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Die Weltbevölkerung: Wachstum und Konzentration

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Die UN prognostiziert ein Wachstum der Weltbevölkerung von aktuell 7,2 Milliarden um fast eine Milliarde in den nächsten zwölf Jahren. Bis 2050 wird ein weiterer Anstieg auf 9,6 Milliarden erwartet, mit den höchsten Wachstumszahlen in Entwicklungsländern, vor allem in Afrika. Damit wird die Einwohnerzahl in Entwicklungsländern von aktuell 5,9 Milliarden auf 8,2 Milliarden steigen, während sie sich in den Industrienationen bei etwa 1,3 Milliarden stabilisiert.8 Danach ist global ein Rückgang zu erwarten ■ 1.6.


1.6 Entwicklung der Weltbevölkerung.9

Die daraus resultierenden Fragen haben schon malthusianische Dimension, gerade wenn man bedenkt, dass das Wachstum sich vor allem auf die 49 am wenigsten entwickelten Länder konzentrieren wird, deren Einwohnerzahl sich laut UN-Prognose von aktuell 900 Millionen Einwohnern bis 2050 verdoppeln soll.10 Reichen die Ressourcen für diese große Zahl? Wie lassen sich Zugangs- und Verteilungsfragen lösen? Wie viele Erden bräuchten wir, um den derzeitigen Ansprüchen zu genügen? Fragen dieser Art wurden u.a. durch Werke wie „Die Bevölkerungsbombe“ (1971; orig. The Population Bomb, 1968) des US-Biologen Paul Ehrlich befeuert. Mit seinen Warnungen vor unkontrollierbaren Hungersnöten mahnt er politische Entscheidungsträger, ein weiteres Wachstum der Weltbevölkerung zu verhindern. Dem standen die Aussagen des US-Wirtschaftswissenschaftlers Julian Simon gegenüber. Er geht davon aus, dass die Grenzen von Wachstum und Rohstoffen durch den technischen Fortschritt nahezu beliebig erweitert werden können. Nach Simons Ausführungen steigert das Bevölkerungswachstum nicht nur den Lebensstandard, sondern auch die Umweltqualität, da es infolge der wachsenden Bevölkerung zu einem Mehr an guten Ideen und Innovationen kommt. Aus der größeren Nachfrage, sowohl nach Gütern als auch nach einer gesunden Umwelt folgt laut Simon ein größerer Anreiz, die Welt zu erhalten. Angefacht durch einen Artikel Simons, der 1980 in der renommierten Zeitschrift Science erschien, kulminierten diese gegensätzlichen Meinungen in einem kontrovers geführten Diskurs.11 Der Rückgang des Rohstoffverbrauchs in den nachfolgenden Jahrzehnten schien die fortschrittsgläubige These von Simon zunächst zu bestätigen. Darauf folgte jedoch ein neuerlicher Anstieg.

Nicht nur die Entwicklung der Bevölkerung, auch deren Verteilung offenbart große Gegensätze: Rückzug aus den unwirtlichen Regionen des kalten Nordens und aus den Höhenregionen, beispielsweise der Alpen; Konzentration an den Küsten, der Trend zu Megastädten, bei gleichzeitigem Abzug aus der Peripherie; dicht besiedelte Länder wie Bangladesch, daneben nahezu bevölkerungsfreie Gebiete.12 Dies impliziert räumliche Spannungen, die sich in Form von Migrationsströmen äußern.13 Zu- und Abwanderungen spielen eine zunehmend wichtigere Rolle. Und damit die Frage, wie wir damit umzugehen vermögen: Ausgrenzung oder Integration, Abweisung oder Stimulation ■ 1.7.


1.7 Verteilung der Weltbevölkerung im Jahr 2015.14

Immer stärker in den Fokus rücken die weltweiten Flüchtlingsströme; dazu neue Grenzen und Ausgrenzungen wie an den Rändern der „Festung Europa“,15 zwischen den USA und Mexiko oder Palästina und Israel – aber auch das Verschwinden alter Demarkationslinien wie dem „Eisernen Vorgang“ oder den innereuropäischen Grenzen im Schengenraum. Das sind einige der globalen „Mega-Trends“. Sie lassen sich weiter differenzieren in eine „Abgrenzung nach innen“, der zunehmenden Segregation innerhalb von Gesellschaften. Letztere findet ihren Ausdruck u.a. in den gated communities, den abgeschlossenen, häufig bewachten Wohnkomplexen der bessergestellten Bevölkerungsgruppen.

Auch unklare Grenzverläufe stehen nach wie vor auf der Agenda der politischen Probleme, so beim Streit im Chinesischen Meer zwischen Japan und China, in der Arktis oder im Nahen Osten, um nur einige Beispiele zu nennen ■ 1.8.16


1.8 Links: Grenzzaun zwischen USA und Mexiko bei Calexico. Das kostbare Nass bleibt diesseits des Zauns auf der US-amerikanischen Seite, der neue Metallzaun soll die unliebsamen illegalen Immigranten auf der anderen Seite lassen. ■ Rechts: Der ehemalige „Eiserne Vorhang“ hat seinen finalen Schrecken verloren und ist zum „Grünen Band“ mutiert.

Zu den perspektivischen Themen zählen auch Geschlechterproporz und Alterszusammensetzung: Wachsende Gesellschaften mit größtenteils junger Bevölkerung in den aufbegehrenden Staaten Nordafrikas stehen im krassen Gegensatz zu den schrumpfenden der westlichen Industrienationen, in denen Überalterung eine große Rolle spielt. Auch in asiatischen Staaten wird dieses Phänomen zum Thema.17 Wie können hier die Sozialsysteme aufrechterhalten werden, wenn nicht mehr die Bevölkerungspyramide, sondern die reduzierte Urne ihr Abbild ist? Welche Einstellungen werden sich gleichzeitig in den heute noch wachsenden Nationen durchsetzen? Sollten es westliche Werte sein, dann ist vermutlich eine Dämpfung der Bevölkerungsentwicklung zu erwarten. Sicherlich werden dabei wieder nicht nur die Zahl und Verteilung den globalen Takt bestimmen, sondern primär die Lebensstile und Wertvorstellungen ■ 1.9.


1.9 Waterfront Development – Wohnen am Wasser ist ein vergleichsweise neuer globaler Trend. Die oft zwielichtigen Schmuddel-Ecken in Hafen- und Gewerbegebieten wurden in architektonisch akzentuierte Trendmeilen transformiert, die sich nur einer besser betuchten Klientel erschließen. Hier Beispiele aus Barcelona (links) und ■ Köln (rechts).

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