Читать книгу Evolution 5.0 - Roy O'Finnigan - Страница 15
Оглавление1 Selbsthilfe
Luca macht halt vor einer Wand. Sie ist blau und erstreckt sich von seinem Standpunkt aus nach links und rechts ins Unendliche. Direkt vor ihm prangt das Logo der Versicherung. Darunter sticht der Iris-Scanner wie ein Zyklopenauge hervor. Er zählt nicht mehr, wie oft er schon den Scanner austricksen wollte. Anfangs hasste er ihn. Mit der Zeit wurde er für ihn der Inbegriff von emotionsloser Bösartigkeit. Aber Gefühle helfen hier nicht weiter. Luca lernte, sie zu kontrollieren. Mittlerweile lässt er den Scanner unter dem gleichen Mangel an Gefühlen leiden.
Langsam verwandelt sich seine menschliche Gestalt in einen Serviceroboter. Er geht drei Schritte nach rechts, dreht sich wieder der Wand zu um und marschiert direkt in sie hinein.
Nachdem Luca sich den Zugang zum Cyberspace der Angestellten beschafft hatte, war es ihm gelungen herauszufinden, wie der Serviceroboter auszusehen hat. Trotzdem bedurfte es zahlreicher Versuche und Abwandlungen, bis er die genaue Konfiguration hinbekam. Heute gleitet er zum ersten Mal unbeanstandet durch die Wand, der Höhepunkt seiner besessenen Arbeit. Ein Hochgefühl breitet sich in ihm aus.
Luca muss blinzeln. Er ist überrascht von dem hellen Licht und der geschäftigen Betriebsamkeit im Holovers der Versicherung. Avatare laufen emsig umher, Datenpakete sausen durch die Luft und alle möglichen Dienste und Programme bieten sich an oder führen Aufträge aus.
Er weiß, was er will, hat aber nur eine ungefähre Vorstellung, wie er es erreichen kann. Schließlich war er noch nie hier. Dank seiner Recherchen verfügt er über genug Informationen, um sich zurechtzufinden. In seiner Umgebung sind dutzende Serviceroboter, die aussehen wie er. Deshalb beschließt er, vorerst diese Gestalt beizubehalten.
Luca macht sich auf zum Rechenzentrum. Dort angekommen wird er von zwei Sicherheitsdroiden aufgehalten. Die beiden sehen nicht nur einschüchternd aus, sondern sind eine ernstzunehmende Gefahr. Eine ihrer Aufgaben ist es, beim geringsten Zweifel möglichst viel Code von dem beanstandeten Programm sicherzustellen. Je mehr sie davon bekommen, umso einfacher ist es für die Versicherung, die Identität des Eindringlings festzustellen.
Luca zeigt seinen vorbereiteten Auftrag. Während der eine ihn sorgfältig überprüft, lässt ihn der Andere nicht aus den Augen. Unterdessen wagt Luca nicht die kleinste Bewegung. Schließlich geben sie ihr Okay und lassen ihn passieren.
Sein selbsterteilter Auftrag besteht darin, das Backup zu inspizieren. Das verschafft ihm einen Überblick über die Dateistruktur und Zeit, um mehr Informationen zu sammeln. Endlich findet er die gesuchte Datei. Er öffnet sie, nimmt eine kleine Änderung vor und speicherte sie wieder ab. Jetzt muss er nur noch das Original beschädigen, damit die Datei mit Hilfe des Backups vom automatischen Reparaturprogramm wiederhergestellt wird. Das ist ein unauffälliger Routinevorgang. Das Problem ist, an die Originaldatei heranzukommen. Dazu braucht er einen anderen Auftrag. Es würde dauern den zu generieren. Das stört ihn nicht. Luca hat auf diesem Trip genug Informationen gesammelt. Er kann jederzeit wiederkommen.
***
Lucas Vater kratzt sich am Kopf. Er sitzt am Küchentisch und beugt sich tief über das e-Papierdokument. Er weiß nicht, was er davon halten soll. Entweder ein schlechter Scherz oder ein Wunder. Um an Letzteres zu glauben, hat er schon zu viel erlebt.
Giovanni stemmt sich vom Stuhl hoch. In der Hand das Schriftstück, den Blick starr darauf gerichtet, wäre er beinahe in seinen Sohn hineingelaufen. Erst im letzten Moment zuckt er zurück. Luca steht vor ihm, lässig an den Türrahmen gelehnt. Seine Lippen deuten ein Lächeln an.
»Wie lange stehst du schon hier?«
»Wollte mir gerade ein Bier holen. Du warst so in das Dokument vertieft, dass ich dich nicht stören wollte.«
Giovanni betrachtet seinen Sohn. Er schaut ihm tief in die Augen. Wortlos übergibt er ihm das Schriftstück.
Luca runzelt die Stirn. Den Blick auf seinen Vater gerichtet.
»Was ist das?«, erkundigt er sich.
»Von der Versicherung«, murmelt Giovanni. »Lies es.«
Luca senkt den Blick auf das e-Papier. Er weiß, was drin steht. Trotzdem tut er überrascht.
»Mama«, ruft er mit einer Stimme, dass das ganze Haus erzittert. »Komm schnell. Die Versicherung hat uns geschrieben, dass sie alle sportlichen Einschränkungen für mich zurücknehmen. Und nicht nur das. Sie entschuldigen sich für das Versehen und zahlen die zu viel gezahlten Beiträge mit Zinsen zurück.«
Chiara kommt aus dem Wohnzimmer angeschossen. Mit offenen Augen starrt sie auf das Dokument, das ihr Luca hinhält. Dann stößt sie einen Freudenschrei aus und hüpft vor Aufregung auf und ab. Ihre Locken lassen sich davon anstecken und springen mit ihr um die Wette.
»Ich glaube nicht an Wunder. Nicht an solche«, murmelt Giovanni und schüttelt den Kopf.
»Ich schon«, widerspricht sein Sohn. Endlich haben sie ihren Fehler eingesehen. Endlich!«