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2.Rohstoffsicherung und Bodenschutz (Nachhaltigkeitsklausel)
Оглавление13Die Sicherung der Rohstoffversorgung war als politisches Ziel beim Erlass des BBergG von besonderer Aktualität und ist es heute immer noch. Denn die Abhängigkeit hochindustrialisierter Volkswirtschaften bei der Energie- und Rohstoffversorgung war durch aktuelle Ereignisse wie die Ölkrisen nachdrücklich verdeutlicht worden und hatte in staatlichen Vorkehrungen zur Versorgungssicherheit, insb bei Erdöl und Erdgas, ihren Ausdruck gefunden (Zydek, 32). Ein Ausfluss dieser Maßnahmen war auch die erstmalige Vereinheitlichung des Bergrechts auf Bundesebene. Mit dem Gebot der Rohstoffsicherung in § 1 Nr. 1 ist eine Auslegungsdirektive, gefunden als Bewertungsgrundlage und Begründung für die generelle gesetzgeberische Entscheidung (Westermann, Freiheit, 30; ähnlich Kühne, ZfB 121 (1980), 58 ff.: Bewertungsmaßstab für die Wahl des Systems und seiner tragenden Institutionen; laut Westermann, a. a. O., stehen dem konkrete öffentliche Interessen als Entscheidungsgrundlagen für einzelne Normen gegenüber).
13aDie Zweckvorschrift des § 1 erwartet vom BBergG und seinen Anwendern an erster Stelle die Sicherung der deutschen Rohstoffversorgung (Knöchel, FS Kühne, 599, 600 ff.; Boldt/Weller (2016), § 1 Rn 2). Erwartet wird vom Gesetz, dass eine „optimale Nutzung der heimischen Ressourcen“ erreicht wird (BT-Drs 8/1315, 74). Der Zweck des Gesetzes würde also missverstanden und überfrachtet, würde man ihm die Wendung geben, dass ihm eine völkerrechtlich-internationale Komponente beigemischt wird (so wohl Frenz, UPR 2017, 174, 175: „Die Vorhaltung von Rohstoffvorkommen für künftige Generationen kann nur mit Blick auf die weltweiten Vorräte sachgerecht betrachtet werden“). Der vom Gesetzgeber vorgesehene Zweck der Sicherung der Rohstoffversorgung in Deutschland würde mit dieser weltweiten Betrachtung, für die verlässliche Daten fehlen und die die Rohstoffversorgung den Zufällen politischer Unsicherheiten überlässt, deutlich geschwächt oder sogar verfehlt.
13bDurch das BBergG sollen das Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten von Bodenschätzen, d. h. alle bergbaulichen Tätigkeiten, geordnet und gefördert werden. Der Begriff „Ordnen“ dürfte in erster Linie gegenwartsbezogen sein: Er verbindet die Rohstoffversorgung mit der Rechtsordnung, schottet den Bergbau nicht ab, sondern plaziert ihn mit seinen speziellen Besonderheiten in die gesamtstaatliche Ordnung. Dabei geht es in § 1 Abs. Nr. 1 zunächst nur um eine programmatische Zielorientierung, ohne schon die Ordnung im Einzelnen inhaltlich festzulegen. Insb ökologische, soziale und ökonomische Gesichtspunkte werden hier noch nicht vorgegeben, aber auch nicht ausgeschlossen. Sie bleiben den weiteren Bestimmungen des Gesetzes vorbehalten. Dagegen dürfte der Begriff „Fördern“ zukunftsbezogen sein (a. A. Frenz, UPR 2017, 174, 177: gegenwartsbezogen). Die Rohstoffversorgung soll nicht auf dem Status-quo verharren, sondern weiterentwickelt werden. Sie soll auch in Zukunft sichergestellt werden. Das BBergG soll auch nicht nur die Rohstoffförderung „ermöglichen“ (so wohl Frenz, DVBl 2016, 679), sondern fördern, d. h. langfristig positiv begleiten. Wegen der positiven unmittelbaren und mittelbaren Effekte der heimischen Rohstoffsicherung auf wirtschaftliche Entwicklungen, Arbeitsplätze, Außenhandel und Regionalentwicklung soll das BBergG vor allem als Wirtschaftsförderungsgesetz verstanden werden, allerdings ohne, dass wesentliche andere öffentliche Interessen, insb auch der Schutz der Umwelt, vernachlässigt werden.
14Eine konkrete Norm ist demgegenüber die sog. Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Absatz 1 Satz 2 (Stiens, Der bergrechtliche Betriebsplan, 97 ff. m. w. N.). Hiernach ist – bei Anwendung von Vorschriften, die andere Rechtsgüter oder öffentliche Interessen schützen – darauf zu achten, dass Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen so wenig wie möglich beeinträchtigt werden. Die gebotene Abwägung divergierender Interessen bei bergbaulichen Vorhaben zielt darauf ab, dem Bergbau die Möglichkeit eines gewissen Vorrangs mit der Begründung zu verschaffen (Boldt/Weller (2016), § 48 Rn 25 ff.), dass die Sicherheit der Energie- und Rohstoffversorgung ein von der jeweiligen Politik des Gemeinwesens unabhängiges „absolutes“ Gemeinschaftsgut darstellt (so BVerfGE 30, 292, BVerwG, ZfB 1998, 144 m.W.N.), wonach die Vorrangregelung nicht absolut ist. „Die Vorschrift will im gesamtwirtschaftlichen Interesse die heimische Rohstoffversorgung sicherstellen. Erst daraus begründet sich eine gesetzgeberische Bewertungsvorgabe.“ S. auch § 48 Rn 12 ff.).
15Das allgemeine Rohstoffsicherungsgebot ist nur realisierbar unter Beachtung der bergbaulichen Sachgesetzlichkeit Standortbindung. Dabei bleibt allerdings offen, ob dies die absolute Standortbindung der Lagerstätte oder auch die relative Standortbindung bergbaulicher Betriebsanlagen und -einrichtungen ist. Hierfür spricht, dass die bergbaulichen Haupttätigkeiten Aufsuchung und Gewinnung in untrennbarem Zusammenhang mit der Standortbindung an die Lagerstätte stehen (Westermann, Freiheit, 17). Das BBergG bestätigt dies auch in verschiedenen konkreten Rechtsnormen, wie z. B. den §§ 79, 107–109, 110 und 111.
16Um den mit der Dynamik der Betriebe verbundenen Substanzverzehr der Lagerstätten (Zydek, 49; Westermann, a. a. O.) in sinnvollen und planmäßigen Bahnen zu halten, begründet das BBergG ein besonderes, konkretes öffentliches Interesse an einem bundesweiten Lagerstättenschutz für alle vom BBergG erfassten Bodenschätze. Als konkrete Normbeispiele seien genannt: §§ 11 Nr. 9, 12 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 Nr. 4.
Dieser Lagerstättenschutz (vgl. dazu besonders Kühne, Rechtsfragen, 90 ff.) ist allerdings auf solche Vorhaben beschränkt, die ihrem Umfang nach genau bekannt sind, in der Landes- und Regionalplanung bereits Berücksichtigung gefunden haben und wenigstens zur Aufsuchung anstehen. Ein längerfristiger Lagerstättenschutz ist durch das BBergG nicht vorgesehen, auch nicht auf der Basis von Ergebnissen der Übersichtsprospektion nach § 4 Abs. 1 Satz 2. Das BBergG ordnet diese Aufgabe vielmehr der landes- und regionalpolitischen Raumordnung und Landesplanung zu, in NRW z. B. vorrangig den Landesentwicklungsplänen (zu den unterschiedlichen Planungsformen und -inhalten in den verschiedenen Bundesländern s. ausf. Schulte, Bodenschätzegewinnung, 276). S. hierzu auch den Anh. zu § 56 Rn 436 ff.
17Gleichberechtigt neben dem Lagerstättenschutz ist der schonende Umgang mit Grund und Boden (Gesetz zur Änderung des BBergG v. 12.2.1990 = BGBl I, 215) in die erste Leitklausel aufgenommen worden. Angestoßen wurde diese Erweiterung durch das Bodenschutzkonzept der BReg. (BT-Drs 10/2977) und den Katalog der „Maßnahmen zum Bodenschutz“ (BT-Drs 11/1625), die beide auf dem international-rechtlich begründeten Gedanken der Nachhaltigkeit der Entwicklung basieren. Ein vorläufiges Ende haben die politischen Aktivitäten mit dem BBodSchG (BBodSchG v. 1.3.1998, BGBl I, 502) gefunden, das am 1.3.1998 in Kraft getreten ist. Danach gilt für das Verhältnis von Bergrecht und Bodenschutzrecht künftig folgender Grundsatz:
18Nach § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG ist das gegenseitige Verhältnis so geregelt, dass das BBodSchG auf schädliche Bodenveränderungen und Altlasten nur Anwendung findet, soweit Vorschriften des BBergG und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen RechtsVO über die Errichtung, Führung und Einstellung eines Betriebs Einwirkungen auf den Boden nicht regeln. Danach gehen die Vorschriften des BBergG für bergbauliche Betriebe denen des BBodSchG grundsätzlich vor. S. im Einzelnen den Anh. zu § 56 Rn 79 ff.
19Wichtig für die künftige Entwicklung des Bergrechts ist, dass aufgrund des jetzt zwischen Berg- und Bodenschutzrecht gefundenen Verhältnisses anerkannt ist, dass das Bergrecht dem Gedanken des „sustainable development“ bereits in dieser Leitklausel und in weiteren bergbauspezifischen Regelungen Rechnung trägt. Solche Konkretisierungen sind
– die Normen des Konzessionssystems (§§ 11 Nr. 3, 8; 12 Abs. 1 Nr. 4);
– die Verbote und Beschränkungen aussprechenden Vorschriften der Rohstoffsicherungsklausel in § 48 Abs. 1 Satz 1;
– die Regeln des Betriebsplans wie etwa §§ 55 Abs. 1 Nr. 3, 7, 9, Abs. 2 Nr. 2 sowie 48 Abs. 2 und schließlich
– möglicherweise § 79 für Begleitmaßnahmen bei der Grundabtretung zur Sicherung.