könnten, nur weil dieser eventuell eine parteipolitisch andere Richtung vertrete. Hier waren also noch Klärungen nötig.
Nachdem auch der Papst die Beschlüsse bestätigt hatte, teilte Gasparri dem Nuntius die Entscheidung der Kardinäle mit.162 Keinerlei Erklärung oder weiterführende Anmerkung fügte er der neuen Fassung des dritten Entwurfsartikels hinzu. Der Artikel berücksichtigte nur die zweite Forderung des Kultusministers hinsichtlich der politischen Klausel, nicht jedoch die erste zur Beteiligung der Domkapitel. Der Nuntius war der Meinung, dass dies womöglich nicht ausreichte, denn als er sich am 11. Juni von Gasparri noch weitergehende Instruktionen erbat, merkte er an, dass weitere Konzessionen im Besetzungsmodus nötig sein könnten und fragte: „Falls die Regierung auf größeren Zugeständnissen hinsichtlich der Besetzung der erzbischöflichen und bischöflichen Stühle beharren sollte, wäre die schon von den Bischöfen vorgeschlagene Ergänzung: ‚auditis provinciae Ordinariis‘ annehmbar?“163 Im Vergleich mit einer Beteiligung der Domherren war es für ihn das weitaus kleinere Übel, die Provinzbischöfe in dieser Frage anzuhören.
Weil Pacelli ebenfalls betonte, dass er nun einen konkreten Gegenvorschlag zum staatlichen Konkordatsentwurf vorweisen müsse, berief der Kardinalstaatssekretär für den 6. August erneut eine Congregatio particularis der AES ein, um auf Basis einer weiteren, umfangreichen Relation einen römischen Gegenentwurf zu erarbeiten.164 Die Diskussion um die von Pacelli vorgebrachte Ergänzung war nur kurz, wobei sich vor allem De Lai kritisch zu diesem Punkt äußerte, wie der Protokollant, Untersekretär Pietro Ciriaci, notierte: „Er [sc. De Lai, R.H.] bemerkt, dass der Heilige Stuhl die Ordinarien anhören wird, wie er sie faktisch anhört, aber er legt das nicht im Konkordat fest und bindet sich so endgültig, während es bisweilen Gründe geben könnte, die Bischöfe nicht anzuhören.“165 Laut Protokoll schlug Gasparri daraufhin vor, auf die Anfrage folgendermaßen zu antworten: „Solange es möglich ist, ablehnend.“166 Die Kardinäle gaben dieser Haltung anschließend ihre Zustimmung.
Aus der Arbeit der Kongregation ging ein 15 Artikel umfassender Konkordatsentwurf hervor.167 Unter dem Artikel 14 § 1 fand sich der Modus der Bischofseinsetzung, der im Vergleich zur Mai-Sessio nur eine geringe Veränderung erfahren hatte: Der Heilige Stuhl verpflichtete sich, vor Promulgation der Ernennungsbulle nunmehr auf offiziösem Wege bei der Regierung nach politischen Einwänden zu fragen.168 Wie gesehen hatte das fragliche Auditionsrecht der Provinzbischöfe des vakanten Bistums bei den Kurienkardinälen keinen zustimmenden Widerhall gefunden. So lange wie möglich – so kommentierte Gasparri den Artikel im Anschluss an De Lai – müsse man sich diesem Zusatz widersetzen: „Obwohl der Heilige Stuhl es tatsächlich gewöhnt ist, in der Besetzung der Diözesen die Ordinarien zu hören, ist es wünschenswert, diese Fessel gegenüber der Regierung zu vermeiden.“169 Letztlich müsse man die Entscheidung darüber jedoch der Klugheit des Nuntius überlassen, dem der Kardinalstaatssekretär am 19. August den römischen Entwurf zur weiteren Redaktion gemäß den beigefügten Instruktionen und zur anschließenden Vorlage bei der Regierung übersandte.170