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1 Nur ein neuer Tanzpartner?

Einige Wochen später ist Vilca keinen Schritt weitergekommen. Die Sache mit diesem Amerikaner lässt sie nicht los. Sie stand ein paar Mal kurz davor, ihn anzusprechen. Jedes Mal kam etwas dazwischen.

Einmal hatte sie sogar absichtlich ihre Tasche neben ihm vergessen. Anstelle es zu bemerken und sie zu ihr bringen, blieb er einfach sitzen und spielte weiter mit seinen virtuellen Daten. Noch immer fragt sie sich, was er da treibt.

Zu seiner Ehrenrettung muss sie zugeben, dass er nicht viel Zeit hatte, zu reagieren. Miriam hatte die alleinstehende Tasche kurz darauf bemerkt und ihr gebracht. Als Folge ihres frustrierten Blicks hatte ihr Miriam Hilfe angeboten. Sie hatte dankend abgelehnt.

Mittlerweile erwägt sie ernsthaft, das Angebot ihrer Freundin in Anspruch zu nehmen. Wo ist sie überhaupt? Und diesen Sam hat sie heute auch noch nicht gesehen. Donnerstags sollte er eigentlich hier sein. Schlecht gelaunt verbringt sie fast den ganzen Tag an der Uni. Später lässt sich dann von einem selbstfahrenden Elektrotaxi zu ihrer Tanzschule fahren.

Dort wartet eine Überraschung auf sie. Ihre Laune bessert sich schlagartig, als ihr die Tanzlehrerin Samuel Lee vorstellt.

Das Arrangement sieht vor, dass die Schule einen Tanzpartner für Vilca stellt. Alle Versuche, einen dauerhaften Tanzpartner zu finden, sind bisher gescheitert. Trotz des Überangebots an Jungs um sie herum brachte bisher keiner die Disziplin auf, ihr professionelles Training über längere Zeit durchzuziehen. Dass die Tanzschule Sam engagierte, bedeutet, dass er wirklich gut sein muss. Das hofft sie zumindest.

»Was ist denn mit Miguel?«, fragt sie ihre Tanzlehrerin.

»Miguel hat sich heute Morgen krankgemeldet. Ich fürchte, es ist etwas Ernstes. Zum Glück bewarb sich vor ein paar Wochen Sam als Hospitant bei uns. Sonst hätten wir heute ein Problem gehabt, einen geeigneten Partner für dich zu finden.«

Ja, was für ein Glück, stimmt Vilca in Gedanken zu. Das verspricht eine aufregende Stunde zu werden.

»Das tut mir leid für ihn. Bitte richte ihm aus, dass ich ihm gute Besserung wünsche«.

Es tut ihr tatsächlich leid um Miguel, trotzdem kann sie ihre Vorfreude auf das Tanzen mit Sam kaum verhehlen. Ein Gefühl wie Schmetterlinge im Bauch breitet sich in ihr aus.

Auch Sam wundert sich über seine neue Tanzpartnerin. Als leidenschaftlicher Tänzer wollte er in Deutschland nicht aus der Übung kommen. Normalerweise hätte er das auch als eine gute Gelegenheit betrachtet, Mädchen kennenzulernen, aber im Moment steht ihm nicht der Sinn danach. Ihm geht es nur ums Tanzen.

Verdutzt stellt er fest, dass er das hübscheste Mädchen der Uni im Arm hält. Er kann kaum glauben, dass er ausgerechnet mit ihr seinem Lieblingssport nachgehen soll. Das Mädchen ist fast so groß wie er. Sam spürt sofort an der Körperspannung, wie ernst sie die Sache nimmt. Noch etwas fällt ihm auf: Ihren smaragdgrünen Augen scheint nicht die geringste Kleinigkeit zu entgehen.

»Naa, wie ist es, mal etwas anderes als virtuelle Objekte in den Händen zu halten?«, fragt sie ihn unerwartet.

Mit allem Möglichen hat er gerechnet aber nicht damit. Diese Ansage bringt Sam so aus dem Konzept, dass er seinen Einsatz verpasst.

Es stimmt. Er hat tatsächlich in letzter Zeit intensiv an der Weiterentwicklung seiner Gehirn-Computerschnittstelle für das Holovers gearbeitet. Praktisch jede freie Minute. Vilcas Worte öffnen ihm die Augen. Kein Wunder, dass er sich schwertut, Anschluss zu finden.

Bemerkenswert ist allerdings, dass es ihr aufgefallen war. Er schenkte der Sängerin kaum Beachtung. Sie zieht so viel Aufmerksamkeit auf sich, dass es auf einen mehr oder weniger sowieso nicht ankommt. Außerdem sah er sie nur als ein typisches It-Girl, das von einem halben Indianer aus dem staubigen Kalifornien sowieso nichts wissen will. Verschwendete er deshalb keinen weiteren Gedanken an sie?

Das fängt ja gut an, denkt Vilca. Sie kann sich eine Bemerkung über den verpatzten Einsatz nicht verkneifen. Übermütig lächelt sie ihn an.

»Ich sehe schon, ohne deine Augmented-Reality-Spielsachen fällt es dir schwer, dich zu konzentrieren. Oder lenk‘ ich dich zu sehr ab?«

Die ist ganz schön eingebildet, urteilt der Kalifornier.

»Entschuldigung«, ist alles, wozu Sam sich hinreißen lässt.

Vilca bereut sofort ihr provokantes Auftreten. Sams tiefe Stimme lässt sie innerlich vibrieren. Zu stolz, sich zu entschuldigen, schenkt sie ihm wenigstens ihr wärmstes Lächeln. Das verfehlt seine Wirkung nicht.

Sam ist nun konzentriert bei der Sache und leistet sich keinen weiteren Patzer. Vilca und Sam lernten Tanzen auf unterschiedlichen Kontinenten. Deshalb verfügen sie über ein unterschiedliches Repertoire an Figuren. Mit Hilfe von Vilcas Tanzlehrerin bekommen sie das schnell auf die Reihe. Das Mädchen ist von jeder neuen Figur begeistert. Sie lernt schnell. Einmal vortanzen reicht.

Sam verfügt über ein ausgeprägtes Gefühl für Rhythmus und Takt. Sein Vater sagte immer zu ihm, dass sei ein Erbe seiner indianischen Vorfahren. Vilca ist das erste Mädchen, das da mithalten kann.

Am Ende ihrer ersten Tanzstunde weiß Vilca bestens über seine persönlichen Verhältnisse und Vorlieben Bescheid. Sie weiß, dass er mit neun Jahren zu tanzen begonnen hatte, sein Vater von den Navajos abstammt, seine Mutter aus Freiburg kommt, er im siebten Semester studiert, und dass er Rocksongs und Balladen mag. Sein Lieblingsmusiker ist Joe Cocker. Seine Lieblingsfarbe ist Grün. Und sie brachte in Erfahrung gebracht, dass er sich mit seiner Freundin gestritten hatte, kurz bevor er nach Berlin kam.

Es wurmt sie allerdings, dass er nichts darüber erzählte, was er ständig in seiner virtuellen Blase treibt. Sie wüsste zu gerne, womit er sich so intensiv beschäftigt.

Sams Erkenntnisse fallen deutlich bescheidener aus. Immerhin fand er heraus, dass Vilcas Eltern die Firma AnimalCreations gehört, sie Biologie und Musik gleichzeitig studiert und dass er sie in Kürze wiedertreffen wird. Das Mädchen hatte sich mit einem »Bis Übermorgen, Sam« verabschiedet und verschwand so schnell wie ein scheues Reh, wenn ein Wolf auf der Lichtung aufkreuzt.

Der Student denkt noch eine Weile über seine neue Tanzpartnerin nach. Sie ist freundlich, unkompliziert und alles andere als eingebildet oder hochnäsig. Ein bisschen frech ist sie zwar, aber das kann man durchgehen lassen.

Obwohl er drei Jahre älter ist, kann das Energiebündel tanztechnisch mithalten. Lediglich bei den Standard-Tänzen ist er etwas besser. Die lateinamerikanischen liegen ihr im Blut. Die Tanzlehrerin sollte Recht behalten. Jeden zweiten Tag mit Vilca zu tanzen verspricht anstrengend zu werden. Trotzdem. Mit ihr über das Parkett zu schweben ist das reinste Vergnügen.

Evolution 5.0

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