Читать книгу Eugenio Pacelli im Spiegel der Bischofseinsetzungen in Deutschland von 1919 bis 1939 - Raphael Hülsbömer - Страница 9
Konsequenzen aus der Weimarer Reichsverfassung?
ОглавлениеBereits am nächsten Tag, kurz bevor die WRV mit dem für die Kirche wichtigen Artikel 137 über die Autonomie der kirchlichen Ämterbesetzung in Kraft trat,22 legte Pacelli dem Münchener Erzbischof die Frage vor, ob durch die neue Verfassung die Angelegenheit der staatlichen Mitwirkung – wie er selbst in seinem Bericht im April gefolgert hatte – erledigt sei.23 Faulhaber verneinte diese Auffassung: „Da durch das Konkordat für Bayern eine besondere, vom Reich unabhängige Grundlage des Verhältnisses von Kirche und Staat geschaffen wurde, kann durch die reichsgesetzliche Bestimmung von Weimar die kirchenpolitische Rechtslage in Bayern nicht ohne Weiteres geändert werden.“24 Weil der Zustand der vielen vakanten Pfarreien ohne gravierenden Schaden für Seelsorge und klerikale Disziplin nicht mehr länger bestehen könne, bat der Erzbischof um die römische Vollmacht, mit der Regierung die Angelegenheit endlich klären zu können. Pacelli kommunizierte diesen Hilferuf an Gasparri weiter und fügte hinzu, dass Hoffmann – wie Faulhaber dem Nuntius mitgeteilt hatte – nicht ohne Weiteres bereit sei, die neuen Kirchenbestimmungen der WRV in Bayern umzusetzen, weil er vom Fortbestand des kompletten Konkordats ausgehe.25 Der Kardinalstaatssekretär stellte sich jedoch quer: Die Bischöfe sollten provisorisch Pfarrverweser einstellen, weil die Präsentation von Pfarrern durch den Staat einem künftigen Konkordat vorgreife.26
Neue Verhandlungen über die Staat und Kirche betreffende Materie wurden also immer dringlicher. Ministerpräsident Hoffmann hingegen war an einer grundlegenden Neuerung nicht interessiert.27 Dieser sei – wie Pacelli noch im August dem Kardinalstaatssekretär berichtete – über die am 11. des Monats verabschiedete Reichsverfassung sehr unzufrieden, weil sie der Kirche gegenüber eine zu wohlwollende Haltung einnehme.28 Demgegenüber wolle Hoffmann den staatlichen Einfluss auf die kirchliche Ämterbesetzung konservieren und plane, sobald als möglich mit ihm in Verbindung zu treten, um Konkordatsverhandlungen einzuleiten. Wie sollte Pacelli sich ihm gegenüber verhalten? „Es wäre leicht, ihm zu antworten, jede Frage sei von der genannten Verfassung schon gelöst, die der Kirche die freie Ernennung [sc. der Ämter, R.H.] überlässt und den Staat zur Zahlung verpflichtet; aber es scheint heikel, von Seiten des Heiligen Stuhls zuerst das Konkordat zu brechen.“29 Allerdings könne man anmerken, dass die staatliche Seite den Vertrag schon verletzt habe30 und dass wenigstens das Recht der Bischofsnomination ein eigentliches Recht des bayerischen Königs und seiner katholischen Nachfolger gewesen sei und daher nicht auf die neue Staatsregierung übergehe.
Gasparri gab dem Nuntius am 23. August grünes Licht, mit Hoffmann über die kirchliche Materie zu konferieren, sollte letzterer ausdrücklich darum bitten.31 Zur Vorbereitung Pacellis auf das Gespräch übersandte Gasparri ein Gutachten über die Fortgeltungsfrage des Konkordats, das ein Konsultor der AES, Benedetto Ojetti SJ, auf Geheiß Gasparris angefertigt hatte.32 Den Namen des Autors freilich hielt der Kardinalstaatssekretär vor dem Nuntius geheim.