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II. Anforderungen an den Vortrag der Rüge der Verletzung der §§ 22, 23, 31 StPO (§ 338 Nr. 2 StPO)

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1. Der Richter bzw. Schöffe, der nach Auffassung des Beschwerdeführers kraft Gesetzes ausgeschlossen war, ist namentlich zu bezeichnen[2]. Ferner ist darzulegen, dass dieser am Urteil mitgewirkt hat.[3]

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2. Es müssen die den Ausschlussgrund begründenden Tatsachen vollständig mitgeteilt werden:

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a) § 22 Nr. 1 StPO Der Richter/Schöffe muss in irgendeinem Punkt durch die (prozessuale) Tat, die Gegenstand der zugelassenen Anklage ist, verletzt sein. Nach h.M. ist Verletzter nur der unmittelbar von der Tat betroffene Richter.[4] § 22 Nr. 1 StPO ist aber auch auf mittelbar Verletzte anzuwenden, jedenfalls wenn sie gem. § 403 StPO Adhäsionskläger werden könnten.[5] Auf jeden Fall bedarf es einer ausführlichen Darlegung aller für die Verletzteneigenschaft maßgeblichen Anknüpfungstatsachen.[6] Ob der Angeklagte wegen der betreffenden Straftat noch zur Rechenschaft gezogen werden kann (z.B. Verjährung), ist unerheblich.[7] Auch bei einer Verfahrensbeschränkung (§ 154a StPO), einer teilweisen Einstellung des Verfahrens nach § 154 StPO oder der Abtrennung der die Verletzteneigenschaft begründenden Sache behält der Ausschluss für das abgeurteilte Verfahren seine Gültigkeit.[8]

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b) § 22 Nr. 2 StPO Das Verhältnis zwischen dem am Urteil mitwirkenden Richter und dem verletzten Angehörigen i.S.d. § 22 Nr. 2 StPO muss ebenso wie der Umstand dargelegt werden, dass der Angehörige durch die prozessuale Tat, die Gegenstand der zugelassenen Anklage ist, verletzt wurde.[9] Ebenso ist das Angehörigenverhältnis zwischen dem Richter und dem Beschuldigten darzulegen. Der Revisionsgrund kann auch geltend gemacht werden, wenn an dem Urteil ein Richter mitgewirkt hat, der zu einem Mitangeklagten bzw. zu einem wegen derselben Tat ehemals Mitbeschuldigten in einem Angehörigenverhältnis i.S.d. § 22 Nr. 2 StPO steht bzw. stand. Auch diese Umstände sind detailliert darzulegen.

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c) § 22 Nr. 3 StPO Die Ausführungen zu Rn. 349 gelten sinngemäß für die in § 22 Nr. 3 StPO benannten Angehörigenverhältnisse.

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d) § 22 Nr. 4 StPO Der am Urteil mitwirkende Richter muss als Beamter der Staatsanwaltschaft, als Polizeibeamter, als Anwalt des Verletzten oder als Verteidiger in der Sache tätig gewesen sein. Der Begriff der Sache ist umfassender als der der Tat im prozessualen Sinn.[10] Er umfasst nicht nur das historische Ereignis, das Gegenstand der zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage ist, sondern bei mehreren selbstständigen Taten i.S.d. § 264 StPO die Einheit der Hauptverhandlung.[11] Nicht erforderlich ist auch, dass sich das Verfahren zu dem Zeitpunkt, als der Richter in der vorbezeichneten Eigenschaft tätig wurde, gegen den jetzigen Beschwerdeführer gerichtet hat.[12] Der Ausschlussgrund liegt auch dann vor, wenn der Richter seinerzeit als Staatsanwalt in einem abgetrennten, aber denselben Sachverhalt betreffenden Verfahren Anklage gegen Mitbeschuldigte erhoben hat.[13] Eine Tätigkeit i.S.d. § 22 Nr. 4 StPO ist bereits eine Sachstandsanfrage des seinerzeitigen Staatsanwalts bei der Kriminalpolizei,[14] die Akteneinsichtsgewährung an einen anwaltlichen Verletztenbeistand oder die Einräumung einer Stellungnahmefrist.[15] Vorgetragen werden sollte neben der Art der Tätigkeit auch der Stand der seinerzeitigen Ermittlungen.[16] Die Sachidentität und die Tätigkeit müssen deshalb im Rahmen der Revisionsbegründung detailliert vorgetragen werden.

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e) § 22 Nr. 5 StPO Der am Urteil mitwirkende Richter muss in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger vernommen worden sein.[17] Zum Begriff der Sache kann zunächst auf die Ausführungen zu Rn. 351 verwiesen werden. Soweit es dasselbe Tatgeschehen betrifft, reicht die Vernehmung des Richters als Zeuge in einem anderen Verfahren aus.[18] Die Tatsache, dass eine Tat, bzgl. derer der Richter als Zeuge oder Sachverständiger vernommen worden ist, nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, ändert am Vorliegen des Ausschlussgrundes nichts.[19] Es bedarf in einem solchen Fall einer besonders ausführlichen Darlegung, dass Vernehmungsgegenstand dieselbe Sache war. Ob der vernommene Richter etwas zur Sache bekunden konnte oder nicht, ist unerheblich. Ebenfalls, ob die Aussage in einer förmlichen Vernehmungsniederschrift oder nur in einem Vermerk festgehalten worden ist. Als Zeugenaussage i.S.d. § 22 Nr. 5 StPO ist auch eine schriftliche Erklärung gegenüber den Strafverfolgungsbehörden zu qualifizieren.[20]

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Dienstliche Erklärungen des Richters im Rahmen der anhängigen Hauptverhandlung stellen allerdings nur dann eine Zeugenaussage i.S.d. § 22 Nr. 5 StPO dar, wenn sie zum Gegenstand der Beweiswürdigung zur Schuld- oder Straffrage gemacht werden und die persönliche Vernehmung des Richters ersetzen.[21] In diesen Fällen kommt ferner die Rüge der Verletzung der §§ 250, 261 StPO[22] in Betracht, die in entspr. Fällen zusätzlich erhoben werden sollte, allerdings nur einen nach § 337 StPO zu rügenden (relativen) Verfahrensfehler darstellt.[23] Der Inhalt der Vernehmungsniederschrift, schriftlichen Zeugenerklärung oder dienstlichen Erklärung sind im Wortlaut mitzuteilen.

Sonstige dienstliche Erklärungen, die sich lediglich zu prozessual erheblichen Vorgängen und Zuständen verhalten[24] oder Wahrnehmungen enthalten, die die laufende Hauptverhandlung betreffen,[25] begründen demgegenüber den Ausschlussgrund des § 22 Nr. 5 StPO nicht.[26]

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Ein in der Hauptverhandlung gehörter Zeuge oder Sachverständiger ist auch dann „in der Sache“ vernommen, wenn die Aussage nicht den Kernbereich von Schuld und Strafe betrifft. Der Begriff der „Sache“ umfasst alle richterlichen Entscheidungen, die im Verlauf einer Hauptverhandlung zu treffen sind und sich auf die abschließende Entscheidung auswirken können, bspw. die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch gegen erkennende Richter.[27]

Teil II Ausgewählte Verfahrensrügen (einschließlich Verfahrensvoraussetzungen und -hindernissen)Kapitel 4 Mitwirkung ausgeschlossener oder wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnter Richter/Schöffen › Rüge 16 Befangene Richter/Schöffen

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