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Die Debatte über den ersten römischen Konkordatsentwurf: Kritik an der politischen Klausel

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Zurück zu den unmittelbaren Konkordatsverhandlungen: Bevor Pacelli dem Kultusminister den römischen Konkordatsentwurf vorlegte, den ihm Gasparri am 19. August zugesandt hatte, und den Pacelli zunächst redigierte und ins Deutsche übersetzte, ließ er die Freisinger Bischofskonferenz am 6. September darüber debattieren.186 Diese äußerte sich nicht dazu, dass ihrem Wunsch, ein Anhörungsrecht der Provinzbischöfe des vakanten Bistums im Konkordat zu verankern, nicht entsprochen worden war. Die Oberhirten monierten jedoch die Wendung „Bedenken politischer Art“, die einen „missliebigen Klang“187 habe, wenngleich zumindest erheblich einschränkender sei als die bisherige Formel „irgendwelche Bedenken“. Als Alternative schlugen sie „Bedenken in staatsbürgerlicher Hinsicht“188 vor. Angesichts der vorangegangenen Instruktion Gasparris zu diesem Thema, änderte Pacelli natürlich nichts an der alten und für ihn geklärten Wortwahl.189 Damit lautete Pacellis Übersetzung des Artikels 14 § 1 des römischen Konkordatsentwurfs: „Die Ernennung der Erzbischöfe und Bischöfe steht dem Heiligen Stuhle zu. Er wird sich vor der Veröffentlichung der Bulle in offiziöser Weise versichern, ob gegen den Kandidaten etwa Bedenken politischer Art bestehen.“190 Am 27. September unterbreitete Pacelli sowohl Kultusminister Matt als auch Ministerpräsident Lerchenfeld die gedruckte Schrift.191

Vier Wochen später begab sich der Nuntius ins Kultusministerium, um mit Matt über den römischen Entwurf zu debattieren, den dieser in der Zwischenzeit studiert hatte. Laut Pacellis Berichterstattung erfuhren insbesondere die finanziellen Verpflichtungen des Staates gegenüber der Kirche Widerspruch, wobei der Kultusminister auch eine grundsätzliche Kritik vorbrachte, nämlich

„dass, während der Staat eine lange Liste von vielfältigen Verpflichtungen übernehmen muss, die Zugeständnisse des Heiligen Stuhls hingegen ziemlich begrenzt erscheinen; mit anderen Worten, dass, während die Lasten des alten Konkordats fortdauernd auf dem Staat liegen, ihm dennoch fast alle entsprechenden Rechte entzogen werden, die vormals dem bayerischen König zuerkannt wurden.“192

Für ein solches Konkordatsprojekt die Zustimmung des Landtags zu erreichen, werde sich – so Matt – als äußerst schwierig erweisen. Pacelli führte gegenüber Gasparri an, dass die Erzbischöfe Faulhaber und Hauck dieselbe Auffassung ihm gegenüber geäußert hätten, trotz aller Genugtuung über die im Entwurf der Kirche verbürgten Freiheiten. Auch sie würden weitergehende Konzessionen für nötig halten, wenn die Verhandlungen nicht „Schiffbruch erleiden“193 sollten.

Einer der Punkte, bei denen Matt Veränderungen – beziehungsweise aus staatlicher Sicht „Verbesserungen“ – wünschte, betraf den Artikel über die Bestellung der Bischöfe, hatte aber überraschender Weise nicht den grundsätzlichen Modus zum Gegenstand: Vielmehr ging es dem Kultusminister um die politische Klausel, da die Wendung „vor der Veröffentlichung der Bulle“ bei ihm die Befürchtung nährte, die Mitteilung des vom Heiligen Stuhl designierten Bischofskandidaten werde erst im letzten Moment an die Regierung ergehen, sodass dieser vielleicht keine Zeit mehr blieb, eventuelle Einwände geltend zu machen. Daher schlug Pacelli dem Kardinalstaatssekretär vor, die genannte Formel mit der Wendung „vor der Ernennung“194 zu substituieren, die er offensichtlich für geeignet hielt, die Bedenken des Kultusministers zu zerstreuen. Mit seiner eher geringfügigen Anmerkung schien Matt das Wahlrecht der Domkapitel relativ kampflos aufzugeben. Das wird auch deutlich, wenn man sich einen zweiten Änderungswunsch anschaut, den Pacelli an Gasparri weitergab: „[Dr. Matt bemerkte,] dass es ziemlich wünschenswert wäre, wenn wenigstens hinsichtlich der Präsentation der Benefizien irgendein Zugeständnis an die Regierung gemacht würde.“195 Laut römischem Entwurf sollte die Besetzung der Benefizien gemäß CIC erfolgen und damit gänzlich ohne staatliche Einmischung, anders als im Konkordat von 1817, das ein umfassendes Präsentationsrecht des Königs kannte.196 Wenn also schon nicht bei der Bischofseinsetzung, dann sollte zumindest bei der Besetzung der übrigen Kirchenämter für die staatliche Seite ein Verhandlungserfolg zu verbuchen sein. Hier war nach Pacellis Ansicht durchaus die Möglichkeit gegeben, auf die Regierung zuzugehen.197

Gasparri diskutierte die Änderung der politischen Klausel mit Pius XI. Über die Formulierung, die aus dieser Beratung hervorging, informierte er Pacelli Mitte November: „Die Ernennung der Erzbischöfe und Bischöfe steht dem Heiligen Stuhle zu. Derselbe wird vor der Publikation der Bulle in offiziöser Weise mit der Bayerischen Regierung in Verbindung treten, um sich zu versichern, dass gegen den Kandidaten Schwierigkeiten politischer Natur nicht obwalten.“198 Die Wendung „vor der Publikation (Veröffentlichung) der Bulle“ war geblieben, dafür aber die „Bayerische Regierung“ als Adressat eingefügt worden, bei dem sich der Heilige Stuhl über das politische Nihil obstat vergewissern musste. War jedoch damit das eigentliche Problem, das Matt mit der bisherigen Formel hatte und letztlich in der schlichten Sorge um eine ausreichende Zeit für Einwendungen bestand, behoben? Gasparri hielt es nicht für notwendig, diese Angelegenheit im Konkordatstext genauer zu verankern: Es verstehe sich doch von selbst – erklärte er gegenüber Pacelli –, dass der Regierung genügend Zeit gelassen werde, um Informationen über den von Rom ins Auge gefassten Kandidaten einzuholen und sich dann über diesen zu äußern.

Eugenio Pacelli im Spiegel der Bischofseinsetzungen in Deutschland von 1919 bis 1939

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