Читать книгу Der rote Brunnen - Rita Renate Schönig - Страница 16
Montag / 11:50 Uhr
Оглавление„Ich weiß nicht so recht, was ich von ihm halten soll“, sagte Lars, kaum wieder auf der Straße. Aus den Augenwinkeln nahm er eine Bewegung hinter der Gardine im Nachbarhaus wahr.
„Geht mir genauso“, antwortete Harald. „Hier links um die Ecke. Der Weg müsste direkt zum Tatort hinführen.“
Durch die Gasse – ein Stück lang auch mit Stufen versehen – erreichten sie den „Roten Brunnen“.
Spuren eines Gewaltverbrechens waren nicht mehr zu erkennen, wofür die Kriminalisten dankbar waren. Die Kollegen hatten nach Beendigung ihrer Arbeit, den Tatort sofort gründlich reinigen lassen und den Ort somit wieder für die Öffentlichkeit freigegeben.
Das Besichtigen diente auch lediglich ihrer eigenen lokalen Vorstellung. Diese Vorgehensweise hatte Harald von Nicole übernommen. Fotos und Videos des Tatortes, die von der Kriminaltechnik erstellt worden waren, konnten sie später im Präsidium ansehen.
Lars schaute, den Kopf in den Nacken gelegt, zu den angrenzenden Häusern, rundum. „Sag mal. Könnte die Dachterrasse zur Wohnung der Leistners gehören?“
Haralds Augen folgten Lars‘ erhobenem Arm.
„Gut möglich.“
„Von dort aus hat man nicht nur einen schönen Blick über die Dächer der Stadt“, wiederholte Lars seine vorherigen Gedanken, „sondern auch direkt in diese Gasse und auf diesen Brunnen.“
Harald verstand, was sein Kollege damit andeuten wollte. „Nur, war Herr Leistner nicht zu Hause; wenn du darauf hinauswillst.“
„Was es noch zu überprüfen gilt. Ich meine, ob er wirklich noch nicht zu Hause gewesen ist“, setzte Lars dagegen und Harald nickte.
„…und wir habe gestern Nachmittag noch da auf der Bank gesesse; mit der Nicole und dem Andy“, hörten die Beamten eine bekannte Stimme.
Gleich darauf sahen sie Helene und Herbert, sowie das Ehepaar Roth auf sich zukommen.
„Was wollt ihr jetzt hier?“, fragte Harald, in dem Tonfall, dem Nicole sich in einer solchen Situation immer bediente.
„Ich könnt‘ meine, die Nicole steht vor mir“, entgegnete Herbert auch prompt. „Wir wolle nur grad was esse gehe.“
„Hm.“ Harald hatte das Gefühl, dass ihm gerade etwas verschwiegen werden sollte. Und ja – jetzt ging er mit Nicole konform. Das Hobby-Soko-Team steckte wieder ihre Nasen dort hinein, wo sie nichts verloren hatten. Auf seiner Stirn zeigten sich Falten des Misstrauens.
„Da führt euer Weg ausgerechnet am Tatort vorbei?“
„Hätte wir gewusst, dass ihr euch hier rumtreibt, wärn wir die andere Gass hochgegange“, entgegnete Herbert und grinste.
„Der arme Herr Leistner“, äußerte Bettina Roth.
Harald wurde hellhörig. „Woher wissen Sie …? Kennen Sie das Ehepaar Leistner näher?“
„Wie man sich halt so kennt, in unserem Städtchen“, erwiderte Ferdinand, bevor seine Frau antworten konnte. „Und, so ein schrecklicher Mord spricht sich natürlich schnell herum.“
„Na dann wollen wir mal“, sagte Helene und hakte sich bei Herbert unter.
„Guten Appetit“, brummte Harald und schaute dem Quartett nach.
„Wenn Nicole erfährt, dass die am Tatort aufgetaucht sind ...“
„Jetzt mach dich mal wieder locker, Großer. Der Tatort ist kein Tatort mehr, wie du siehst. Außerdem – wenn du es ihr nicht sagst – ich kann den Mund halten.“
Lars‘ schaute auf die Uhr. „Oh, schon kurz nach zwölf. Ich könnte auch eine Kleinigkeit vertragen.“
Harald lachte. Abgesehen vom Geräusch, das der Magen seines Kollegen immer dann verursachte, wenn der nur das Wort „Essen“ hörte, ahnte Harald dessen anderweitige Beweggründe.
Am Marktplatz hatten die Kriminalbeamten das Quartett eingeholt.
„… die Gundel schon erfahren hat“, hörten sie Helene gerade sagen.
„Wohin geht ihr?“, fragte Lars, dicht hinter Herbert. „Und was hat die Gundel schon erfahren?“
„Herrgott nochmal.“ Herbert zuckte zusammen und drehte sich halb um. „Verfolgt ihr uns? Oder warum schleicht ihr euch so an?“
„Schlechtes Gewissen?“ Harald schmunzelte.
„Wieso sollte wir ein schlechtes Gewissen habe, wenn wir essen gehe?“, konterte Herbert und strich über seinen leichten Bauchansatz. „Noch ist alles im grünen Bereich.“
„Ich sehe es euch an der Nasenspitze an, dass ihr uns ausfragen wollt“ entgegnete Helene. „Aber, genau wie ihr, stehen wir noch am Anfang.“
„Helenchen.“ Herbert schwenkte den Zeigefinger. „Des war jetzt net so ganz schlau, wenn net kontraproduktiv.“
„Glaubst du denn, die wissen nicht, dass wir bereits Informationen sammeln?“, entgegnete sie lachend.
„Sagen wir mal – wir haben es befürchtet“, gab Harald zu. „Es ist ja nicht so, dass wir euer Engagement nicht zu schätzen wissen; zumal uns eure Hinweise schon öfter weitergebracht haben. Wir wollen nur …“
„Ach. Endlich gebt ihr zu, dass ihr ohne uns net recht weiterkommt“, triumphierte Herbert.
„So war das eigentlich nicht gemeint“, entgegnete Harald. „Ich meinte nur, dass ihr vorsichtig sein sollt. Immerhin läuft hier ein Mörder herum.“
„Was du nicht sagst.“ Herbert grinste frech. „Um uns braucht ihr euch keine Sorge zu mache. Wir wisse uns zu wehr ‘n, gell Helene?“
Dem konnten die Beamten nur zustimmen. Letztes Jahr wurde Helene in einer heimatlichen Tageszeitung sogar als „Superwoman“ betitelt, weil sie einen Kidnapper auf dem Parkplatz vor dem Krankenhaus an der Flucht hindern konnte.
„Trotzdem, Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“, deklamierte Harald den volkstümlichen Sinnspruch.
„Wir versprechen hoch und heilig, keine unnötige Gefahr einzugehen“, antwortete Helene. Automatisch ging ihre Hand in ihre Jackentasche, in der sie das Pfefferspray parat hatte. Dass sie das nur gegen angreifende Tiere, nicht aber gegen Personen, einsetzen durfte, war ihr bekannt; weshalb sie das nicht unbedingt an die große Glocke hängen wollte.
„Weiß man denn schon, wann die arme Frau ermordet wurde“, erkundigte sich Herbert, wobei er weiterhin auf das Pflaster unter seinen Füßen blickte.
„Weiß man“, bestätigte Harald und Lars sagte: „Vermutlich zwischen Mitternacht und 1 Uhr früh. Aber, das habt ihr nicht von uns.“
Herbert machte eine unverwechselbare Geste, indem er mit Zeigefinger und Daumen über seine Lippen fuhr.