Читать книгу Evolution 5.0 - Roy O'Finnigan - Страница 21
Оглавление1 Party
Die Auffahrt zum Anwesen der Tomačeks imponiert mit einem halbkreisförmigen Säulengang. Im Zentrum des Vorplatzes vergießt eine Nymphe Wasser in ein Marmorbecken. Ein livrierter Dienstbote weist Sam den Weg zum Eingangsportal. Belustigt zieht der Kalifornier eine Augenbraue hoch.
Die junge Dame, die den Eingangsbereich überstrahlt, sieht Sam an, als warte sie nur auf ihn. Sie legt sie den Kopf in den Nacken und schüttelt ihr Haar. Ihre Halskette und die Ohrringe versprühen Funken in seine Richtung.
Sie trägt ein knöchellanges Abendkleid in der Farbe ihrer Augen mit silbern leuchtenden Sternen und Monden. Vilcas Kleid gibt sich auf den ersten Blick bieder. Bei genauerem Hinsehen offenbart es Details, die ihre Figur raffiniert untermalen. Ihre Haare hat sie mit einer Schleife im Nacken gebunden. Von dort fallen die Locken ungezähmt bis zur Hüfte.
Nachdem die Tochter des Hauses Sam ihren Eltern vorstellte, mischen sie sich unter die Gäste. Der Gast ist beeindruckt. Es ist früher Abend und die Luft angenehm lau. Die Partygäste tummeln sich im Garten auf einer großen Rasenfläche, die von Blumenbeeten eingesäumt ist.
Für Sam, aufgewachsen auf einer Ranch, ist das nicht mehr als ein Vorgarten. Es gibt Themenbüffets. Texmex, italienisch und afrikanisch. Die humanoiden Service-Roboter der Cateringfirma bewegen sich elegant zwischen den Gästen.
Das Essen und die Cocktails an der Bar werden von Menschen zubereitet. Der Pizzabäcker erfüllt sämtliche Klischees. Das Ausbreiten des Pizzateigs per Luftwirbeltechnik beherrscht er perfekt. Am afrikanischen Büffet kochen ein Schimpanse und ein Orang Utan.
Menschliches Personal ist purer Luxus, doch die Tomačeks können sich das leisten. Die Leute vom Catering-Service dekorierten den Garten mit alten Lampions, Fackeln und Kerzen. Der letzte Schrei!
Der Geruch der Speisen mischt sich mit dem exotischen Duft brennender Kerzen und Fackeln. Auf der Terrasse spielt man eine Coverversion von Surf’n USA von den Beach Boys. Vilca und Sam unterhalten sich mit zwei Kunden, die vor kurzem bei AnimalCreations einen Archäopteryx bestellt hatte.
»Vilca, gestattest du, dass ich Sam für einen kurzen Moment entführe?«, fragt Marek seine Tochter im Vorbeigehen. Ohne eine Antwort abzuwarten, nimmt er ihn am Arm und geht mit ihrem Gast ein paar Schritte zur Seite. Missmutig sieht die Sängerin ihrer Abendbegleitung nach.
»Ich komme am besten gleich zur Sache, Sam«, sagt der Vater der Schönen. »Mir ist weitestgehend egal, welche Freunde meine Tochter sich aussucht. Ich habe nichts gegen dich, aber du sollst wissen, dass für uns Vilcas Karriere an erster Stelle steht. Deshalb werde ich nichts und niemandem gestatten, sie davon ablenken oder ihr die Zeit zu stehlen, die sie für ihre Ausbildung braucht. Du machst auf mich einen intelligenten Eindruck. Ich hoffe, wir verstehen uns«.
Sam ist überrascht, wie direkt Vilcas Vater zum Punkt kommt. Sein Ton ist sachlich, aber seine Mimik und Körperhaltung lassen keinen Zweifel an der Botschaft zu.
Sam bereitet das keine Probleme. Er leidet immer noch unter der Trennung von Sophie. Er kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, eine neue Beziehung einzugehen. Vilca ist für ihn nichts weiter als eine Tanzpartnerin. Naja, vielleicht ein bisschen mehr, gesteht er sich zu. Trotzdem, so angenehm ihm ihre Gesellschaft ist, er kann sich nicht daran erinnern, weitere Ambitionen angedeutet zu haben. Umso mehr überraschte es ihn, von Vilca als ihr Freund vorgestellt zu werden.
»Ich bin überzeugt davon, dass Vilca eine große Gesangskarriere bevorsteht, der ich auf keinem Fall im Weg stehen will. Ich tanze gerne mit ich. Ansonsten bin ich vollauf mit meinem Studium und einer revolutionären Gehirn-Computer Schnittstelle beschäftigt. Basiert auf einer Kombination von Biotechnologie und Nanorobotik.«
Gespannt beobachtet Sam Markes Reaktion.
Der Hausherr wechselt ein paar Worte mit Kunden und schickt sie zum Buffet mit dem Hinweis, dass die Straußensteaks von echten Tieren stammen.
»Es freut mich, dass wir uns verstehen«, antwortet Marek dem Freund seiner Tochter. »Was studierst du denn?«
»Computerwissenschaften«.
Marek lässt seinen Blick auf Sam ruhen. Dann legt er seinen Arm um dessen Schultern.
»Das mit dem Interface interessiert mich. Komm, erzähl mir mehr davon.«
***
Die Party läuft auf Hochtouren, aber Sam ist nirgendwo zu sehen. Seit der Entführung durch ihren Vater ist er verschwunden. Vilca langweilt sich und will tanzen. Allein dass sie ihn suchen muss, empfindet sie als demütigend. Noch nie ist sie einem Jungen nachgelaufen. Ihre Laune verschlechtert sich, je länger sie nach ihm fahndet.
Er sitzt abseits an einem Tisch mit ihrem Vater. Die beiden sind so ins Gespräch vertieft, dass sie ihr Kommen nicht bemerken. Was denkt der sich! Schließlich lud sie ihn ein, um nicht allein auf der Party zu sein. Aber er lässt sie sitzen und macht sich an ihren Vater heran.
Auch gut, denkt sie sich. Wenn er nichts von mir wissen will, kann er mir gestohlen bleiben. Entweder er ist tatsächlich in diese Cybertussi verknallt oder ich bin nicht sein Typ. Die zweite Möglichkeit zehrt an ihrem Selbstbewusstsein. Dann lieber Ersteres, hofft sie. Obwohl ...
Sie will sich gerade umdrehen und weggehen als Marek sie bemerkt und zu herwinkt. Die Sängerin zögert.
»Vilca, komm setz dich zu uns. Dein Freund hat mir von seinem Projekt erzählt. Hört sich interessant an. Eine leistungsfähige Gehirn-Computer-Schnittstelle ist überfällig. Mich würde interessieren, was meine Biologiestudierende Tochter dazu meint.«
Demonstrativ setzt sie sich auf Sams Schoß. Noch einmal wird er ihr nicht entwischen. Sie beschließt, ihn dafür büßen zu lassen, dass er ihr seine Lieblingsbeschäftigung so lange verheimlichte.
»Was soll ich dazu sagen? Er gibt sich größte Mühe, seine Arbeit vor mir geheim zu halten.«, antwortet sie mit einer Stimme, die Sam an das Rasseln einer Klapperschlange erinnert. Dazu fixiert sie ihn mit versteinertem Blick. Die Gedanken hinter Mareks Miene sind unergründlich.
»Sam, du kannst offen mit Vilca über deine Neuro-Nanobots sprechen. Sie studiert Biologie. Obwohl sie erst im vierten Semester ist, versteht sie mehr davon, als die meisten Doktoranden.«
Sam hätte sich am liebsten weggebeamt. Er dachte sich nichts dabei, Marek die Vorzüge seiner Idee in den höchsten Tönen zu loben. Vilca hatte er jedoch nie davon erzählt.
Er checkt, dass es um seine Fluchtmöglichkeiten schlecht steht. Er kann sich kaum bewegen, spürt, wie sie die Muskeln anspannt. Da braut sich etwas zusammen. Wie konnte er nur in die Klemme geraten? Er wollte doch nur seine Tanzkünste trainieren. Verliert er jetzt die Kontrolle?
Die Biologiestudentin fixiert seinen Blick, in ihr brodelt ein Vulkan. Immerhin bricht die personifizierte Naturkatastrophe auf Sams Schoß noch nicht aus. Fieberhaft sucht er nach einer Antwort, mit der er die Katastrophe verhindern kann. Weil ihm das wohl nicht gelingen wird, genießt er wenigstens den Duft ihres Parfums, solange es noch geht.
»Worüber wolltest du offen mit mir sprechen?«
»Ich äh ... Von meiner Idee mit Hilfe von Nanobots das Gehirn direkt mit der Cyberwelt zu verbinden. Ich habe dir noch nichts darüber erzählt, weil sie noch ewig weit von einer Realisierung weg ist. Ich, äh, wollte nicht als abgehobener Nerd dastehen, der von künftigen Welten fantasiert, die nicht realisierbar sind. Mein Brain-Field Modulator ist da wesentlich konkreter. Da habe ich schon Prototypen gebaut.«
Sie lässt sich Zeit für einen vorwurfsvollen Blick.
»So ist das also. Mir verheimlichst du deine neueste Erfindung, obwohl wir schon monatelang zusammen sind, und meinem Vater vertraust du deine größten Geheimnisse bei erstbester Gelegenheit an.«
Sam fehlen die Worte, um etwas zu sagen. Vilca stört sich nicht daran. Sie hätte ihm sowieso keine Chance gegeben.
»Egal«, fährt sie fort. »Wie sollen denn die Nanobots ins Gehirn kommen? Indem die Schädeldecke aufgeschnitten wird? Danke, aber nein danke. Mit mir nicht.«
Vilca zieht ein Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. Trotzdem bricht der Sturm nicht aus. Sam nimmt all seinen Mut zusammen. Wer weiß, wie viel Zeit ihm noch bleibt, sein Gesicht vor den Tomačeks zu bewahren.
»Aber das ist es ja gerade«, beeilt er sich die Diskussion auf eine sachliche Ebene zu bringen, »meine Lösung kommt ohne einen operativen Eingriff aus. Die Nanobots werden ins Blut gespritzt, wandern zum Gehirn und verbinden sich mit Neuronen. So können Signale mit einem Computer ausgetauscht werden, Basis für die Simulation von Empfindungen und Körperfunktionen.«
Vilca runzelt die Stirn.
»Das wird schwierig. Dazu müssten sie die Blut-Gehirn-Schranke überwinden.«
»Ja schon«, entgegnet Sam. »Aber es gibt ein paar Viren und Bakterien, die diese Schranke überwinden können. Wenn es gelingt, die Nanobots so zu tarnen, dass sie wie ein solches Bakterium aussehen, können sie die Blut-Gehirn-Schranke durchdringen. Weil sie dafür entsprechend klein sein müssen ist der Name Nanobot durchaus zutreffend.«
»Hmm«, brummt die Biologiestudentin und stützt ihr Kinn auf den Zeigefinger. Ihr Blick geht durch Sam hindurch und verliert sich im Unendlichen. Ein paar ihrer Sturmwolken scheinen sich aufzuhellen.
Der Gedanke an Viren und Bakterien bringt in ihrem Gehirn ein Steinchen ins Rollen. Fasziniert beobachtet Vilca, wie der eine Gedankenlawine auslöst. Schließlich donnert die Idee ins Tal. Als ihr Staub sich legt, erwacht vor ihrem geistigen Auge eine Vision.
Die Sängerin sieht sich auf der Bühne stehen, vor einer Viertelmillion Zuhörern. Vilca ist mit ihren Fans verbunden, deren Gefühle sie spürt. Und umgekehrt. Sams Erfindung ermöglicht ihr gleichzeitig Auftritte in der realen und der digitalen Welt. Aus den Hunderttausenden werden Millionen. Aus Zuhörern werden in ihre Show eingebundene Teilnehmer.
Ein Lächeln stiehlt sich auf ihre Lippen. So eine Schnittstelle könnte noch viel mehr. Es würde ihr erlauben, ihrem Märchenprinzen auf gleicher Ebene zu begegnen wie seine künstlich intelligente Assistentin. Ihr ist klar, dass es viel Zeit kosten wird, bis es soweit ist. Solange will sie aber nicht warten.
»Ich wüsste zu gerne, wie sich das anfühlt«, seufzt sie, ihren Blick in weite Fernen gerichtet.
Sam wittert seine Chance.
»Das lässt sich einrichten. Ich habe einen Prototypen, der auf einer anderen Technologie basiert. Er ist nicht wirklich alltagstauglich und bei weitem nicht so leistungsfähig wie es die Neuro-Nanobots sein werden. Aber um mal zu spüren, wie sich das anfühlt, reicht mein Brain-Field-Modulator allemal.«
In ihren Augen breitet sich ein Glitzern aus.
»Oh«, staunt sie. »Das ist ja aufregend. Ich kann es gar nicht erwarten, deinen, ähm, Brain-Field-Modulator mal auszuprobieren.«
Sam fällt ein Stein vom Herzen und vergisst, sich über den abrupten Sinneswandel zu wundern. Von einer Sekunde auf die andere ist das Unwetter verschwunden. Stattdessen verbreitet Vilca eine Regenbogenstimmung, die seine Seele streichelt. Ihre Muskelspannung ist weg und sie schmiegt sich an ihn wie eine zweite Haut.
Gerade als er einen Termin vorschlagen will, nähert sich Ivanna. Man sieht ihr an, dass sie ihre Tochter bereits eine Weile sucht. Die Herrin des Hauses produziert ein überraschtes Gesicht, als sie alle drei an einem Tisch sitzen sieht. Noch dazu in ein lebhaftes Gespräch vertieft. Gewöhnlich machen Vilcas Freunde stets einen großen Bogen um ihren Gatten.
Als die Sängerin ihre Mutter sieht, springt sie auf. Sam ist enttäuscht. Zu schnell verflüchtigt sich das angenehme Gefühl, sie auf seinem Körper zu spüren.
»Mein Auftritt wartet. Passt auf, ich widme jedem von euch ein Lied.«
Dann gibt sie ihrem Vater und Sam jeweils ein Küsschen und schreitet mit ihrer Mutter Arm in Arm davon.
Marek sieht seinen beiden Frauen nach und bemerkt schmunzelnd, dass Mutter und Tochter den gleichen ausladenden Hüftschwung zelebrieren, während sie über den Rasen schweben. Dann wendet er sich wieder an Sam und sieht in nachdenklich an.
»Ich teile Vilcas Optimismus nicht. Deine Idee ist vielversprechend, aber sie wird nicht funktionieren.«