Читать книгу Evolution 5.0 - Roy O'Finnigan - Страница 8
Оглавление1 Menetekel
2040:
»Pass auf, jetzt kommt ein Hammerschuss. Der ist unhaltbar.«
Luca hat keine Augen für den Ausblick über den Comer See. Für ihn ist er selbstverständlich. Voll auf den Ball konzentriert nimmt er Anlauf und drischt ihn Richtung Tor. Der Schuss ist einem Weltfußballer auf dem Höhepunkt seiner Karriere würdig. Francos Parade ebenso. Aus dem Stand hechtet er zum Ball und wehrt ihn zur Seite ab. Derart von der Bahn abgelenkt, sucht sich das Spielgerät als neues Ziel das Fenster des Gartenhäuschens. Klirrend durchbricht es die akustische Zielanzeige.
»Volltreffer«, jubelt Luca.
Franco teilt seinen Enthusiasmus nicht. Vorsorglich zieht er die Schultern ein und schaut sich ängstlich um, ob es jemand gesehen hat.
***
»Bist du verrückt geworden, ihm das Fußballspielen zu verbieten?«, schimpft Chiara. Sie stemmt die Hände in die Seiten und beugt den Oberkörper vor.
Giovanni muss sich zurückhalten. Wenn sie zornig ist, findet er seine Frau besonders reizend. Er genießt den Anblick. Trotzdem ist es nicht ratsam, sie lange zu provozieren.
»Wir haben keine Wahl. Das Risiko ist zu hoch«, verteidigt er sich.
»Das Risiko?« Chiara zieht die Augenbrauen hoch, was sie in seinen Augen noch attraktiver macht. »Ist das alles, woran du denkst? Oh, was bist du doch für ein Rabenvater. Einem neunjährigen Jungen das Fußballspielen verbieten. Es ist sein Leben. Sein ein und alles. Das kannst du ihm nicht wegnehmen!«
Chiara gestikuliert wild. Sie versprüht so viel Energie, dass die Luft zwischen ihnen knistert. Ihre Haare greifen diese Anregung gierig auf und nähren damit ihre Renitenz.
»Chiara, es liegt nicht an mir«, entgegnet er lauter werdend. Giovanni lässt sich von den Gefühlen seiner Frau mitreißen und liefert nun seinen Beitrag zu den emotionalen Energiefeldern zwischen ihnen. Die toskanische Essküche ist solche Auseinandersetzungen gewöhnt. Mit stoischer Ruhe ertragen die Töpfe und Pfannen an der Wand ein weiteres Wortgefecht der Tescos.
»Nicht an dir? Dass ich nicht lache. Wer hat es ihm verboten? Ich oder du?«
»Ich musste es tun«, schreit Giovanni es heraus. »Die Versicherung zwingt uns.«
»Nie ...« Chiara unterbricht die begonnene Antwort, als die Worte ihr Gehirn erreichen. Für einen Moment ist es still genug eine Nadel fallen zu hören. »Die Versicherung?«
Giovanni nickt und zieht einen sorgfältig gefalteten Ausdruck aus der Tasche. Chiara reißt ihn an sich. Ihre Augen scannen den Text. Sie braucht nur Sekunden, den Inhalt zu erfassen.
»Die haben die Prämie verdoppelt«, ruft sie empört. »Was denken die sich, wer sie sind? Ich werde sie verklagen. Wenn es sein muss bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.«
Giovanni seufzt. Er nimmt seine Frau in die Arme.
»Setz Dich doch.«
Die schüttelt den Kopf, dass die Locken fliegen.
»Chiara, das hat keinen Sinn. Du weißt doch, dass zigtausende solcher Klagen bereits gescheitert sind. Die Analyseprogramme, die die verwenden, sind angeblich unfehlbar. Wenn die einmal ein Risiko berechnet haben, dann kann kein Mensch mehr etwas dagegen tun.«
Die Italienerin ballt die Hände zu Fäusten. Das Papier zwischen den Fingern knistert. Ihre Knöchel treten weiß hervor, als versuche sie, die Tinte aus ihm herauszuquetschen.
»Das ist so unfair. So gnadenlos!« Der temperamentvollen Mutter stehen Tränen in den Augen. »Luca kann doch nichts dafür, dass seine Bänder und Sehnen empfindlicher sind als der Durchschnitt. Diese gottverdammten kack Genanalysen. Die müssen verboten werden.«
»Beruhige dich«, beschwichtigt Giovanni und drückt seine Frau fester. »Du hast recht. Wir müssen einen Weg finden, dass Luca weiter Fußball spielen kann.«
Chiara starrt auf das Schriftstück in ihrer Faust.
»Da steht, dass es Medikamente gibt, die die Widerstandsfähigkeit der Bänder und Sehnen erhöhen. Wenn er die nimmt, wird die Risikoeinstufung reduziert.«
»Das schon, aber die sind teuer. Wir können entweder die Medikamente bezahlen oder die höhere Prämie. Unter dem Strich macht es kaum einen Unterschied. Außerdem haben die Arzneimittel Nebenwirkungen«.
Die Schultern des Jungen auf der Treppe sacken herab, als er das hört. Seine Eltern können ihn nicht sehen. Vor Spannung hält er den Atem an.
»Wir werden das Geld auftreiben. Egal wie«, versichert seine Mutter.
»Das werden wir«, verspricht Giovanni. »Trotzdem wird er sein Fußballspiel einschränken müssen.«
Er verstand nicht alles, worüber seine Eltern sprachen. Er weiß auch nicht, wer oder was die Analyseprogramme sind. Nur eines weiß er sicher. Er hasst sie. Er ballt die Hände zu Fäusten und schleicht sich in sein Zimmer.