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Das Vierte

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Auf der Freiluftterrasse der deutschen Film- und Fernsehakademie, der dffb am Potsdamer Platz, ganz oben, sitzt man zwischen Himmel und Erde bestens aufgehoben. Der Berliner Himmel blinkt gerastert durch die geschwungenen Verstrebungen des Glaszeltdaches, sechs Stockwerke weiter unten belastet schwarz-weiss parkettierter Marmor den kreisrunden Fussboden. Dazwischen ist Bauraum für die Videowelt: Geschäftsräume von Sony-Film, das deutsche Filmmuseum und das Filmarchiv, mehrere Kinos, Presseagenturen, die Filmhochschule und die Büros der Berlinale.

Und wenn man Glück hat, entdeckt man, den Blick aufwärts gerichtet, die Putzequipe, welche sich aussen ans steile Dach gehängt hat und, durch Kletterseile miteinander vernetzt, mit nachgehakelten Wassereimern sich langsam der Zeltspitze aus Kunstglas nähert. Sie wird sie vor Arbeitsschluss um siebzehn Uhr sicherlich erreichen.


Doch fällt, der natürlichen Trägheit folgend, der Blick von hier oben leichter abwärts in die Tiefe. Hinunter in das Menschengewimmel, deren ameisenkleinen Einzelwesen ihre rätselhaft vorbestimmten Wege um das Mittelbassin ziehen, das von Seitenfontänen im Sparbetrieb müde und vollkommen unhörbar beplätschert wird.


Um fünfzehn Uhr sitzen an diesem exklusiven Ort vor ihren Capuccinos der Leiter der dffb Otto Ledermann und die französische Regisseurin Isabelle Montclaire auf zwei Alustapelstühlen. Das hölzerne Tischchen zwischen ihnen war vom Innenarchitekten einem Gartenmobiliarkatalog entnommen und in luftige Höhen hinauf beordert worden. Das Glasdach hat die Luft aufgeheizt und Herr Ledermann schwitzt. Der Pool im Erdgeschoss ist weit entfernt, die Empfindung einer nassen Erfrischung hochgradig virtuell. Zudem fehlt es an farbigen Sonnenschirmen, Blumenbeeten und, was Ledermann betrifft, an einem Grillstand. Madame Montclaire hingegen ist Vegetarierin und an sie richtet Herr Ledermann nun das Wort.

«Nicht nur für die dffb ist es wichtig, dass Sie hier sind, Madame. Es ist auch wichtig für die Berlinale und für den deutschen Film insgesamt. Für mich sind Sie d i e Perle des europäischen Autorenfilms. Gut, einige meiner Kollegen behaupten, es gäbe den guten europäischen Autorenfilm nicht mehr. Aber das ist ihre Theorie, die mich nicht interessiert, denn solange es in der Praxis heisst: Ein Film von Isabelle Montclaire oder Otto Ledermann, solange haben die Filme erkennbare Autoren und Urheber, und

dementsprechend gibt es auch Autorenfilme, Ende der Diskussion. Sie sehen das doch auch so?» - «Cher Monsieur Ledermann, Sie werden verstehen, dass ich nicht kann sehen, warum Sie mit mir sprechen wollen. Naturellement wir können sprechen über die Idee von Autor, der seine seelische und mentale Ebene reflektiert in die Film und über sein sozial Bedeutung, und über die Macht von Traumdroge Hollywood, über alles, was Sie wollen, nur ich muss vorher wissen, warum wir sitzen hier.»

«Sie haben völlig recht, Madame. Zuerst wollte ich einfach zum Ausdruck bringen, dass die Berliner Filmhochschule es sehr schätzt, Sie zu ihren Dozenten zählen zu dürfen.» - «Mais c‘est assez claire, Sie wollten mich ja haben für die Kurse!» - «Und dann habe ich zum Ausdruck gebracht, dass diese Tatsache für die Filmlandschaft Deutschlands als solche wichtig ist. Ich hoffe, dass sich ein Weg finden lässt, wie Sie in den kommenden Jahren als Jurymitglied der Berlinale noch stärker als bisher in Berlin präsent sein können. Und, wenn es nach mir ginge, auch als Jurypräsidentin. Somit ist es sinnvoll, dass alles, worauf sich die Presse stürzen wird, mit ihrer Dozententätigkeit an der Berliner dffb in Verbindung gebracht werden kann. Dann erhalten sie gewissermassen einen Heimbonus. Nur sollten wir uns über die Zeitperspektive verabreden, die sie uns gewähren können, damit wir aufgrund einer konsolidierten Kontinuität unsere verschiedene Vorhaben in Ruhe umsetzen können.»

«Eh bon - ich verstehe gar nicht alles ganz klar, Monsieur Ledermann, vor allem nicht, welche Vorhaben Sie haben vor mit mir.» - «Keine Angst, nur solche, über die wir bereits gesprochen haben, das gewissermassen Selbstverständliche! Wir sind doch alle froh über die Plattformen, die uns angeboten werden und die es uns erlauben, unsere Botschaften bekannt zu machen.» - «Qu‘est-ce que ça veut dire? Was wollen sie genau? Welch Botschaften, nom de Dieu!» - «Da ich weiss, wie kompliziert Ihre Terminplanung ist, ....» - «Non, non, nicht kompliziert, nur so wie bei allen: Entweder schon besetzt oder noch leer oder man kann umlegen oder nicht.» - «Genau, also gut, lassen Sie uns auf das kommende Schuljahr blicken, im Februar nach der Berlinale - könnten Sie da? Drei oder besser vier Wochen wären ideal, Sie würden im Oberkurs für die Regieklasse wie auch im allgemeinen Einsteigerkurs auftreten.»

«Ich will nicht auftreten, ich will, comment dire, unterrichten ist nicht das richtige Wort, kommen in konkrete Kontakt, en anglais "to exchange" mit die Studenten. Sie haben sicher gehört, dass wir sind gestossen auf problèmes bei die Regieklasse, auf Widerstand. Résistance mit endlos Diskussion. Wir sollten abwarten die Resultate, bevor wir planen in die Zukunft, je pense.» - «Aber Madame, ich versichere Ihnen, das hat nichts zu bedeuten. Ich kenne meine Pappenheimer, die sind alle ganz harmlos, die benehmen sich bei neuen Professoren immer so. Ich weiss nicht genau, was sie sich dabei denken, es muss sich um einen altersbedingten, antiautoritären Reflex handeln. Wir waren in dieser Hinsicht früher um einiges schwieriger, vermute ich.

Auf jeden Fall wird es ihnen eines Tages wieder bewusst werden, das versichere ich Ihnen, dass nicht sie die Verantwortung für die Auswahl der Dozenten tragen und dass wir schlussendlich ihre Leistungen aufgrund der Arbeiten und Aufgaben, die ihnen von eben jenen Dozenten gestellt werden, beurteilen. Und ein Diplom wollen die alle, da können Sie darauf wetten. Es gibt sogar einige unter ihnen, die wollen nichts anderes als das. Was ein Problem ist, weil es viel zu wenig ist. Aber, kommt Zeit, kommt Rat. Das kriegen wir in den Griff, da bin ich mir sicher. Auf jeden Fall darf dies nicht Ihre Sorge sein. Jetzt ist erst einmal wichtig: Könnten Sie im Februar?»

Montclaire greift nach ihrer Agenda, die sie in ihrer grossen Lederhandtasche verwahrt. Da klingelt ihr Handy, das neben der Agenda liegt. «Oui, hallo?» - «Madame Montclaire? C‘est Blinker, Horst Blinker, vous souvenez vous?» - «Mais oui, naturellement. Aber wir können gut auch in Deutsch sprechen. Das ist sicher einfacher für Sie. Also, was Sie wünschen, Monsieur?» - «Perfekt, also hören Sie. Ich möchte Sie bitten, für mich ein Casting durchzuführen. Es handelt sich um eine Geschichte, die zum Teil in Südfrankreich spielt, weshalb ich sofort an Sie gedacht habe. Das Drehbuch ist im Entstehen begriffen. Sie haben doch eine Ilena Halbeisen in der Regieklasse der dffb? Ja? Ihr Vater Hieronymus Halbeisen schreibt das Drehbuch. Falls Sie ihn sehen sollten, so sagen Sie ihm bitte . . .»

«Mais Horst, wenn es noch nicht gibt die Buch, so kann ich doch nicht gut machen le Postbote, ç‘est impossible! Je m'en vais justement dans le Sud de la France. In die Ferien. Rufen Sie mich doch im Herbst wieder an.» - «Das Drehbuch wird nach einem Bericht eines englischen Arztes geschrieben. Absolut spannend. Besser als jeder Krimi. Sie bekommen es von mir schon mal als Ferienlektüre an Ihre Adresse in den Pyrenäen zugesandt. Couiza stimmt doch noch immer, ja?» - «Oui, wenn Sie unbedingt wollen.» «Ich will auf jeden Fall, und im Herbst sehen wir weiter.» Und schon hatte Blinker aufgehängt.

Madame Montclaire hatte sich in der Nähe des aalglatten Otto Ledermann zunehmend unwohl gefühlt. Und nun noch dieser Blinker, was hatte sein Telefonanruf eigentlich zu bedeuten? - Bereits am ersten Tag hatte sie Ilena Halbeisen, die Studentin in der Regieklasse, bemerkt. Dies nicht nur ihres eigenartigen Namens wegen, die Übersetzung lautete vermutlich Mademoiselle Demifer, sondern aufgrund einer unbegründbaren, unmittelbaren Vertrautheit, die sich im Umgang mit ihr eingestellt hatte. Isabelle Montclaire war erfahren im Lesen von Erstbegegnungen und deshalb insgeheim gespannt darauf, was sich weiter mit Frau Halbeisen entwickeln würde, ohne dass sie sich dies hätte anmerken lassen. Aber wieso wurde sie gerade von diesem Blinker auf Ilena Halbeisen verwiesen? Führte er mit ihr etwas im Schilde?

Während Isabelle Montclaire ihren seelischen Beobachtungen nachsinnt, möchte ich sie in der Zwischenzeit dem Leser näher vorstellen. Ich kenne sie, seit sie geboren wurde und darüber hinaus. Die Schicksalsknoten ihres Lebensweges decken sich mit den Pulsationen meiner geistigen Aktivität und die Bilder, die sie in ihrer Seele bewegt, spiegeln sich im weissen Blut, das durch meine Schwingen rinnt:

«Isabelle Montclaire ist, wie sie selbst sagt, zum Film gekommen wie die Jungfrau zum Kind: Ein kurz vor den Schlussexamen abgebrochenes Medizinstudium in Paris, eine einwöchige Ferienvertretung als Garderobiere bei einer grossen Filmproduktion - Isabelle hatte dabei eine Freundin ersetzt, die unbedingt einige Tage mit ihrem neuen Liebhaber verbringen wollte - und dann auf dem Set ein Herzinfarkt des Regisseurs, den sie blitzschnell vollkommen richtig behandelte. Das war es eigentlich.

Der berühmte Eddie Rhôner, der bereits zuvor einen Infarkt erlitten hatte, vertraute seine Arzneimittel und die dazu gehörigen Spritzen und Kanülen seinem Regieassistenten an, der sich glücklicherweise daran erinnerte, dass ihm die Garderobiere ihre Krankheitsvertretung als Medizinerin vorgestellt hatte. Wenn Rhôner auf den später eintreffenden Arzt hätte warten müssen, wäre er in der Zwischenzeit gestorben. Das hat der Arzt später bestätigen müssen.

Nach diesem Vorfall ging es auf dem Set drunter und drüber. Alles drängte zur Eile, das Geld versickerte, der Regisseur lag im Spital. Dann ein Streit zwischen der Produktionsleitung und den Produzenten in der Frage, wie man weiter machen wolle. Montclaire war täglich im Spital und protokollierte minutiös den Zustand des Patienten. Rhôner war ihr unbeschreiblich dankbar, nachdem es klar war, dass er ihr das Leben verdankte. In den Stunden, wo sie an seinem Krankenbett weilte, weihte er sie allmählich in den Film ein und bemerkte an ihr die gleiche intelligente, zupackende Art, mit der sie sich mit den Problemen einer ins Stocken geratenen Filmproduktion beschäftigte, und die sie auch im Moment seines Infarktes an den Tag gelegt hatte. Und wenn er damals die Todesangst kennengelernt hatte, so war es die über ihn gebeugte Gestalt von Isabelle gewesen, die ihm das Quentchen Vertrauen eingeflösst hatte, das den Lebenswillen anfacht.

Wie konnte es sein, dass jemand, der nur einige Tage am Set war und das Script vermutlich gar nicht gelesen hatte, die Beziehungen zwischen den Filmcharakteren wie auch die ganz anderen zwischen den Schauspielern und den Produktionsverantwortlichen so gut kannte! Rhôner erschien es wie ein Wunder.

Um es kurz zu machen: Die ungewöhnlichste Lösung für die Fortführung des Films trat ein. Der Regisseur leitete über Isabelle Montclaire vom Krankenzimmer aus die Dreharbeiten weiter. Die beiden trafen sich täglich frühmorgens wie spätabends im Spital. Und es trat das ein, wofür der Regisseur bei den Produzenten seine Hand ins Feuer gelegt hatte und damit ein grosses Risiko eingegangen war: Isabelle Montclaire begegnete am Set keiner einzigen nennenswerten Schwierigkeit. Niemand fand einen Grund, sie zu kritisieren. Sie gab sich keine Blösse, kannte sich bald im Drehplan bestens aus, liess die Filmtechniker in Ruhe, besprach sich, während das Licht eingerichtet und die Kamera in Position gebracht wurde, vor den jeweiligen Aufnahmen in bescheidenem und ermunternd wohlwollendem Ton mit den Schauspielern, und wenn sie eine persönliche Auffassung der zu drehenden Szene verfolgte, so merkte es niemand, da ihre Anweisungen als von Eddie Rhôner übermittelt aufgefasst wurden. Das ging bis zum Schnitt so weiter. Rhôner konnte sich unbesorgt die Ruhe gönnen, deren er aus ärztlicher Sicht bedurfte. Denn er wusste, was er für sich behielt, dass sein Film durch die Mitwirkung von Montclaire keineswegs leiden würde. Ganz im Gegenteil.

Auf der anderen Seite hatte seine Erkrankung für Isabelle Montclaire auf wundersame Art die Möglichkeit einer neuen beruflichen Perspektive eröffnet. Aus ihrem Verhalten zum damaligen Zeitpunkt hätte er nicht ab-lesen können, ob sie in Zukunft davon Gebrauch machen würde. Sie brach-te ihren Job einer Filmregieassistentin mit demselben nüchternen Interesse zu Ende, mit dem sie sich einige Monate zuvor bei ihrer Freundin über die Anforderungen einer Filmgarderobiere kundig gemacht hatte.

Das war erst vor zehn Jahren gewesen, und seitdem hat sie bereits eine Reihe von Filmen gedreht. In Interviews vertritt sie gelegentlich die provokative Auffassung, dass die Herstellung von Filmen etwas vom Einfachsten auf der Welt sei. Doch ist ihr im Grunde genommen noch immer unklar, was sie mit der Filmherstellung eigentlich will. Zum einen muss es mit ihrer Leidenschaft zu tun haben, Menschen für ein gemeinsames Vorhaben zusammenzubringen. Und wenn sie in der Filmszene als ein Castinggenie gilt, so trifft auch dies nicht im üblichen Sinne zu. Sie blickt nicht nur auf die Gesichter derjenigen, die vor die Kamera zu stehen kommen, sondern auch auf diejenigen hinter ihr. Und darüber hinaus auf all die verschiedenen Assistenzen, auf die Komparsen bis zu den Mitarbeitern der Cateringfirma, welche die Verpflegung am Set besorgt. Sie interessiert sich für die Fahrer und die Maskenbildner, für die Kabelträger und den Dollyschieber bis zu den Freundinnen, die nach Drehschluss auf die Beleuchter und Tonangler warten. Wenn ein Stuntman benötigt wird, unterhält sie sich ungewöhnlich lang mit ihm, bis sie sicher ist, dass er der richtige ist. Und obwohl in ihren Filmen meistens viele Personen vor der Kamera agieren, hat sie es bisher abgelehnt, die Mappen von Schauspielagenturen durchzublättern oder sich die Promotionsvideos anzusehen, die ihr dutzendweise zugestellt werden.

Wonach sie vor Drehbeginn so lange sucht, bis sie es gefunden hat, ist die Sicherheit, dass es sich um die Geschichte eines Menschen handeln wird, der ihr vollkommen vertraut ist, auch wenn dieser Mensch in ihrem wirklichen Leben gar nicht vorkommt. Und wenn die Handlung mehrere Hauptpersonen miteinander verwebt, so bleibt der Film dennoch in einer einzigen Person als dem Nukleus des gesamten Films zentriert, wie sie es ausdrückt.

Eines Tages fasst sie dann den Entschluss, sich für einen Menschen zu entscheiden, den sie in jenes ideelle Zentrum einfügt und bringt dadurch die erdachte Figur mit einem wirklichen Menschen zur Deckung. Ist dieser Mensch ein Schauspieler, um so besser. Wenn nicht, so wird er es, indem sie ihn sachte an die Aufgabe heran führt, vor der Kamera Dinge zu tun und Sätze zu sprechen, bei denen er die Kamera vergessen soll. Wenn die erste Person besetzt ist, so ergibt sich der Rest von allein. Sie spricht mit ihrem "Nukleus" ganz im allgemeinen über alles mögliche, befragt ihn nach seinem Leben, nach seiner Herkunft, seinen Eltern, Kindern und Verwandten. Von seinem Lebenspartner hat sie sich gleich zu Beginn ein Bild gemacht. Sie fragt ihn, mit wem er oder sie sich vorstellen könnte, zusammen vor der Kamera zu stehen, doch, um keine Erwartungen zu wecken, immer nur so nebenher. Und aus dem gesamten Puzzle von Einzeldaten entstehen in ihrer Phantasie Bilder von Konstellationen eines virtuell erdachten und dennoch wirklichkeitsgesättigten Lebenslaufes.

Die Regiekollegen, mit denen sie meist nur äusserlichen Umgang pflegt, sind, wenn sie davon hören, stets überrascht, wer nicht alles schon in Montclaires Filmen aufgetreten ist. Nun, vielleicht hatten auch sie flüchtig die junge Dame an der Reception des bescheidenen Hotels, in dem Montclaire monatelang in Paris gewohnt hatte, wahrgenommen. Aber dass sie ihr in Montclaires neuestem Film als intrigante Sekretärin des Pariser Stadtpräfekten wiederbegegnen würden, hätten sie sich nicht träumen lassen. Und der Hotelbesitzer hatte sich tatsächlich bewegen lassen, den Präfekten selbst zu mimen! Montclaires geradezu schlafwandlerisches Vermögen, die richtigen Personen vor laufender Kamera zu versammeln, hatte sie berühmt gemacht. Deshalb wurde sie immer wieder angefragt, auch für andere Produktionen das Casting zu übernehmen. Und wenn sie dies zwar in den meisten Fällen ablehnte, so doch nicht in allen.

Sie selbst fühlte sich innerhalb der Filmbranche ebenso fremd, wie sie es während des Studiums unter den Medizinern gewesen war. Sie fand innerhalb eines Meeres voller Absichten, Beurteilungen und von langer Hand eingefädelter Strategien kaum mehr Luft zu unbeschwertem Sinnen. Der neidische Stumpfsinn, mit denen sich rivalisierende Kollegen und Kolleginnen mit lächelnder Gier begegneten, alle die berechnend gewundenen Wege, auf denen sie ihren eigenen Vorteil und denjenigen ihrer Interessensgruppierung im Auge behielten! All diese Ledermänner, sie hatte es fast nur mit solchen zu tun! Das Ganze war ihr zunehmend ein Gräuel, was sie sich jedoch nur selten unumwunden eingestand.

HIERONYMUS

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