Читать книгу Seewölfe Paket 3 - Roy Palmer - Страница 32
9.
ОглавлениеAl Conroy kauerte wieder im Bug der Schaluppe hinter der vorderen Drehbasse. Carberry hatte sich mit der Schaluppe wohlweislich etwas zurückgehalten, als sie auf den Feind gestoßen waren. Jetzt eröffnete die „Isabella“ das Feuer auf die beiden Galeonen. Ben Drighton steuerte mit großem Geschick und verwegen wie der Teufel zwischen ihnen hindurch. Es krachte, daß die Trommelfelle dröhnten, und die Fetzen flogen den Spaniern nur so um die Ohren.
Die Segel der Spanier begannen zu brennen, weil Ben Brandpfeile hatte abfeuern lassen.
Auf der dritten Karavelle, die nördlich versetzt mit dem Heck zum Land und dem Bug zur See ankerte, hastete sofort alles an die Steuerbordseite. Carberry, einem bewährten Rezept folgend, schlich sich von der Backbordseite an. Warum sollte hier nicht funktionieren, was auch schon die „War Song“ in Teufels Küche gebracht hatte?
Carberry hockte gleich hinter Al.
„Noch nicht, Al“, zischte er.
„Bin ich des Teufels?“
Sie glitten auf die dunkle Bordwand der Karavelle zu. Sie waren keine zehn Yards mehr entfernt, da ereignete sich ein Zwischenfall. Ein Spanier, mochte der Himmel wissen, warum, steckte seine Nase über das Backbordschanzkleid. Er riß Mund und Augen auf, so weit er konnte, fuchtelte mit den Armen und begann zu schreien.
„Schöne Scheiße“, sagte Carberry. „Putz ihn weg, Al.“
Al senkte die Lunte auf das Zündloch der Basse. Die Ladung fuhr donnernd aus dem Lauf, raste auf den Mann zu und riß ihn von den Beinen. Sie hieb eine klaffende Bresche in das Backbordschanzkleid der Karavelle, fegte dann über die Kuhl und nahm, wie an den Schreien der Besatzung zu hören war, noch den einen oder anderen mit. Im Nu herrschte fürchterlicher Zustand auf dem Schiff.
„Gary!“ rief Profos Carberry. Das genügte.
Gary Andrews betätigte das Ruder der Schaluppe. Sie strichen hart in Lee der Karavelle in Richtung Land und sahen die Stückpforten der Karavelle drohend neben sich. Der Schweiß brach ihnen aus – aber spät, viel zu spät waren auch hier die Spanier an ihren Geschützen.
Die Schaluppe glitt hinter dem Heck der Karavelle hervor, der Nordwind fuhr in ihre Segel und brachte sie zum Killen. Carberry fluchte, Gary bearbeitete das Ruder, wie die Wahnsinnigen zerrten die anderen sechs an Brassen und Schoten. Die Schaluppe ging auf halben Wind und segelte nach Westen.
Dann war Al Conroy, der am besten von allen zielen konnte, am achteren Geschütz. Er zielte und preßte die Lippen zu einem Strich zusammen. Auf der Karavelle veranstalteten die Soldaten und Seeleute ein Heidenspektakel. Für die Kanonen befand sich die Schaluppe im toten Winkel, aber es wurden Musketen abgefeuert. Al, Gary, Carberry und die anderen zogen die Köpfe ein. Plötzlich hagelte es gehacktes Blei, Eisen und kleine Kugeln.
„Bastarde, Affenärsche, Söhne verlauster Hafenhuren!“ brüllte der Profos. „Wartet, wenn wir euch erwischen!“
Al blieb trotz allem eiskalt. Er nahm den Kopf wieder hoch, sobald es die Lage erlaubte – und zündete die Basse. Die Stichflamme leckte aus der Mündung und stieß die Ladung vor sich her. Sie fuhr ins Heck der Karavelle und erwischte das Ruder. Al lachte, als er es zersplittern sah.
„Ab durch die Mitte und nachladen“, ordnete Carberry an. „Wir haben die Hunde nicht versenkt, aber wenigstens können sie nicht mehr manövrieren.“
Sie folgten dem Verlauf der Küste und sahen die „Isabella“, die nun zum Angriff auf die beiden anderen Karavellen des Verbandes ansetzte.
Big Old Shane sichtete das Boot mit bloßen Augen. Es wurde von der einen Karavelle wie verrückt fortgepullt. Kein Zweifel, die Spanier dort versuchten, dem Inferno zu entgehen und das Land zu erreichen.
Shane sagte: „Halt dich fest, Arwenack, jetzt gibt es wieder Zunder.“
Er richtete sich hinter der Segeltuchverkleidung des Vormarses auf, legte den schon glimmenden Pfeil auf die linke geballte Hand, die den Bogen hielt. Den Schaft führte er auf die Sehne zu, dann klemmte er die Sehne und das Pfeilende zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand. Die Flamme an der Pfeilspitze loderte auf.
Shane zielte mit grimmiger Miene. Er rechnete das Absinken des Pfeiles in der Flugbahn mit, das bei einer derartigen Entfernung gegeben war. Er fluchte im stillen, dann ließ er den Pfeil von der Sehne schnellen.
Die lodernde Flamme zuckte in die Luft empor und zeichnete eine Linie in die Nacht. Sie sackte ab, fiel dem Boot entgegen und beleuchtete für eine Sekunde die Gestalten der Männer auf den Duchten. Sie pullten immer noch wie die Irren, aber sie entgingen Big Old Shanes Pfeil dennoch nicht.
Die Flamme stieß mitten in das Boot. Sie traf keinen Mann, aber die Besatzung brüllte dennoch los. Und das mit gutem Grund! Was Shane erhofft hatte, trat ein. Er hatte sich ausgerechnet, daß die Spanier wahrscheinlich in dem Boot Pulverfässer an Land beförderten. Er hatte sich nicht geirrt.
Eine feurige Lohe stieg urplötzlich aus dem Boot himmelan. Der gewaltige Donnerschlag erfolgte gleichzeitig, dann hob es das Boot hoch, trieb es auseinander, wirbelte seine Trümmerstücke durch die Gegend. Shane sah auch, was mit der Bootsbesatzung geschah. Er verzog keine Miene. Warum hatte er kein Mitleid? Nun, er hatte die Spanier zur Genüge kennengelernt. Sie hatten ihn in der Gefangenschaft nicht gerade verwöhnt. Sie konnten unvorstellbar grausam sein. Aber es ging ihm nicht darum, Grausamkeit mit Grausamkeit zu vergelten, sondern nur um das eine: Sie mußten es lernen, diese hochnäsigen, überheblichen Dons, daß sie nicht die ganze Welt beherrschen konnten. Es gab Grenzen, die auch sie berücksichtigen mußten. Gut, der Stärkere hatte immer recht, aber irgendwo fand auch er seinen Meister.
In diesem Sinne handelte auch Hasard. Die Spanier hatten beschlossen, daß die Neue Welt mit ihren Gold- und Silberschätzen ihnen gehörte, aber warum sollte man es ihnen so leicht machen? England war, im Vergleich mit Spanien gesehen, ein armseliger Tropf und Habenichts, da war es mehr als legal, wenn er dem großen Philipp II. von Spanien etwas von seinem immensen Reichtum abzwickte und ihm beibrachte, daß auch Engländer etwas von der Seefahrt verstanden.
Und ob die „Isabella“-Crew etwas davon verstand! Die Wiegen der meisten Männer hatten im Gleichklang mit den Wogen der See geschaukelt, die Seefahrt war ihnen von Kind auf gleichsam in den Schoß gelegt worden. Und es mangelte ihnen auch nicht an Kampfgeist und Erfahrung – nicht, seit sie unter dem Seewolf fuhren!
Die Reste des explodierten Beibootes verteilten sich auf das Wasser. Die „Isabella V.“ segelte mitten über die Stelle hinweg, an der es von Shanes Brandpfeil getroffen worden war. Die Culverinen und Drehbassen waren in aller Eile nachgeladen worden, aber natürlich hatten die wenigen Männer es nicht schaffen können, alle Geschütze mit Pulver und Kugeln zu füllen. Sechs Kanonen standen an jeder Seite der Kuhl feuerbereit, zwei beziehungsweise immer noch sechs Drehbassen waren es auf Back und Achterdeck.
Die „Isabella“ schob sich zwischen Land und einer der Karavellen. Ehe der Gegner richtig begriff, daß es ihm an den Kragen ging, erteilte Ben Brighton den Feuerbefehl. Röhrend entließen die 17-Pfünder der Backbordseite ihre Ladungen. Das Resultat war verheerend. Das Steuerbordschanzkleid der Karavelle wurde aufgerissen, einige Kugeln trafen auch tiefer in die Bordwand, ein paar Lecks entstanden unterhalb der Wasserlinie.
„Volltreffer!“ jubelte der alte O’Flynn.
Shane grinste und ließ in rasender Folge die brennenden Pfeile von der Sehne surren. Batuti war auch wieder im Einsatz. Ein dichter Regen von Pfeilen ging auf die Karavelle nieder, und binnen weniger Sekunden stand ihre gesamte Takelage in hellen Flammen. Das Geschrei auf allen Schiffen wurde immer lauter. Das totale Chaos bahnte sich an.
Die „Isabella“ entging dem gegnerischen Feuer. Sie stieß nach Südwesten, ließ die spanischen Schiffe und Pendennis Castle achteraus liegen, fuhr dann eine Halse und steuerte über Steuerbordbug auf die dritte Karavelle zu, die in Lee der zweiten ankerte. Die Kugeln aus den Steuerbordgeschützen der zweiten spanischen Karavelle rasten heulend auf Land zu, richteten aber nichts an. Sie rissen nur ein paar Wasserfontänen hoch.
Die zweimastige Schaluppe mit Carberry und seinen sieben Getreuen hatte nun ebenfalls die schwer angeschlagene Karavelle erreicht und gab ihr den Rest. Die „Isabella“ war die eherne, uneinnehmbare Festung, die sich breit und drohend zwischen den Gegnern bewegte und durch Überlegenheit in der Armierung glänzte. Die Schaluppe war ein flinker Schatten, der einfach nicht zu fassen war, ihre Stärke lag in der List und Manövrierkunst ihrer kleinen Crew.
Die „Isabella“ rauschte hart am Wind an der dritten Karavelle vorbei und begrüßte sie mit ihrer halben Steuerbordbreitseite. Wieder flogen die Brandpfeile. Die Spanier eröffneten trotzdem das Feuer. Sie hatten am längsten Zeit gehabt, sich auf die Auseinandersetzung vorzubereiten. Die Schrecksekunden waren verflogen, jetzt antworten sie voll Erbitterung und Haß. Ben Brightons Männer lagen jählings flach auf den Bäuchen. Kugeln jaulten über sie weg. Ben Brighton kauerte auf dem Achterdeck, wartete seinen Augenblick ab und ließ dann seine Drehbassen sprechen. In einem Moment, in dem die Spanier nicht mehr damit rechneten, sandte er sechs gut gezielte Geschosse zu ihnen hinüber und richtete fast mehr damit an als die Kugeln der 17-Pfünder.
Ben wandte sich von den leergeschossenen Bassen ab und lief nach vorn an die Five-Rail. Er sah jetzt, daß es die zuerst angegriffene Galeone schwer erwischt hatte. Ihr Bauch füllte sich gurgelnd mit Wasser. Sie ging auf Tiefe. Zwölf gestanzte Kugellöcher der ersten Backbordbreitseite prangten in ihrer Backbordwand. Ben hatte gesehen, daß keine Kugel ihr Ziel verfehlt hatte. Die Galeone sank. Ihre Takelage brannte lichterloh, doch das bald über Deck sprudelnde Seewasser löschte den Brand von unten her.
Die andere Galeone hing tief mit dem Heck im Wasser und legte sich langsam auf die Seite. Ben drehte den Kopf und stellte zu seiner Genugtuung fest, daß sich auf den beiden Karavellen der Brand ausbreitete. Wer auf den vier erledigten Schiffen noch überleben wollte, der sprang kopfüber ins Wasser, tauchte weg und schwamm auf das Land zu. Diese Männer ließen sowohl die Crew der „Isabella“ als auch die Besatzung der Schaluppe in Frieden.
Die dritte Karavelle befand sich auch außer Gefecht. Ihr Kapitän hatte die Ankertrosse kappen lassen. Da aber das Ruder zerstört war, trieb das Schiff zunächst bedrohlich nahe an den Hecks der Galeonen vorbei und dann allmählich auf das Ufer zu. Sicherlich hatte der Kapitän gehofft, vom Nordwind auf die offene See gedrückt zu werden. Doch er hätte entsprechend manövrieren müssen. Da er es nicht mehr konnte, wurde seine Karavelle glatt auf eine nach Osten weisende Landzunge gesetzt.
Und erst jetzt brüllten die Kanonen von Pendennis Castle auf. Ben Brighton und seine Männer sahen die Mündungsblitze zucken und hörten den Geschützdonner. Ein Kugelregen ging auf den kläglichen Rest von Soldaten nieder, die sich unter dem Kommando der spanischen Kapitäne an Land und in den letzten Beibooten versammelt hatten.
„Sie kriegen ihr Fett, aber gründlich“, sagte der alte O’Flynn zufrieden.
„Wir haben hier nichts mehr zu tun“, sagte Ben, „und können Pendennis Castle den Rücken kehren.“
„Na dann“, sagte der Alte. „Arwenack!“
„Arwenack!“ riefen die Männer der „Isabella“, und die achtköpfige Crew der Schaluppe fiel mit ein.
„Kehren wir jetzt auf die ‚Isabella‘ zurück und lassen die Schaluppe hier zurück?“ erkundigte sich Matt Davies an Bord des Zweimasters.
„Bist du krank?“ wetterte Carberry. „Natürlich nehmen wir die Schaluppe mit. Erstens ist sie ein schmukkes Schiff, und zweitens habt ihr Kakerlaken sie doch bezahlt, was, wie?“
Die „Isabella V.“ und die Schaluppe verschwanden wie Geisterschiffe in der Nacht. Hinter ihnen loderte als weithin sichtbares Fanal das Feuer der spanischen Schiffe. Die Kanonen von Pendennis Castle donnerten unaufhörlich weiter. Sie rüttelten die letzten Bürger von Falmouth, die unerschütterlichen Tiefschläfer, wach, lockten sie aus ihren Häusern und läuteten den Tod der letzten kämpfenden Spanier ein. In Falmouth war alles auf den Beinen. Und einige von denen, die neugierig an die Küste geflohen waren, nahmen noch die Umrisse der fortsegelnden Retter in der Not wahr.
Die Männer des Seewolfes hatten unter Einsatz ihres Lebens das Leben Hunderter von Menschen gerettet. Und sie hatten den Besitz ihres wüstesten Feindes verteidigt und beschützt, den Besitz von Sir John Killigrew.
Sie wollten keinen Dank. Sie wollten die Unendlichkeit der See und die Sicherheit und Geborgenheit, die ihnen dieses großartige, unberechenbare und doch so geliebte Element bot.