Читать книгу Der rote Brunnen - Rita Renate Schönig - Страница 10
Sonntag / 23:57 Uhr
ОглавлениеMichael Heinze war auf dem Rückweg von einer Feier mit seinen Freunden in Frankfurt und fuhr in Richtung Mainkai, als er im Radio von dem Unfall hörte.
Ein Radfahrer war von einer Straßenbahn erwischt worden, weshalb die Polizei einen Teilabschnitt der Straße sperrte, und bat die Unfallstelle zu umfahren.
Das galt nicht für ihn. So schnell es der Verkehr zuließ, fuhr er zum Unfallort und schob sich durch die schaulustige Menschenmenge nach vorne. Der Schwerverletzte wurde gerade vom Rettungsdienst behandelt und Minuten später in den Krankenwagen geschoben. Michael Heinze hatte eine schöne Großaufnahme vom Opfer und etliche Aufnahmen vom Unfallort. Das Video würde ihm etliche Follower bringen und damit seine Finanzen aufstocken.
Nun saß er an seinem Computer und bearbeitete die Aufnahmen, als ein Schrei ihn aufhorchen ließ. Vielleicht hatte ein Pärchen wieder ein bisschen Spaß. Kam in der engen Gasse am „Roten Brunnen“ öfter vor.
Er schnappte sich seine Kamera und rannte durch die offene Terrassentür. Auch dieses Video wäre fürs Internet bestens geeignet. Es gab so viele Perverse, die sich solche Bilder gerne anschauten und auch noch dafür bezahlten.
Natürlich würde er die Gesichter derer, die sich in der nur von wenigen Häusern einzusehenden Gasse amüsierten, wie immer, verpixeln. Er wollte ja niemandem schaden oder gar denunzieren.
Er suchte sich sein Ziel. Es befanden sich tatsächlich Personen am „Roten Brunnen“. Aber irgendwie stimmte da etwas nicht. Er zoomte näher ran, filmte und stand wie gelähmt. Ein wegfahrender Wagen befreite ihn aus seiner Starre. Er spurtete an seinen Rechner.
Das Video hatte er schnell hochgeladen und sah sich das Ganze noch einmal an. Er vergrößerte die Aufnahmen, bis sie den gesamten Bildschirm einnahmen. Eine der zwei Personen, die in Minutenabständen um die blutende und scheinbar leblose Frau herumschlichen, erschien ihm bekannt.
Er holte das Letzte an Kontrast aus der Aufnahme heraus.
„Das kann doch nicht sein“, murmelte er dann vor sich hin. „Das ist doch der Typ aus der Nachbarschaft.“
Hatte er gerade einen Mord gefilmt … und den oder die Täter gleich mit dazu?
Dieses Video – in Teilabschnitten auf YouTube präsentiert – würde ihm mehrere Hundert, wenn nicht sogar Tausende Follower sichern. Die Geldquelle würde sprudeln. Aber erst, wenn er den Typ selbst zur Rede gestellt hatte.
Trotz der Gräueltat, die gerade quasi vor seiner Haustür passiert war, grinste er.