Читать книгу Verteidigung im Revisionsverfahren - Reinhold Schlothauer - Страница 115
I. Rechtsgrundlagen
Оглавление206
Dem Anspruch des Angeklagten auf Verhandlung vor „seinem“ gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) ist nur dann Genüge getan, wenn eine generell/abstrakte rechtssatzmäßige Regelung vorhanden ist, die nicht nur festlegt, welches Gericht als organisatorische Einheit, sondern auch welcher Spruchkörper dieses Gerichts tätig werden muss und welcher Richter im Einzelfall zur Entscheidung berufen ist.[68] Nur durch eine solche Vorherbestimmung wird verhindert, dass durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl des zur Entscheidung berufenen Spruchkörpers bzw. des erkennenden Richters das Ergebnis der Entscheidung – gleichgültig von welcher Seite – beeinflusst werden kann.[69] Nur so kann das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden.[70]
207
Auf der Ebene der Bestimmung des zuständigen Spruchkörpers und der zur Entscheidung berufenen Richter erfolgt die den Anspruch auf den gesetzlichen Richter realisierende Regelung durch den vor dem Beginn eines Geschäftsjahres zu erstellenden gerichtlichen Geschäftsverteilungsplan (§ 21e GVG). Dieser muss im Voraus und so genau und eindeutig wie möglich regeln, wie die Geschäfte auf die Abteilungen bzw. Spruchkörper des jeweiligen Gerichts zu verteilen sind. Dabei muss sich die Zuteilung nach allgemein abstrakten Merkmalen richten.[71] Dieser Maßstab gilt auch für jede Änderung des Geschäftsverteilungsplans während des Geschäftsjahres, die ferner nur aus den in § 21e Abs. 3 GVG bezeichneten Gründen zulässig ist.[72] Ist sie sachlich veranlasst, darf sie auch bereits anhängige Verfahren erfassen.[73]
208
Die Gesetzmäßigkeit der Aufstellung und Abänderung des Geschäftsverteilungsplanes, seines Inhalts sowie seiner Umsetzung im Einzelfall unterliegen der Überprüfung durch das Revisionsgericht.[74] Fehler begründen den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 1 StPO. Im Falle einer Änderung des Geschäftsverteilungsplans gilt dies nicht nur, wenn diese in der Sache nicht vertretbar oder sonst ermessensfehlerhaft gewesen ist.[75]
209
Die zur Begründung erforderliche Verfahrensrüge ist nach erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht bzw. dem Oberlandesgericht allerdings nur zulässig, wenn eine der Voraussetzungen des § 338 Nr. 1a-d StPO vorliegt.[76] Praeter legem hält der BGH die Verfahrensrüge entspr. § 338 Nr. 1 StPO in Verbindung mit § 222b StPO dann für präkludiert, wenn der Einwand der Verletzung des § 76 Abs. 2 GVG nicht geltend gemacht wurde, auch wenn das Gericht die Besetzung nicht oder nicht rechtzeitig mitgeteilt hat und letzterenfalls ein Antrag auf Unterbrechung der Hauptverhandlung zu Unrecht abgelehnt wurde.[77] Der Rügeausschluss gilt jedoch nicht für Mängel, die erst entstanden oder objektiv erkennbar geworden sind, nachdem sie nicht mehr beanstandet werden konnten.[78]
210
Die Verfahrensrüge der Verhandlung vor einem nach dem Geschäftsverteilungsplan unzuständigen Spruchkörper erfordert bei erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht oder dem Oberlandesgericht neben der Mitteilung der Tatsachen, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit ergibt, einen Vortrag, der ausschließt, dass die Rüge präkludiert ist.