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6.

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Es geschah. Selbst auf die Gefahr hin, daß sich die Karavelle-Mannschaft unter Sir John zu einer letzten, verzweifelten Gegenwehr aufraffte, glitt die „Isabella“ auf Rufweite an den Gegner heran.

Big Old Shane stand mit verschränkten Armen am Steuerbordschanzkleid des Achterdecks. Der Wind zerzauste seine grauen Haare, fuhr in sein graues Bartgestrüpp und strich über sein runenzerfurchtes Gesicht. Seine Augen glitzerten. Er hatte in diesem Moment etwas mit einem jener furchteinflößenden Rachegötter gemein, wie sie in den alten Mythen vorkamen. Seine grollende Stimme tönte von Schiff zu Schiff.

„Herhören, ihr Männer! Hier spricht Shane, der Schmied und Waffenmeister von Arwenack, einstmals ergebener Vasall seines Herrn Sir John Killigrew. Einige von euch kennen mich vielleicht.“

„Ja!“ rief jemand zurück. Shane kniff die Augen zusammen, um ihn zu erkennen. Er sah den Mann auf dem Quarterdeck der Karavelle stehen, doch er wußte dessen Namen nicht. Später sollte sich herausstellen, daß es Feeney war.

„Was willst du, Shane?“ schrie Feeney. „Wollt ihr uns jetzt den Rest geben? Ihr habt schon genug angerichtet. Aber glaubt nur nicht, daß wir uns widerstandslos abschlachten lassen.“

„Unsinn“, erwiderte Shane unbeirrt. „Wir sind keine Schweinehunde wie bestimmte Leute, die an ihrer Gier nach Gold noch ersticken werden. Aber hör genau zu, Mann, und sag auch deinen Kameraden, sie sollen die Ohren spitzen! Wir hier an Bord achten sehr wohl die Tatsache, daß die ‚War Song‘ ein Kriegsfahrzeug Ihrer Majestät, der Königin von England, ist. Deswegen haben wir sie auch nicht versenkt – und wenn der verdammte Sir John sie sich tausendmal unter den Nagel gerissen hat.“

„Verräter!“ Das war Sir John. Voll Haß schüttelte er die Fäuste gegen Shane – aber den Dialog zwischen Shane und Feeney konnte er nicht unterbrechen.

„Shane!“ schrie Feeney. „Was, zum Teufel, wollt ihr?“

„Wir kämpfen gegen Sir John, aber nicht gegen die Königin.“

„Einige von uns haben das Leben gelassen“, erwiderte Feeney bitter. „Drei, als die Gaffelrute in die Brüche ging und das achtere Segel herunterkam, zwei bei euren beiden Breitseiten.“

Shane rief: „Das habt ihr Sir John zu verdanken, nicht uns. Gehören denn alle fünf Toten zu der Stammcrew der Karavelle?“

„Die beiden letzten nicht. Es sind Sir Johns Männer.“

„Wißt ihr überhaupt, was Sir John will?“ Shanes Stimme klang ruhig, er sprach ohne Hast. „Ich wette, er hat euch irgend etwas vorgeschwindelt. Ihm geht es nicht darum, uns unseren Beuteschatz abzujagen und für die Königin sicherzustellen. Nein, er will den Schatz für sich. Er hat schon ein paarmal versucht, ihn mit allen erdenklichen Tricks zu ergaunern – der feine Herr! Ein untadeliger General-Kapitän, nicht wahr? Es würde ihm gleichgültig sein, euch alle zu verheizen, wenn er nur die Beute in die Finger kriegt. Und um die Belange der Königin schert er sich einen Dreck.“

Shanes Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Auf der Karavelle war Bootsmann Sullivan neben Feeney getreten. Zunächst hatte er die Unterhaltung von Bord zu Bord unterbinden wollen, doch jetzt stand er sprachlos und zutiefst betroffen. Feeney wollte antworten, doch Sullivan griff nach seinem Arm.

„Shane!“ rief Sullivan nun selbst. „Hier spricht der Bootsmann der ‚War Song‘. Würdest du beschwören, was du da eben behauptet hast?“

„Bei allem, was mir heilig ist“, gab Shane zurück.

Sullivan wandte sich ab, ging vom Steuerbordschanzkleid der „War Song“ über die Kuhl und dann zum Quarterdeck hinauf. Seine Crew stand hinter ihm wie ein einziger Mann, das spürte er. Und auch von den zwanzig Männern Sir Johns, die den Kampf überlebt hatten, befand sich so mancher auf seiner Seite. Wer zu Sir John hielt, der muckte jetzt jedoch nicht auf, weil er wußte, daß es so gut wie Selbstmord gewesen wäre.

Sullivan trat Sir John gegenüber. Seine blauen Augen fixierten den Mann in stummer Verachtung.

„Sullivan“, sagte Sir John. „Sie werden doch wohl nicht glauben, was dieser Hurensohn da erzählt! Er hat meinen Sohn umgebracht. Das hat er Ihnen verschwiegen, nicht wahr? Er dreht die Dinge eben so, wie sie ihm gerade in den Kram passen.“

Sullivan war unbeeindruckt. „Sir, Sie haben dieses Schiff für Ihre privaten Zwecke mißbraucht. Ein Geheimauftrag, so sagten Sie doch, oder? Nun, man hat ja schon von Ihren Beutezügen gehört, aber daß Sie ein solcher Schurke sind, hätte ich niemals gedacht.“

„Unterstehen Sie sich ...“

„Schluß!“ brüllte Sullivan. „Aus und vorbei. Denken Sie an Harris und Jenkins und den dritten Mann und auch an die beiden armen Teufel aus Ihrer Crew, die wegen Ihrer Gier sterben mußten. Ins Meer wollten Sie sie werfen – wie Abfall. Ein wirklich sauberer General-Kapitän sind Sie, das muß ich schon sagen.“

Sir John schrie einen Fluch und riß die Pistole aus dem Gurt, die er dem Rudergänger abgenommen hatte. Da platzte Sullivan der Kragen. Er tat, was er noch nie getan hatte. Mit einem Satz war er bei Sir John und hieb mit der Faust auf die Pistole. Sir John gelang es nicht mehr, den Hahn zu spannen. Die Waffe polterte auf Deck.

Sullivan steckte einen Fausthieb Sir Johns ein. Dann ließ er selbst seine Fäuste sprechen. Er traf Sir John vor die Brust, daß dieser zurücktaumelte. Sullivan setzte ihm nach, schlug noch einmal zu und dann noch einmal und erwischte ihn beim letzten Hieb am Kinn.

Sir John sank auf die Planken.

Sullivan drehte sich um. Feeney, Coleman und fast alle anderen, darunter auch einige Killigrew-Männer, standen hinter ihm. In ihren Mienen stand Entschlossenheit zu lesen.

„Danke“, sagte Bootsmann Sullivan. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sein Gesicht war gerötet und von Rußspuren verschmutzt, wie sie das Schwarzpulver der Geschütze bei jedem Seegefecht hinterließ. Sullivan betrachtete die Männer, die ihm und nicht Sir John vertrauten. Und plötzlich brachte er ein flüchtiges Grinsen zustande. „Ich danke euch für eure Hilfe, aber ich brauche sie nicht. Ich habe den Kerl bewußtlos geschlagen. Vorläufig steht er nicht wieder auf.“

„Aufhängen sollte man ihn“, sagte Feeney erbost. „An der Gaffelrute des Großsegels. Los, auf was warten wir noch?“

Sullivan schüttelte den Kopf. „Soweit gehen wir nicht. Wir müssen beweisen, daß wir im Gegensatz zu ihm keine Schurken sind. Will dir das in den Kopf, Feeney?“

„Ja.“

„Ab sofort übernehme ich wieder das Kommando der ‚War Song‘. Hebt Killigrew auf und tragt ihn ins Vorschiff. Sperrt ihn in die Vorpiek. Zwei Mann bleiben vor dem Schott der Vorpiek als Wache zurück – du, Coleman, und ein anderer, den du dir aussuchen kannst.“

„Aye, aye, Sir“, sagte Coleman.

„Ihr haftet dafür, daß der Mann nicht entkommt. Aber daß ihr es ja nicht wagt, Hand an ihn zu legen, solange es sich irgend vermeiden läßt. Habe ich mich klar ausgedrückt, Coleman?“

„Jawohl, Sir.“

Feeney hatte sich umgedreht und rief plötzlich überrascht: „Holla, die Galeone segelt heran! Sie will längsseits gehen: Himmel, dürfen wir das denn zulassen?“

Sullivan hob die rechte Hand. „Laßt sie. Shane und seine Freunde haben jetzt keine feindlichen Absichten mehr. Sie haben ja bestimmt verfolgt, welche Wende die Dinge hier genommen haben. Ich mag ein großer Narr sein, aber ich habe das untrügliche Gefühl, daß dieser Shane ein aufrichtiger Kerl ist und es gut mit uns meint.“

Feeney hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. „Tja, was so in Falmouth über Shane erzählt wird, hört sich allerdings gut an. Die Leute sagen, er sei ein eisenharter Mann, aber einer von der anständigen Sorte.“

„Coleman“, sagte Sullivan. „Schaff Sir John weg. Na los, steh nicht ’rum und glotz Löcher in die Luft.“

Coleman winkte einem seiner Kameraden zu, und sie hoben den ohnmächtigen Sir John auf. Sie legten sich seine Arme um die Schultern und hielten sie fest, einer an jeder Seite, dann transportierten sie ihn ab. Seine Stiefel schleiften mit schurrendem Geräusch nach. Ab ging es über die Kuhl zur Back der Karavelle, und Sir Johns Gestalt verschwand hinter dem Steuerbordschott.

„Feeney, du und ein paar andere, ihr legt die Gangway klar“, sagte Sullivan. „Wenn die ‚Isabella‘ anlegt, verbinden wir Schiff mit Schiff, so daß jeder mühelos herübermarschieren kann.“ Er wandte sich den Männern von Sir Johns Crew zu. „Herhören! Falls jemand mit meinen Entscheidungen nicht einverstanden ist, soll er gleich Bescheid sagen. Er wird dann zu Sir John in die Piek gesperrt. Wer hinterher noch Stunk macht, hat mit der Neunschwänzigen zu rechnen. Also?“

Die Männer erhoben keinen Einwand. Einige blickten betreten zu Boden, einige taten durch Murmeln ihre Zustimmung kund. Keiner protestierte. Sie waren, das hatte sich ja auch schon gezeigt, als sie auf der „Isabella“ nach England zurückgekehrt waren, nicht zu Helden geworden. Schon gar nicht, um sich für Sir John zu opfern! Seine Lebensweisheit hatte auch auf sie abgefärbt: Jeder war sich selbst der Nächste.

Fender, aus Tauwerk geflochtene Kissen, hielten die „Isabella V.“ von der „War Song“ ab und verhinderten, daß Bordwand an Bordwand stieß. Die Gangway wurde als Brücke zwischen den Schiffen ausgelegt, wie Sullivan es angeordnet hatte. Ben Brighton betrat sie als erster und wechselte zur „War Song“ über. Er trat zu Sullivan, nannte seinen Namen und streckte die Hand zum Gruß aus.

„Ich heiße Sullivan“, sagte der rotblonde Mann. Er griff nach der dargebotenen Hand. „Wir sind also gewissermaßen Kollegen. Tut mir leid, daß wir uns raufen mußten. Es wäre auch ohne dem abgegangen, aber an den Tatsachen läßt sich ja nun nichts mehr ändern.“

Ben nickte. „Es wurde Zeit, Sir John eine Lektion zu erteilen. Das brauchte das alte Schlitzohr dringend. Ich möchte dir jetzt unsere Hilfe anbieten.“

„Die nehme ich gern an.“

„Wir haben einen hervorragenden Schiffszimmermann. Er heißt Ferris Tucker. Und unser Segelmacher Will Thorne wird euch auch bereitwillig helfen. Mit vereinten Kräften können wir die Karavelle so weit herrichten, daß ihr sicher zurück nach Plymouth gelangt.“

„Das ist viel wert. Wir haben nämlich außer den Toten auch ein paar Verwundete, die an Land versorgt werden müssen.“

„Unser Feldscher ist zur Zeit leider nicht bei uns, sonst hätte er die ersten Verbände anlegen können“, entgegnete Ben. „Aber das Notdürftige können wohl auch wir für die Verletzten tun.“ Er drehte sich um. „Ferris, he, Ferris!“

Der rothaarige Riese erschien am Schanzkleid der „Isabella“ und kletterte auf die Gangway. Er führte Werkzeug bei sich. „Ich komme ja schon. Wie ich die Dinge einschätze, haben wir bis Mitternacht zu tun.“

Das stimmte. Ferris war für die nächsten Stunden nicht zu sprechen. Er suchte nach geeignetem Material, dann begann er, ein Notruder für die Karavelle zu basteln, eines, das solide genug war, um das Schiff zumindest zurück nach Plymouth zu steuern. Ferris war bekanntlich Spezialist für schwierige und ausgefallene Aufgaben. Einmal hatte er zwei riesige Flöße ganz nach eigenen Plänen konstruiert, und sie hatten darauf ihre Schatzbeute vom Stillen Ozean zur Karibik befördert, weil es einfach keinen anderen Weg gegeben hatte. Das war in Kolumbien gewesen. Sie hatten den Rio Atrato bis zum Golf von Darien befahren. Jeff Bowie hatte seine linke Hand durch Piranhas verloren, und später hatten er, Ferris, und Will Thorne ihm eine großartige Hakenprothese gebastelt, die fast noch besser als die von Matt Davies war.

Als Ferris das Notruder fertiggestellt hatte, fierte er es mit Hilfe von Taljen am Heck der Karavelle ab, ließ sich dann selbst in einer Tauschlinge hinunter und paßte das Ding in die Hennegatsöffnung ein. Er schraubte es fest, kehrte an Bord zurück und verband das Notruder im Inneren des Achterkastells mit dem Steuermechanismus des Kolderstocks.

Danach begann er, die vielen Lecks der „War Song“ auszubessern. Will Thorne hatte unterdessen alle Hände voll damit zu tun, die Lateinersegel auszubessern. Alle Männer, sowohl die Stammcrew der „War Song“ als auch Sir Johns Mannschaft und die Crew der „Isabella“, packten nach Kräften mit zu.

Die Toten wurden in Segeltuchbahnen genäht. Sullivan wollte sie aber unbedingt mit nach Plymouth nehmen, bevor er wieder auslief und sie auf See bestattete. Er wollte, daß man zur Kenntnis nahm, was sich abgespielt hatte und wer dafür verantwortlich war: Sir John, der die Männer der „War Song“ verantwortungslos in diese Auseinandersetzung geführt hatte.

Es war tatsächlich Mitternacht geworden.

„So“, sagte Ferris zu Sullivan. „Ihr könnt euch zurück nach Plymouth schleichen. Morgen liegt ihr wieder an der Pontoon Pier.“

Sullivan erwiderte: „Ja, und ich werde mir noch schwer überlegen, ob ich Sir John so einfach laufenlasse. So oder so wird er sich für die Geschehnisse zu verantworten haben.“

„Das ist mal sicher“, sagte Big Old Shane. „Aber hütet euch vor diesem Schlitzohr. Ihr habt ja jetzt gemerkt, was für ein rabenschwarzes Aas er ist.“

„Er sagte, du hättest seinen Sohn auf dem Gewissen.“

„John Malcolm?“ Shane nickte. „Ja, ich leugne es nicht. Schon damals, als Hasard nach Arwenack zurückkehrte und sie ihn in den Kerker sperrten, schwor ich, John Malcolm eines Tages den Hals umzudrehen. Er schlug diese Warnung in den Wind. Er wollte zusammen mit seinem Alten den Seewolf töten – einen Wehrlosen. Da fuhr ich aus der Haut. Ich weiß, daß meine Tat noch einiges nach sich zieht, aber ich bin bereit, alle Folgen zu tragen. Alle.“

„Auch ein Todesurteil?“ fragte Feeney.

„Auch das.“

„Du bist ein ganzer Kerl“, sagte Feeney. „Man trifft viele Spitzbuben und Halunken, selten aber einen aufrechten Mann.“

Big Old Shane lächelte nur grimmig. Was hätte er auch darauf erwidern sollen? Ein Mann stand für seine Taten ein, oder er taugte nichts.

„Wohin segelt ihr?“ wollte Sullivan wissen.

„Wir runden Cornwall und suchen uns zwischen Port Isaac und Hartland Point einen Schlupfwinkel, in dem wir uns verbergen können“, antwortete Ben Brighton.

„Könnt ihr nicht mit uns nach Plymouth zurückkehren?“ Sullivan blickte ihn an. „Wir würden euch helfen, daß ihr nicht belästigt werdet. Zusammen sind wir stärker.“

Ben lächelte. „Ich danke dir für das Angebot. Aber es gibt Dinge, denen wir ziemlich machtlos gegenüberstehen. Nimm das Intrigenspiel eines Burton, eines Keymis oder eines Sir John Killigrew – was willst du dagegen ausrichten? Einmal haben wir uns unter Androhung des offenen Kampfes vor den Friedensrichtern und der Stadtgarde zurückziehen können. Ob das ein zweites Mal klappen würde, weiß ich nicht.“

„Unsere Wege trennen sich also?“

„Ja, Sullivan.“

„Vielleicht sehen wir uns einmal wieder.“

„Vielleicht.“ Ben drückte ihm die Hand. „Alles Gute, Sullivan.“ Dann kehrte er über die Gangway auf sein Schiff zurück. Ferris Tucker, Will Thorne und all die anderen von der Seewolf-Crew gingen ebenfalls.

Feeney blickte ihnen nach. „Ehrlich gesagt: Jetzt, nachdem ich sie kennengelernt habe, tut es mir leid, daß sie abrücken. Das ist wirklich ein außergewöhnlicher Haufen. Weißt du, was mir klargeworden ist, Sullivan? Nur eine solche Crew konnte um die halbe Welt reisen, einen sagenhaften Schatz erbeuten und auch heil damit nach England zurückkehren. Schade, daß ihr ein so mieser Empfang bereitet wurde. Wirklich schade. Sie haben’s nicht verdient.“

Seewölfe Paket 3

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