Читать книгу Untersuchungshaft - Reinhold Schlothauer - Страница 100
b) Kontakte zur Polizei
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Wie bereits dargelegt, gibt es drei unterschiedliche Adressaten der Verteidigungsaktivitäten: Polizei, Staatsanwaltschaft und schließlich Haftrichter. Während es für die Vorführungsverhandlung beim Haftrichter bestimmte Vorschriften gibt (§§ 115, 128, 136, 168c), haben Kontakte zur Polizei und Staatsanwaltschaft eher informellen Charakter. Der Verteidiger muss zunächst Kontakt zum Sachbearbeiter der Kripo aufnehmen, um zu versuchen, auf diese Weise Informationen über die gegen den Beschuldigten erhobenen Vorwürfe und die belastenden Beweismittel zu erlangen. Da die Kripo verpflichtet ist, den Beschuldigten darüber zu informieren, welche Tat ihm zur Last gelegt wird sowie ihm die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe mitzuteilen (§ 114a i.V.m. § 127 Abs. 4; §§ 163a Abs. 4, 136 Abs. 2), besteht diese Informationspflicht auch gegenüber dem Verteidiger, da der Verteidiger nach der StPO nicht schlechter gestellt ist und nicht etwa weniger Rechte hat als der Beschuldigte selbst.
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Aus § 114a i.V.m. § 127 Abs. 4[2] folgt auch die Pflicht der Polizei zur Offenlegung des belastenden Materials. Dazu zählen die Tatsachen, Beweisanzeichen etc., die den dringenden Tatverdacht und die Haftgründe betreffen. Sinn dieser Vorschriften ist es, dem Beschuldigten die Möglichkeit zur Entkräftung der Vorwürfe zu geben,[3] insbes. auch zur Beseitigung des dringenden Tatverdachts und der Haftgründe. Dies setzt voraus, dass er die Vorwürfe und die den dringenden Tatverdacht und die Haftgründe begründenden Tatsachen kennt.[4] Wenn aber der Beschuldigte nicht seines Rechts, sich durch eine Einlassung zu verteidigen und die Vorführung vor den Richter durch eine Aussage abzuwenden, beraubt werden soll, trifft die umfassende Unterrichtungspflicht auch den vernehmenden Polizeibeamten.
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Das Gespräch mit dem Sachbearbeiter der Kripo hat deswegen besondere Bedeutung, da in der Anfangsphase der vorläufigen Festnahme nur von diesem zuverlässige Informationen über den Sach- und Rechtsstand zu bekommen sind. Der Verteidiger sollte in dem Gespräch mit der Kripo neben dem Hinweis auf § 114a i.V.m. § 127 Abs. 4 stets hervorheben, dass eine sachgerechte Verteidigung und auch Beratung über eine Aussage nur dann möglich sind, wenn der Verteidiger selbst ausreichend Informationen besitzt. In den meisten Fällen erklären sich inzwischen die Sachbearbeiter bereit, dem Verteidiger die notwendigen Informationen zu geben. Auf der anderen Seite muss der Verteidiger beachten, dass die Informationen vom Beschuldigten selbst meist fehlerhaft und unvollständig sind, da er etwa infolge der Aufregung oder wegen fehlender Rechtskenntnisse die Mitteilungen nicht richtig verstanden hat. In Fällen, in denen sich die Kripo weigert, den Verteidiger über die entsprechenden Sachverhalte zu unterrichten, weil etwa noch kein Verteidigungsverhältnis begründet ist und der Beschuldigte den Verteidiger lediglich kontaktiert hat, um ihn zu beauftragen, muss der Verteidiger zunächst ein Gespräch mit dem Beschuldigten führen, sich Vollmacht erteilen lassen und diese sodann der Kripo vorlegen. In diesem Fall empfiehlt es sich, nach Vorlage der Vollmacht bei der Kripo nochmals zu versuchen, dort Auskünfte zu erlangen und sodann ein erneutes ausführliches Gespräch mit dem Beschuldigten auf dieser Basis zu führen. Verweigern die Ermittlungsbeamten die Informationen oder sind diese aus Sicht des Verteidigers unzureichend, ist mit der Staatsanwaltschaft Kontakt aufzunehmen mit dem Ziel, dass diese die Polizei zur Auskunftserteilung veranlasst. Nur auf der Grundlage verlässlicher Informationen ist ein sinnvolles Gespräch mit dem Beschuldigten über die weitere Vorgehensweise möglich. Die Gespräche mit der Kripo sollten immer verbunden sein mit der Frage über das weitere Vorgehen der Polizei, ob also die Polizei eine Vorführung vor den Haftrichter beabsichtigt oder aber die Chance besteht, ohne Vorführung die Aufhebung der vorläufigen Festnahme zu erreichen. In Fällen unsicherer Beweislage und in Fällen kleinerer oder mittlerer Kriminalität sollte der Verteidiger stets versuchen, mit dem Sachbearbeiter der Kripo die Voraussetzungen des Haftbefehls zu erörtern, also Zweifel am dringenden Tatverdacht, dem Vorliegen der Haftgründe oder der Verhältnismäßigkeit zu wecken. Oftmals hilft bereits der Nachweis eines festen Wohnsitzes. Grundsätzlich empfiehlt sich ein doppelgleisiges Vorgehen, also sowohl der Angriff gegen den dringenden Tatverdacht als auch gegen das Vorliegen der Haftgründe. Die Diskussion über den dringenden Tatverdacht eröffnet zusätzlich die Möglichkeit, noch mehr Informationen über die Beweismittel und deren Zuverlässigkeit zu erhalten. Ob der Verteidiger ein solches Gespräch mit dem Ziel der Aufhebung der vorläufigen Festnahme mit der Polizei führt bzw. ein Gespräch überhaupt für sinnvoll hält, hängt vom Einzelfall und der Einschätzung des Verteidigers ab.
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Ist absehbar, dass die Polizei die Akten an die Staatsanwaltschaft mit der Anregung auf die Stellung eines Haftbefehlsantrags weiterleitet, sollte der Verteidiger den zuständigen Staatsanwalt kontaktieren und unter Hinweis auf § 147 Abs. 2 S. 2 Akteneinsicht beantragen. Die Staatsanwaltschaft kann dann die Ermittlungsbeamten anweisen, dem Verteidiger direkt Akteneinsicht zu gewähren.