Читать книгу Seewölfe Paket 3 - Roy Palmer - Страница 35

2.

Оглавление

Am Mittag desselben Tages lief die „Isabella“ in den Hafen von Penzance ein, wo nur ein kleiner Kauffahrer lag, der seine Ladung bereits gelöscht hatte.

Die Schaluppe hatten sie zurückgelassen. Später, auf dem Rückweg, würde sie wieder im Kielwasser der „Isabella“ folgen.

Nur ein paar Menschen waren zu sehen, Stauer, die Fässer und Kisten in die hölzernen Schuppen trugen. Zwei von ihnen liefen herüber und nahmen die Trossen an, als das Schiff an die Pier ging.

Jean Ribault winkte den beiden Männern hoheitsvoll zu, die an der Holzpier standen und ihn fassungslos anstarrten. So einen wie den hatten sie noch nie gesehen.

Ribault trug die Kleidung französischer Höflinge. Schwarze Schnallenschuhe, weiße Strümpfe, enge Hosen, die bis ans Knie reichten und darüber eine goldgrünschillernde Jacke, hauteng geschneidert. Aus den Jackenärmeln lugten weiße Spitzen heraus. Ebenso aus dem ausgelegten Hemdkragen. Dort prangten Rüschen und Spitzen, die den beiden Stauern nicht geheuer erschienen. Ribault hatte die alten Klamotten in einer Kiste an Bord entdeckt. Und genau darauf hatte er seinen Plan aufgebaut.

Das Ungetüm, das neben ihm an Deck erschien, fühlte sich in seiner neuen Rolle alles andere als wohl. Es war Edwin Carberry, der Profos der „Isabella“. Ein Kerl wie ein Bulle, mit einem ungeheuren Rammkinn, mächtigen Schultern und einem Gesicht voller Narben. Grollend, und nur nach brüllendem Zureden Brightons, hatte er sich fluchend mit seiner Rolle abgefunden.

Sein mächtiger Körper steckte in der Uniform der französischen Lakaien, wie sie bei Hofe herumliefen. Sein Nußknackerkinn war angriffslustig vorgeschoben. Und wer den Profos kannte, der wußte daß er vor Wut heimlich platzte. Aber er mußte mitspielen, zum Wohle aller, und damit sie nicht auffielen.

Ribault betupfte seine Stirn mit einem Spitzentüchlein und wandte sich indigniert an Carberry.

„Parbleu“, sagte er anklagend und wies auf die beiden Stauer, deren weitaufgerissene Augen jede seiner Bewegung verfolgten. „Was starrt mich der Pöbel so herausfordernd an! Sag diesen Bauernlümmeln, daß sie den Hafenkapitän holen mögen, Pierre!“

Der mit Pierre Angesprochene zuckte zusammen, als hätte ihm jemand einen Belegnagel auf den Schädel geschlagen. Sein Rammkinn ähnelte jetzt einem Amboß, auf dem der Schmied von Arwenack Eisen hätte schlagen können.

Der Profos beugte sich über die Reling. Die verdammten Rüschen schnürten ihm fast den Hals zu, als seine Ader anschwoll.

„Mäßige dich, Pierre!“ hörte er Ribaults näselnde Stimme.

Das gab ihm fast den Rest. Sein Gesicht lief knallrot an. Wenn er gesehen hätte, wie die Männer sich über ihn amüsierten, wäre er explodiert. Aber die hatten sich auf dem Schiff gut verteilt und taten so, als sei alles ganz normal. Old Shane und den alten Donegal O’Flynn hatten sie ohnehin unter Deck verborgen, denn die kannte an Cornwalls Küsten jeder Hafenkapitän.

Der Profos beugte sich noch weiter vor.

„Holt den Hafenkapitän, ihr verdammten Rübenschwei ...“

Ein Tritt des Grandseigneurs Ribault an sein Schienbein ließ ihn den Rest der Worte verschlucken. Er kaute förmlich darauf herum. Als die Donnerstimme verstummte, rannten die beiden los, als säße ihnen der Leibhaftige im Nacken.

Jean Ribault verbiß sich nur mühsam das Grinsen.

„Warte nur, bis wir wieder draußen sind“, grollte „Pierre“. „Dann lasse ich dir Haut von deinem Affenarsch abziehen und zu Schuhriemen verarbeiten.“

„Du spielst deine Rolle gefälligst weiter, Carberry“, peitschte hinter ihm die Stimme Ben Brightons auf. „Hast du das ganz klar verstanden, Mann?“

„Aye, aye“, knurrte der Profos und gab sich innerlich einen Ruck. Seit der Seewolf nicht mehr an Bord war, stand er ebenso unverbrüchlich zu Ben Brighton und nahm jeden seiner Befehle bedingungslos und ohne zu murren an.

Fünf Minuten später bogen drei Männer um die Ecke des letzten Schuppens. Die beiden Stauer redeten und palaverten aufgeregt auf den dritten Mann ein, der sich gelassen näherte. Sie hatten ihn in der Mitte und überhäuften ihn pausenlos mit Neuigkeiten.

„Ah, Monsieur Capitaine!“ Ribault strahlte, als der Hafenkapitän vor dem Schiff stand. „Parlez-vous francais, mon Capitaine?“

„Ha?“ Der Hafenkapitän schob sich die Mütze in den Nacken und kratzte verlegen seinen Schädel. „Äh, nur ein wenig, kaum Sen ... äh – Monsieur.“

„Ribault“, stellte sich Jean vor. Dazu vollführte er eine kleine, einladende Verbeugung, nicht übertrieben, aber so, daß es wirklich echt aussah.

„Kommen Sie bitte an Bord, Monsieur!“

Dieser Aufforderung hätte es kein zweites Mal bedurft. Der Mann, ein bieder aussehender Seemann, der seinen Dienst im Hafen von Penzance versah, warf sich stolzgeschwellt in die Brust.

„John Stubbs, Sir – äh – Monsieur“, sagte er. Sein vorsichtiger Blick streifte Carberry, der mit steifem Genick sogar so etwas wie eine Verbeugung fertig kriegte.

Ein französischer Kauffahrer in seinem Hafen! Ausgerechnet bei ihm. Wenn das keine Ehre war!

Ribault sah belustigt, wie der Hafenkapitän alles unauffällig musterte. Zum Schluß blieb sein Blick an fünf gelbgrünen Ballen hängen, die ausgebreitet auf einer Persenning an Deck lagen. Lange Zeit starrte er das Zeug an, ohne zu wissen, was es war.

„Tabak, mon Capitaine. Was Sie da sehen, ist edler, bester Tabak aus der Neuen Welt. Man reißt sich um das edle Kraut. Mon Dieu, Sie sollten diese herrliche Würze einatmen, Monsieur. Köstlich, sage ich Ihnen, ein Genuß!“

„Tabak“, wiederholte der Kapitän andächtig. „Ja, davon habe ich schon gehört. Tabak aus der Neuen Welt.“

„Ein hochwohllöbliches Kraut“, pries Ribault die Ballen an. Dann wandte er sich an Carberry, der verstört von einem zum anderen sah.

„Was stehst du hier herum, Lümmel!“ herrschte er ihn an. „Hol die Kiste mit den Pfeifchen, vite-vite, rapide!“

Dem Profos stiegen fast die Tränen in die Augen.

„Merde“, sagte er voller Inbrunst. „Merde!“ Das war das einzige französische Wort, das er kannte.

„Merde“, wiederholte auch der Hafenkapitän ehrfürchtig. Wahrscheinlich hielt er das für eine Höflichkeitsfloskel.

Jean Ribaults Gesicht erstarrte zu einer Maske, damit der Hafenkapitän das dahinter verborgene Grinsen nicht sah. Auf dem Achterdeck wanden sich zwei Männer in Krämpfen. Ben Brightons Gesicht lief knallrot an. Ribault zog hier eine Schau ab, die es in sich hatte. Dieser Bursche setzte allem die Krone auf, mit seinem eitlen, stutzerhaften Benehmen, dem Tüchlein, das er ab und zu leicht an die Augen führte, und seinen Rüschen, die ihn wie eine weiße Wolke umgaben.

Während sich der Profos, innerlich total zermürbt, racheschnaubend nach achtern begab, um die Tonpfeifen zu holen, näherte sich der Hafenkapitän den gepreßten Tabakblättern, beugte sich hinunter und beschnüffelte sie mit verklärtem Gesicht.

Tabak aus der Neuen Welt! Und der wurde ausgerechnet in seinem Hafen gehandelt, denn daß der Franzose damit handeln wollte, war ihm klar. Das Kraut mußte sündhaft teuer sein.

„Ich würde gern den Bürgermeister holen, wenn Sie gestatten, Monsieur Ribault“, sagte er. „Hier in Penzance hat noch niemand Tabak gesehen.“

„Naturellement, Capitaine. Holen Sie ihn nur.“

Stubbs lief von der Kuhl zur Backbordseite, wo immer noch die beiden Stauer standen und glotzten, und rief ihnen etwas zu. Wie der Blitz waren sie gleich darauf verschwunden.

Inzwischen kehrte der Profos mit. den indianischen Tonpfeifen zurück. Seinem Gesicht war deutlich anzusehen, daß er Ribault die kleine Kiste mit den Pfeifen am liebsten auf dem Schädel zerschlagen hätte. Aber er beherrschte sich und reichte Ribault die Kiste mit einem Krächzlaut auf den Lippen.

„Stell dich nicht so an“, flüsterte Ribault. „Was kann ich denn dafür, daß keinem anderen die Lakaien-Klamotten passen!“

Er nahm zwei der Tonpfeifen heraus, legte sie vorsichtig auf die Tabakballen und zupfte an den Blättern. Er machte eine regelrechte Zeremonie daraus, die Pfeifen zu stopfen. Eine reichte er dem Hafenkapitän, der sie ehrfürchtig entgegennahm, wieder daran schnupperte und die Augen verdrehte.

„Tabak“, flüsterte er. „Merde!“

Ribault zuckte zusammen. Der Profos gab ihnen Feuer an einem Fidibus, bis der Tabak glimmte.

Genießerisch begann der Franzose an der Pfeife zu paffen, entlockte ihr weißgraue Wölkchen und fächelte sich den Duft des brennenden Krautes um die Nase. Auch der Hafenkapitän machte ein paar Züge, kriegte versehentlich Rauch in die Lunge und lief im Gesicht grün an. Aber er qualmte tapfer weiter.

Inzwischen war der Bürgermeister auf der Bildfläche erschienen. Er begrüßte Ribault als Kapitän des Schiffes und hieß ihn und seine Mannschaft in Penzance willkommen. Er zerfloß fast vor Ehrerbietung und schielte neugierig auf die qualmenden Pfeifen, denen der Hafenkapitän immer wieder neue Wölkchen entlockte.

„Das ist Tabak, Garret“, sagte er. „Als Mann von Welt muß man das ganz einfach kennen. Ein himmlisches Kraut, so mild, so würzig, so aromatisch. Man raucht es bei Hofe.“

„Beabsichtigen Sie, die Ballen zu verkaufen?“ erkundigte sich Garret, der für seinen Ort gleich ein Geschäft witterte.

„Aber gewiß, Monsieur. Dieser Tabak ist so kostbar, daß Ihnen nicht so schnell wieder die Chance geboten wird. Wann kommt schon ein Schiff mit Tabak aus der Neuen Welt hierher?“

„Niemals“, erwiderte der Bürgermeister bestimmt. „Vielleicht in einigen Jahren. Ist das edle Kraut teuer, Monsieur?“

„Oui, oui, maitre! Sehr teuer. Aber ich lasse mit mir reden.“

„Dann sollten wir Mister Mitchell holen“, sagte Garret. „Das ist der reichste Kaufmann hier am Ort.“

Jetzt qualmte auch der Bürgermeister mit. Er hockte auf der Kuhl, neben den duftenden Tabakballen und gab sich dem neuartigen Genuß des Rauchens hin. Es war ein friedliches Bild, fand Brighton, und er hoffte nur, daß aus dem Geschäft etwas werden würde. Für Reklame hatte Jean Ribault ja nun genug gesorgt.

Der dicke Henry Mitchell wurde unvermittelt aus seinen Träumen gerissen. Er hatte sich den Bauch mit einer gefüllten Gans vollgeschlagen, danach einen halben Liter Rotwein getrunken und döste jetzt vor sich hin. Er glich einem fetten Mastochsen, wie er so dahockte, das eine seiner Doppelkinne voller Fett und Weinspritzer.

Ab und zu rülpste er, wobei sich sein fetter Wanst aufgeregt hüpfend bewegte.

„Mister Mitchell, Sir!“ Ein kleiner Bengel schreckte ihn aus seinen Träumen. „Der Bürgermeister und der Hafenkapitän schicken mich. Im Hafen liegt ein französischer Kauffahrer. Er will hier Geschäfte tätigen. Mister Garret fragt, wann Sie kommen, Sir!“

Die kleinen Schweinsäuglein wurden sofort hellwach. Ein listiger, verschlagener Zug erschien in ihnen.

„Französischer Kauffahrer?“ fragte er. „Lauf zum Hafen und sag ihnen, daß ich sofort komme.“

Mitchell witterte ein Geschäft. Er rieb erregt seine Knollennase. Kauffahrer! An dem letzten Kauffahrer hatte er sich gesundgestoßen. Die Kerle waren leicht übers Ohr zu hauen.

Er war gespannt, was dieser Kauffahrer anzubieten hatte. Franzosen, hm, überlegte er. Hoffentlich konnten sie sich verständigen, denn er sprach kein Wort Französisch. Ach was, sie würden schon handelseinig werden.

Zwei seiner Knechte fuhren den Pferdewagen vor, eine Art Kutsche, die gleichzeitig der Personen- und Warenbeförderung diente. Mitchell zog sich in aller Eile um. Dann fuhren sie los.

Als sie auf dem holperigen Pflaster entlangrollten, sah Mitchell den Kauffahrer. Ein schönes, stolzes Schiff, eine wunderbare Galeone. Und wunderbare Galeonen hatten meist auch wunderbare Sachen geladen. Seide, edle Hölzer, Gewürze, Schätze vielleicht.

Je näher sie kamen, desto größer wurden Mitchells Augen. Auf der Galeone ging es recht lustig zu.

„Nun sieh dir das an“, sagte er zu seinem Knecht und deutete in die Wanten der „Isabella“. „So einen flinken Schiffsjungen habe ich noch nie in meinem Leben gesehen.“

Sprachlos starrte er voraus. Dort flitzte ein kleiner Kerl die Wanten rauf und runter, als wollte er einen neuen Rekord aufstellen. Er trug eine Segeltuchhose und eine helle Jacke. Wie ein Blitz bewegte er sich auf den Rahen, sprang an den Mast und von dort aus wieder in die Wanten. Wenn er nicht höllisch acht gab, konnte er sich jeden Augenblick den Hals brechen.

„Der führt nur dem Bürgermeister und dem Kapitän seine Künste vor“, sagte sein einfältiger Kutscher. „Schiffsjungen müssen sich schnell bewegen können.“

Sprachlos sah Mitchell, wie der Schiffsjunge jetzt ganz oben auf dem Mast hockte, sich den Schädel kratzte und dann ruhig sitzen blieb. Mehrere Männer schauten zu und feuerten ihn durch Rufe an. Aber er rührte sich nicht. Die wahnsinnige Kletterei schien ihn erschöpft zu haben. Kein Wunder, dachte Mitchell, der Junge mußte ja ganz außer Atem sein.

Vor der „Isabella“ sprang Mitchell vom Bock, verbeugte sich und lächelte erwartungsfroh.

Ribault empfing ihn, ein blasierter Typ, der ewig mit einem kleinen kostbaren Tüchlein herumwedelte. Sogar die Nase hatte sich der Kerl gepudert.

Mitchells Schweinsäuglein schossen Blitze nach allen Seiten, als er auf die Kuhl geführt wurde. Der leichte Nieselregen hatte wieder aufgehört. Es war auch nicht mehr so kühl. Und ihm selbst wurde direkt warm ums Herz, als er die Männer rauchen sah. Der feine würzige Tabakduft kitzelte seine Knollennase, die rastlos nach allen Seiten schnüffelte. Er nahm seinen Hut ab, behielt ihn in der Hand und fuhr über seine Glatze, auf der sich vor Aufregung feine Schweißperlen gebildet hatten.

Tabak! Es war nicht zu fassen! Dieser Franzose hatte Tabak mitgebracht, das geheimnisvolle Kraut aus der Neuen Welt, das bei den Snobs und Reichen immer beliebter wurde.

Wenn er dem Franzosen das Kraut abkaufte, konnte er das größte Geschäft seines Lebens machen.

Er lächelte Ribault liebenswürdigverschlagen zu.

„Mon Dieu!“ rief der Franzose, „Sie sind ja ganz außer Atem, Monsieur. Ich lasse Ihnen sofort eine Erfrischung bringen.“

Herablassend wedelte er mit seinem parfümgetränkten Taschentuch dem fetten Kaufmann vor der Nase herum.

„Pardon, Monsieur, oder darf ich Ihnen ein Pfeifchen anbieten?“

„Nur zu“, sagte Mitchell, dem die französischen Wörter ein ungelöstes Rätsel blieben. Er hatte mit Franzosen erst einmal in seinem Leben zu tun gehabt. Die verirrten sich selten an diese Küste. Sie brachten ihre Waren lieber ins eigene Land. Und jetzt dieser Glückstreffer!

Na warte, dachte Mitchell, als Ribault, den er ebenfalls für den Kapitän des Schiffes hielt, ihm eine Tabakpfeife stopfte und für Feuer sorgte. Dich werde ich ausnehmen wie eine Gans.

Er rauchte, hustete und blickte Ribault wohlwollend an. Aber an dem Tabak zeigte er sich nur mäßig interessiert, obwohl alles in ihm danach brannte, das Zeug in die Hände zu kriegen. Aber das konnte er ja schlecht nach außen hin zeigen, denn Interesse trieb immer den Preis in die Höhe. Er kannte seine Methoden, mit denen die Kauffahrer klein zu kriegen waren.

Er deutete fast abfällig auf die fünf Tabakballen und streifte sie mit einem flüchtigen Blick.

„Nicht schlecht, das Kraut“, meinte er. „Aber auch nichts Besonderes. Es erzeugt Hustenreiz. Wollen Sie es verkaufen?“

„Oui, Monsieur, verkaufen. Unsere, wie sagt man, Beziehungen, bei Hofe sind nicht bon, wir haben non protection.“

Mitchell klopfte Ribault leutselig auf die Schulter.

„Ich werden Ihnen den Krempel abnehmen, Sir, obwohl ich nicht weiß, ob ich ihn jemals verkaufen kann. Mein gutes Herz begeht bestimmt wieder einen Fehler, es ist meine Dummheit, verstehen Sie?“

„Dummheit, oui. Ich begreife. Wieviel wollen Sie bezahlen?“

„Fünfzig Pfund“, sagte der Dicke großzügig.

Ribault tastete nach der Reling. Sein Spitzentuch betupfte die Augen.

„Mon Dieu!“ rief er klagend aus. „Pierre, mein Riechfläschchen! Ich bin echauffiert, rapide, Pierre!“

Carberry eilte heran, um dem Ohnmachtsanfall seines Herrn zuvorzukommen. Langsam gefiel ihm die Rolle. Seine mächtige Pranke schoß vor, fing den taumelnden Ribault auf und hielt ihm ein kleines Fläschchen mit Riechsalz unter die Nase.

Ribault schlug die Augen auf und sah sich entsetzt um.

„Monsieur“, sagte er vorwurfsvoll. „Das sollte wohl ein Scherz sein. Fünfzig Pfund! Ich habe mich wohl verhört?“

„Natürlich, natürlich, Sir. Ich habe mich versprochen, oder Sie haben mich falsch verstanden. Hundertfünfzig Pfund, sagte ich!“

„Zweihundertfünfzig Pfund?“ fragte Ribault ungläubig. „Monsieur! Treiben Sie keine Scherze mit mir. Mein Herz ...“

In gespielter Trauer schlug er seine Hand auf die Brust. Die anderen Männer hielen entsetzt den Atem an. Sogar Ben Brighton kriegte kaum noch Luft. Was dieser Ribault sich da leistete, war schon ein starkes Stück. Und wie Edwin Carberry auf einmal mitspielte! Er, der anfänglich so ergrimmt war, schien sich jetzt an diesem Spiel zu ergötzen, obwohl er in seinen Klamotten so aussah wie Arwenack in einem langen Nachthemd.

Dem dicken Mastschweinchen Mitchell wurde es immer heißer. Aufgeregt erklärte er dem Franzosen, daß dieser Preis weit über dem Durchschnitt läge. Dieser geschniegelte Bursche mußte doch klein zu kriegen sein! Oder hatte er selbst für den Tabak soviel bezahlt?

Jedesmal, wenn er einen Preis nannte, dann verlangte dieser Laffe sein Riechfläschchen und mußte gestützt werden.

Seine Stimme war heiser vor Aufregung. Er mußte den Tabak haben, und wenn er den ganzen Tag weiterfeilschte. Dieses Geschäft wollte er sich nicht durch die Lappen gehen lassen. Der Tabak war ihm die Gewähr für weitere gute Geschäfte mit dem Hofe, von denen er sich einiges versprach, denn Tabak war kaum zu kriegen, und wer weiß, wann der nächste mit einer Ladung eintraf.

„Also gut, Sir“, röchelte er. „Ich biete Ihnen dreihundert Pfund. Bei dem Geschäft lege ich drauf! Vielleicht bin ich für mein ganzes Leben ruiniert. Wer wird mir schon das stinkende Kraut abkaufen? Also, dreihundert Pfund!“

„Non, non, Monsieur. Grand Malheur. Sie mißverstehen mich! Ich kann dreihundert Pfund nicht akzeptieren – pro Ballen. Soviel hat es mich selbst gekostet! Und noch etwas mehr!“

Das war nun doch die Höhe, fand Brighton. War dieser Kerl denn total verrückt? Pro Ballen? Zumal Mitchell doch dauernd von den gesammten fünf Ballen sprach? Jetzt würde der Dicke natürlich aus dem Geschäft aussteigen. Wenn das der Fall war, konnte Ribault sich später aber auf etwas gefaßt machen, bei seinen unverschämten Forderungen! Das ging entschieden zu weit.

Der Dicke ging schnaufend in die Höhe. Seine Schweinsäuglein verdrehten sich nach oben. Seine beiden Kinne zitterten.

„Mir wird schlecht“, japste er.

Carberry war schon heran. Er hielt dem Dicken das Riechsalz unter die Knollennase, bis der wieder klar denken konnte.

„Pro Ballen?“ jammerte er. „Soviel kann dieser verdammte Tabak doch niemals kosten.“

„Monsieur Mitchell“, sagte Ribault besänftigend. „Wenn in den nächsten Jahren wieder ein Kauffahrer mit Tabak erscheint, werden Sie viel, viel mehr bezahlen müssen, verstehen Sie? Sehr viel mehr, das Doppelte!“

„Das ist mir zu teuer!“

„Sehr, sehr schade. Ich werde den Tabak in Frankreich verkaufen.“

„Nein, warten Sie!“ Mitchell wedelte schwach mit der Hand. Diesem eitlen Stutzer wollte er es schon zeigen. Wenn der Tabak bald das Doppelte wert war oder vielleicht das Dreifache, dann schnitt er immer noch gut dabei ab und hatte den Franzosen übertölpelt. Der war zwar auch gerissen, aber Mitchell fühlte sich ihm dennoch überlegen. Er mußte den Tabak haben!

„Was verlangen Sie?“ fragte er zitternd und total ausgelaugt.

„Zweitausend Pfund, Monsieur. Ich habe viele Unkosten. Das Schiff, die Mannschaft, die lange Route.“

„Sie ziehen mir die Hosen aus, Sir“, flüsterte der Dicke. „Das ist ein ungeheuerlicher Preis.“

„Ein Extrapreis für Sie, Monsieur. Sie werden bei diesem Geschäft das Dreifache verdienen.“

Jetzt war zum erstenmal der Profos an der Reihe, ohnmächtig zu werden. Seine Nase schnüffelte an dem Fläschchen, und er verzog angewidert das Gesicht, als er das Salz roch.

„Merde“, sagte er wieder. Er schickte Ribault einen drohenden Blick hinüber, der eindeutig besagte, daß er es bloß nicht auf die Spitze treiben solle. So verrückt war dieser dicke, verfressene Geschäftsmann nun auch wieder nicht. Der Profos selbst, der von Geschäften überhaupt nichts verstand, hätte gleich beim ersten Zuschlag des Dicken angebissen und den Tabak verhökert. Fünfzig englische Pfund waren eine ungeheure Summe – für Carberry.

Der Dicke fingerte aufgeregt an seiner Weste herum. Schweißperlen standen auf seiner Stirn, seine Augen schielten, er schien die Luft anzuhalten. Er hörte sein verfettetes Herz übermächtig laut in der Brust schlagen.

Sein sechster Sinn für Geschäfte sagte ihm jedoch, daß hier immer noch eine ganze Menge zu holen war.

„Zweitausend?“ wiederholte er ungläubig. Sein gekränkter Blick blieb vorwurfsvoll auf Ribault gerichtet.

„Zweitausend“, bestätigte Jean.

„Für alle fünf Ballen?“

„Für die fünf Ballen, Monsieur.“

Jetzt hatte er den fetten Ochsen soweit. Mitchell wedelte schwach mit der Hand durch die Luft.

„Gut dann“, sagte er weinerlich. „Es sei.“

„Ah, Sie sind ein Grandseigneur, Monsieur Mitchell“, lobte Ribault den Dicken.

„Merde“, erwiderte Mitchell traurig. Wieder legte er das Wort falsch aus. Er gab Ribault eine schlaffe Hand, und dem erschien es, als hielte er für einen Augenblick einen toten kalten Fisch zwischen den Fingern.

Damit war das Geschäft besiegelt. Ribault spürte, wie alles um ihn herum hörbar aufatmete. Der Profos blickte ihn an, als sei er soeben vom Himmel gefallen. Ben Brightons Gesicht zeigte eine ungeheure Erleichterung, und die Augen der anderen begannen sich sanft zu verklären. Sie hatten einen unwahrscheinlichen Sieg errungen, einen Sieg, der List und Ausgekochtheit erforderte.

Jetzt erst befühlte Mitchell ausgiebig die Ballen, drückte sie, fingerte daran herum und mäkelte über dies und jenes.

Aber der Preis stand fest und war nicht mehr zu drücken.

Ben Brighton schlenderte über die Kuhl und blickte Ribault an.

„Du bist der ausgekochteste Hund, den ich kenne“, flüsterte er. „Bei dir kann der Dicke noch in die Lehre gehen.“

Ribault grinste genauso verschlagen wie der Kaufmann.

„Der Dicke wird sich noch wundern“, sagte er. „Mit den zweitausend ist er noch nicht aus dem Schneider.“

„Bist du wahnsinnig?“ zischte Brighton. „Was willst du denn jetzt noch von ihm?“

„Oh, ich kriege ihn schon dahin, wo ich ihn haben will. Der hat Wasser geschwitzt, nachher wird er Blut schwitzen.“

Ben Brighton bohrte ihm den Zeigefinger in den Bauch.

„Übertreibe es nicht“, warnte er. „Der Preis war vereinbart. Du kannst jetzt nicht noch mehr Geld verlangen!“

„Wer spricht denn von Geld?“ erwiderte Ribault leichthin. „Laß mich nur machen, es wird schon klappen.“

Als Ben Brighton zu einer Erwiderung ansetzen wollte, watschelte Mitchell heran. Seine Schweinsäuglein blitzten wieder, und im stillen dachte er, daß er den Franzosen bei diesem Geschäft doch noch kräftig übers Ohr gehauen hatte.

Allerdings dachte Ribault genauso. Er jedenfalls und die Crew, sie hatten ein hervorragendes Geschäft getätigt.

„Ich lasse die Ballen abholen, mein Lieber“, sagte der Dicke. „Jetzt gleich, wenn es Ihnen recht ist. Dürfen meine beiden Gehilfen an Bord?“

„Oui, Monsieur, bitte sehr.“

„Merde“, sagte Mitchell wieder.

Er hielt dieses Wort wohl für etwas Ähnliches wie „Danke“, registrierte aber verwundert, daß jedesmal die Gesichter so merkwürdig starr wurden. Vielleicht war das ebenfalls eine Höflichkeitsform dieser merkwürdigen Franzosen.

Zwei dümmlich glotzende Burschen stiegen an Deck und sahen sich staunend um. Ihre Blicke folgten Arwenack, der durch die Wanten turnte, über die Rahen lief und sich an die festgezurrten Segel hängte.

Stubbs, der Hafenkapitän, wollte sich gerade noch etwas von dem edlen Kraut in seine Pfeife stopfen, als Mitchell es bemerkte.

„Bist du wahnsinnig, Stubbs!“ fauchte er. „Leg sofort das Zeug wieder hin. Weißt du, was es mich gekostet hat?“

Stubbs nickte betrübt. Sein Vorhaben, noch eine Pfeife zu rauchen, gab er wieder auf.

„Los, tragt die Ballen von Bord!“ befahl Mitchell seinen beiden Gehilfen, die nicht wußten, was sie zuerst anglotzen sollten. Die eindrucksvollen Culverinen, von denen die „Isabella“ vierundzwanzig hatte, den herumturnenden Affen in seiner merkwürdigen Kleidung oder den Franzosen, der so ganz anders gekleidet war als alles, was sie jemals gesehen hatten.

„Ah, Monsieur, eine Kleinigkeit, bitte“, ertönte plötzlich Ribaults näselnde Stimme über das Deck. Er führte sein Tüchlein zum Mund und betupfte sich geckenhaft die Lippen. „Es ist üblich bei uns, zum Handelspreis zuzüglich zu liefern, die, – äh – Naturalien für die Mannschaft, verstehen Sie, mon ami?“

„Ich – ich verstehe kein Wort“, ächzte der Dicke, fassungslos vor dieser bodenlosen Unverschämtheit.

Ribault schob ihm in liebenswerter Bescheidenheit eine völlig unlogische Argumentation unter die Knollennase. Dabei bemühte er sich, möglichst Englisch zu sprechen, damit der Dicke ihn ja auch verstand und es keine Mißverständnisse gab.

„Sehen Sie, Monsieur. Auf unserer langen Route sind naturallement alle – äh – Vorräte weg. Aufgegessen. Jetzt benötigen wir neuen Proviant.“

Mitchell wich langsam zurück.

„Ich lasse Ihnen sofort das Geld bringen, Sir“, stieß er hervor. „Damit können Sie soviel Vorräte kaufen, wie Sie wollen.“

„Ah, non, mon ami. Sie werden sich doch nicht selbst beschämen vor Capitaine du Port, oder vor Maitre Garret. Was sollen diese Leute denken, wenn Sie sind so kleinlich, Monsieur. Dabei haben Sie ein einmaliges Geschäft getätigt.“

Mitchells Kinne reichten jetzt bis fast zur Brust. Sein tonnenförmiger Wanst vollführte einen Hüpfer und aus seinem Mund drangen glucksende Geräusche, die Arwenack im Großmast keckernd kopierte.

Blamieren konnte er sich schlecht. Ribault hatte ihn da schon an der richtigen Stelle gepackt. Lieferte er jetzt nicht noch ein paar Naturalien oder Viktualien, wie immer dieser verdammte Franzose es nannte, hinzu, dann würden sie ihn im Ort auslachen, und jeder würde mit dem Finger auf ihn zeigen. Also mußte er wohl oder übel in diese verdammte, faule Frucht beißen.

Gequält nickte er schließlich, wobei er vor Selbstmitleid fast zerfloß. Dieser Hund, dachte er immer wieder, dieser ausgekochte, dreimal verfluchte Franzose! Jetzt stand der affektierte Kerl auch noch wie zufällig mit dem Fuß auf seinen Tabakballen, so daß die beiden Gehilfen sich nicht trauten, auch nur einen der Ballen zu berühren. Dümmlich, in gebückter Haltung, standen sie da und warteten auf weitere Anweisungen ihres feisten Herrn.

„Gut“, sagte Mitchell und schluckte seine Wut hinunter. „Wenn Sie meinen, Sir! Ich werde Ihnen ein paar Kleinigkeiten dazugeben. Was benötigen Sie? Sicher Wasser, wie?“

„Oui, mon ami. Wasser ganz zum Schluß. Ich werde Ihnen aufschreiben, was wir benötigen.“

Mitchell winkte hastig ab.

„Nicht nötig, Sir, das kann ich auch so behalten.“

„Oh, Irrtum, Irrtum, mein Guter, die Liste ist ziemlich lang. Wir sind viele Leute.“

Er lächelte den Dicken blasiert an, dann krümmte er den Zeigefinger und winkte den Herkules mit dem Kinn, das wie der Achtersteven des Schiffes wirkte, zu sich heran.

„Pierre, bringe mir was zum Schreiben. Du hast gehört, wie großzügig Monsieur Mitchell zu uns ist.“

„Qui, Grandseigneur!“ brüllte Carberry so laut, daß sich die Umstehenden unwillkürlich duckten.

Carberry flitzte los, um das Gewünschte zu holen. Er nahm ein kleines Pergament, dazu Tinte und eine Feder. Ein winziges Fläschchen mit Sand zum Ablöschen steckte er auch noch ein.

In der Kapitänskammer stand Ben Brighton mit tränenden Augen. „So was Köstliches habe ich schon lange nicht mehr erlebt, Ed“, sagte er. „Hättest du das dem verdammten Piraten Ribault zugetraut?“

„Nie im Leben“, versicherte Ed Carberry und sah mißbilligend an seiner Kleidung hinunter. „Wie der mich behandelt hat! Ich wollte ihn zuerst anständig ver ...“

„Sei froh, daß wir ihn haben. Du hast doch auch deinen Spaß, oder?“ „Klar“, versicherte Carberry. „Jetzt schon.“

„Dann hau ab und verschwinde. Ich kann nicht an Deck erscheinen, sonst lach ich micht tot.“

„Aye, aye“, sagte der Profos grinsend. „Merde, Capitaine!“

„Verschwinde!“

Oben an Deck, in der Kuhl, breitete Ribault die Sachen aus. Dann nahm er die Feder in den Mund und dachte nach.

„Ah, ich werde Ihnen diktieren, Monsieur“, sagte er großzügig zu Mitchell und gab ihm Pergament und Feder. „Ich transpiriere. Schreiben strengt mich zu sehr an.“

Mitchells Hände zitterten heftig. Hoffentlich stellte dieser Franzose keine allzu großen Ansprüche, sonst blieb von dem Geschäft nicht mehr viel übrig.

„Bon. Wir brauchen drei Fässer Branntwein, Monsieur.“

„Äh – Branntwein habe ich leider nicht“, sagte Mitchell hastig.

„Dann nicht. Wir nehmen als Ersatz drei Fässer Whisky, zwanzig Schinken, abgehangen bitte, und zehn Dauerwürste.“

Mitchell schrieb mit klammen Fingern. Sein Gesicht zog sich in die Länge. Als er alles aufgeschrieben hatte, atmete er erleichtert auf, aber leider zu früh.

„Ein Faß Zucker, zwei Fässer Mehl und ein Faß Salz“, fuhr Ribault ungerührt fort. „Haben Sie? Ah, c’est bon.“

Mitchell zog einen Strich darunter. Dann wollte er aufstehen.

„Aber Monsieur“, sagte Ribault vorwurfsvoll und drückte den Dikken lächelnd und sanft wieder zurück. „Meine Leute können nicht leben von Mehl und Zucker. Es geht noch weiter. Une bagatelle, mein Guter, nicht viel. Denken Sie an das Geschäft.“

Mitchell starrte aus glasigen Augen auf das Pergament in seiner Hand. Entsagungsvoll nickte er. Dieser aristokratische Stutzer war nicht nur unverschämt. Er war ein ausgesprochener Nepper, der nichts anderes im Sinn hatte, als die Leute zu barbieren.

„Zehn Speckseiten“, zählte Ribault auf, „fünfhundert Eier, Hartbrot für zwei Wochen für die Mannschaft und natürlich Frischgemüse, zwei Fässer Weinkraut, damit meinen Leuten nicht immer die Zähne ausfallen auf der langen Route. Wir werden nämlich noch öfter Tabak bringen, mein Guter. Haben Sie?“

Ein Nicken erfolgte, wie es kläglicher kaum ausfallen konnte. Aus den Augenwinkeln sah Ribault, wie der Hafenkapitän Stubbs sich die Hände rieb und vergnügt vor sich hin grinste. Vermutlich gefiel es ihm auch, wie der Dicke diesmal eingeseift wurde.

„Weinkraut“, überlegte Ribault, „ach, das hatten wir. Jetzt fehlen noch vier frisch geschlachtete Gänse und zehn Hühner. Lebende Hühner, Monsieur. Wir wollen sie an Bord halten.“

Er überlegte einen Augenblick, griff sich an die Stirn und sah Mitchell nachdenklich an.

„Was fressen Hühner, mon ami?“

„Weizenkörner, Sir“, sagte der Dikke verdattert.

„Richtig. Weizenkörner und Mais, oder? Bon, mon ami, dann natürlich das Futter für die Hühner. Sagen wir für einen Monat.“

Der Dicke schrieb und schrieb. Unsichtbare Tränen liefen ihm aus den Augen. Er fühlte sich bankrott, pleite, total ausgelaugt und erledigt. Dieser Franzose hatte ihn hereingelegt wie noch niemand zuvor.

„Das wär’s denn“, sagte er entsagungsvoll und zog einen dicken Schlußstrich unter das Gewünschte. „Wollen Sie sich auch noch mein Geschäft unter den Nagel reißen, Sir?“

„Aber, mein Guter, wer wird Sie denn schädigen wollen? Das war wirklich alles. Halt! Da fällt mir noch etwas ein. Haben Sie schon Parfüm aufgeschrieben?“

„Parfüm, Sir? Wer, zum Teufel, braucht an Bord dieser Galeone Parfüm? Sie etwa?“

„Für mein Tüchlein, mon ami“, sagte Ribault ernsthaft.

Mitchell schniefte. Er ergriff ein eigenes Tüchlein, nicht so kostbar wie das des Franzosen, und schneuzte sich kräftig.

„Gut, noch ein Liter Parfüm. Ich bin ohnehin pleite. Brauchen Sie noch ein neues Schiff, Sir, oder tut’s der Kahn noch? Vielleicht fehlen Ihnen auch noch neue Segel oder ein paar Masten.“

„Segel?“ Ribault runzelte die Stirn. „Sie bringen mich da auf eine Idee, mein Guter.“

„Ich hab keine Segel“, jaulte der Dicke. „Und ich hab auch kein neues Schiff und erst recht keine Masten. Lassen Sie es gut sein, Sir, sonst muß ich betteln gehen.“

Schwankend bedeutete er seinen Gehilfen, jetzt endlich mit dem Abladen des verdammten Tabaks zu beginnen. Die beiden Kerle waren genauso verdattert wie Mitchell selbst. Der ganze Vorgang hatte ihnen die Sprache verschlagen.

Mitchell sah nicht so aus, als ob er sich von dem „Geschäft“ jemals wieder erholen würde. Ribault tat er fast ein wenig leid, wie er so dastand, krampfhaft vor sich hin starrte und wahrscheinlich überlegte, ob er an dem Tabak jemals soviel verdiente, wie er ausgegeben hatte.

Er trat auf den Dicken zu, klopfte ihm jovial auf die Schulter und tat dann etwas, das er zuvor mit Ben Brighton abgesprochen hatte.

Es war mehr oder weniger ein Versuch, ein Experiment, mit dem er gleichzeitig seine Großzügigkeit unter Beweis stellen konnte, zum anderen aber etwas Wichtiges erfahren würde.

Er griff in die Tasche, brachte eine atemberaubend schöne Perle von der Größe einer Erbse zum Vorschein und überreichte sie Mitchell mit einer kleinen lässigen Verbeugung.

„Auf unser Geschäft, Monsieur. Und dies hier überreiche ich Ihnen für die Frau Gemahlin.“

Mitchell, der schon wieder an eine neue Teufelei des Franzosen glaubte, trat einen Schritt vor, starrte die Perle an und nahm sie dann andächtig in die Hand.

Er sah nicht, daß überall an Bord Männer neugierig zu ihm herübersahen. Man wartete auf die Reaktion. Begeisterte sich der Dicke daran, oder nahm er es als selbstverständlich hin? Würde er die Perle achtlos in die Tasche stecken?

Ribault sah voller Spannung, wie der Dicke die Perle gierig an den Mund führte. Seine kleinen spitzen Zähne bissen zu, um die Echtheit zu prüfen. Er holte sie wieder hervor, besah sie sich. Die Perle wies nicht den geringsten Kratzer auf.

Da glitt ein Strahlen über das feiste Gesicht, wie es die Sonne selbst nicht besser hätte hervorzaubern können. Beglückt starrten seine Schweinsäuglein die kleine Kostbarkeit an.

„Sir, ich bin gerührt, Sie haben mich glücklich gemacht mit dieser Kostbarkeit.“

Impulsiv schritt er auf den Franzosen zu, ergriff dessen Hände und schüttelte sie ihm fast aus den Gelenken.

Ribault nickte nur. Seinen hervorbrechenden Grimm tarnte er geschickt durch ein paar höfliche Worte. Da der Dicke vor Höflichkeit schier zerfloß, mußte die Perle einen ganz gehörigen Wert darstellen.

Er sah, wie Mitchell das Kleinod vorsichtig in die Wesentasche gleiten ließ und besorgt hinterherschielte, damit es auch ja nicht verlorenging.

Verdammt! dachte Ribault. Wenn diese kleine erbensgroße Perle schon so einen großen Wert darstellte, wie mochte es dann erst mit der Ladung sein, die im Bauch der „Isabella“ lag? Damit konnte man nicht nur ganz England kaufen, sondern auch noch einige andere Länder dazu.

Die Perle schien dem Dicken noch wertvoller zu sein als der Tabak. Immer wieder betastete er seine Westentasche, um sich davon zu überzeugen, daß das Ding noch da war.

Ribault hätte also unbesorgt seine unverschämt scheinenden Forderungen noch höher schrauben können, zumindest was die Naturalien betraf. Er hätte noch zwei Schweine und einen ganzen Mastochsen dazu verlangen können.

Andererseits wußten sie jetzt ungefähr, wie sie dran waren.

Immerhin war es eine gute Lehre für sie alle gewesen, besonders für jene, die Ribault wegen seiner Unverschämtheit am liebsten verprügelt hätten und sie für maßlos übertrieben gehalten hatten.

Ribault beschloß, seinen Grimm nicht zu zeigen. Immerhin hatten sie ebenfalls ein gutes Geschäft abgeschlossen.

Seewölfe Paket 3

Подняться наверх