Читать книгу Seewölfe Paket 3 - Roy Palmer - Страница 40

7.

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Als es dämmerte, erreichte Donegal Daniel O’Flynn den nördlichen Stadtrand von Plymouth.

Ein paarmal hatte er sich in dieser Nacht vor Männern, die er nicht kannte und denen er besser aus dem Weg ging, verstecken müssen. Wer weiß, vielleicht gehörten sie einer geheimen Polizei an oder standen im Dienst des Friedensrichters. Jedenfalls schien es Dan so, als fischten sie ebenfalls im Trüben.

Weit vor sich, im nebligen Morgen, erkannte er eine Schmiede, an die sich eine Pferdekoppel anschloß. Mehr als zwanzig Pferde zählte er. Das war ihm gerade recht. Vermutlich verkaufte der Schmied auch Pferde.

Der Mann war schon an der Arbeit, trotz der frühen Stunde. Er schwang den Hammer und bearbeitete etwas, das vor ihm auf dem Amboß lag. Das helle Klingen erfüllte den ganzen Morgen.

Von Müdigkeit war bei Dan nichts zu spüren. Er fühlte sich frisch und ausgeruht – und unternehmungslustig.

Ein großer Hund lief auf ihn zu, beschnüffelte ihn und sprang immer wieder an ihm hoch. Laut kläffend rannte er neben Dan her, umkreiste ihn und jagte dann zur Schmiede.

Jetzt blickte der Schmied, der in seine Arbeit vertieft war, hoch, als Dan auf ihn zutrat.

„Guten Morgen“, grüßte Dan freundlich. „So früh schon bei der Arbeit, Meister?“

„Der Morgen ist das schönste am ganzen Tag“, brummte der Schmied. „Wer ihn verschläft, ist selber schuld.“

„Genau das sage ich auch immer. Schöne Pferde haben Sie da. Verkaufen Sie die?“

„Wollen Sie denn eins?“

Dan nickte. „Ja, ich will nach Westen reiten. Gestern war ich bei einem Pferdehändler, aber der war mir zu teuer.“

Der Schmied nannte ihm zögernd einen Preis, aber das gewitzte Bürschchen roch den Braten sofort. Abwehrend hob er die Hände.

„Das ist ja noch teurer als bei dem Pferdehändler in Plymouth“, sagte er entrüstet.

„Das ist natürlich der Preis für den teuersten Gaul“, erklärte der Schmied hastig. „Den teuersten und besten. Die anderen sind natürlich billiger.“

Alter Gauner, dachte Dan. Jeder versuchte hier doch ständig, einen übers Ohr zu hauen.

„Nun, ich brauche das Pferd nicht unbedingt, Meister. Ich kann auch wandern. Aber das Reiten ist bequemer und einfacher. Nur muß es ein vernünftiger Preis sein.“

„Ein vernünftiger Preis und ein gutes Pferd“, versicherte der Schmied ernst. Dieser Bursche schien sich auszukennen, der war nicht zu leimen. Mit Dan zusammen ging er zu der Koppel.

Das Bürschchen benötigte für sein Vorhaben nicht unbedingt das beste Pferd. Hauptsache, das Tier befand sich in gutem Zustand und konnte laufen. Nach kurzem Suchen entschied er sich für einen dunklen Hengst. Der Schmied nannte ihm jetzt einen akzeptablen Preis. Er führte das Pferd von der Koppel zur Schmiede, besah sich die Hufe und fand, daß sie in Ordnung waren.

Danach kaufte Dan sich noch das Sattelzeug, und der Schmied rüstete ihn mit Proviant aus.

Der Morgen begann jetzt heller zu werden. Die Sonne ging auf, aber am Horizont türmten sich schon wieder Wolken zusammen. Die Kraft der Sonne reichte noch nicht aus, die Erde zu erwärmen.

Dan verabschiedete sich von dem Schmied, erwähnte noch einmal ganz beiläufig, daß er nach Westen reite, und schwang sich auf den Hengst.

Es klappte besser, als Dan erwartet hatte. Die Schaukelei war er gewöhnt. Das Pferd lief nicht schnell, es verfiel in einen leichten Trab, den Dan als angenehm empfand.

Er ritt so lange nach Westen, bis die Schmiede aus seinem Gesichtsfeld verschwand. Danach bewegte er sich in nördlicher Richtung weiter.

Die Landschaft um ihn herum veränderte sich kaum. Ein paarmal tauchten flache Hügel auf, bewachsen mit Büschen und blattlosen Bäumen. Dann wurde es eben.

Die Sonne war jetzt verschwunden. Ein kühler Wind begann zu wehen.

Das Bürschchen ritt weiter, pausenlos, mehrere Stunden hindurch. Ab und zu nahm er einen kleinen Schluck aus der Flasche.

Um ihn herum war alles wie ausgestorben. Außer ein paar wilden Kaninchen bekam er keine Seele zu Gesicht. Ihm war es recht, denn wo Menschen waren, gab es zumeist auch Ärger.

In der Ferne schimmerte das Wasser eines Flusses herüber. Dan verhielt den Hengst, um sich zu orientieren.

Das mußte der Tamar River sein, den es zu überqueren galt.

Er ritt jetzt schneller. Hoffentlich fand er eine seichte Furt, wo er hinüber konnte, ohne naß zu werden. Bei der Kälte hatte er keine große Lust, den River zu durchschwimmen.

Der Tamar River glitzerte wie Eis, als er sich näherte. Feine, weiße Nebel kräuselten sich an manchen Stellen seiner Oberfläche.

Dan ritt am Ufer entlang, bis er einen Übergang fand. Der Hengst schreckte zurück, als er die Hufe in das Wasser tauchte. Heftig schüttelte er die Mähne und schnaubte.

„Wir müssen da durch, Alter“, sagte Dan. „So oder so. Nun zier dich nicht lange!“

Das Pferd tänzelte. Erst als Dan es mit harter Hand zwang, bequemte es sich mit auf und ab nickendem Kopf, in den River zu gehen. Der Fluß war nicht tief, aber kalt. Dan zog die Beine hoch, damit sie nicht naß wurden. Das Wasser ging dem Pferd nur bis an den Bauch, als sie in der Flußmitte waren. Gleich darauf wurde es wieder flacher. Der Hengst stieg aus dem Wasser ans Ufer und schüttelte sich heftig.

Von nun an mußte Dan die Richtung ändern. Sein Weg führte ihn nun westwärts in Richtung auf das Bodmin Moor.

Vor dem Moor hatte er einen leichten Bammel. Er hatte zwar gehört, daß es hier Wege gab, aber er kannte sie nicht genau und wußte, daß er, geriet er einmal vom Weg ab, in dem zähen Moor versinken würde.

Überall gab es jetzt dichte Buschgruppen, die mit hohem Schilf abwechselten. Der Boden wurde weicher und nachgiebiger.

Das ging eine halbe Stunde so, dann ritt er auf festem Boden weiter. Nicht mehr lange, und wieder hatte er das Gefühl, auf einer Unterlage aus Kork zu reiten. Jetzt mußte er aufpassen.

Der Hengst schnaubte laut. Aus seinen Nüstern stieg weißer Atem.

Dan beobachtete genau den Boden. Es gab keine Spuren darauf, und es sah nicht so aus, als sei hier schon einmal jemand entlanggeritten.

Da blieb das Pferd plötzlich stehen, scharrte mit den Hufen und setzte ganz vorsichtig ein Bein vor das andere. Vor ihm gab der Boden plötzlich nach.

Dan sah es gerade noch rechtzeitig. Mit einem wilden Satz sprang er aus dem Sattel und zurück. Auch das Pferd zuckte zurück und gelangte wieder auf festen Boden.

„Verdammt“, fluchte Dan O’Flynn. „Der Boden ist so tückisch wie die Spanier. Mist, verfluchter!“

Deutlich war der Hufabdruck im moorigen Untergrund zu sehen, der sich langsam mit Wasser füllte, das von nirgendwoher zu kommen schien. Es war einfach da und sickerte in die Abdrücke.

Er war auf dem falschen Weg. Er mußte hinüber in die Richtung, wo die Buschreihen standen. Dort war der Boden sicher fester und nicht so gefährlich. Vorsichtig dirigierte er den Hengst weiter nach links. Und schon wurde es besser.

Die sechs verwildert aussehenden Kerle lungerten schon seit ein paar Tagen in dieser Gegend herum. Sie trugen zottige Bärte, sahen ungewaschen und verdreckt aus.

Vorgestern hatten sie den letzten ausgeplündert, der durch diese Gegend gewandert war, einen kleinen Handwerker, der nicht viel bei sich gehabt hatte.

Seine Leiche war im Moor verschwunden, ohne die geringste Spur zu hinterlassen.

Sie hatten sich hinter den Büschen primitiv eingerichtet, Zweige und Decken zu einer Art Behausung errichtet, in der sie gegen den Wind und die Kälte einigermaßen geschützt waren.

Jetzt warteten die Wegelagerer auf ein neues Opfer. Sie hatten Zeit, denn ab und zu durchquerte immer mal jemand diese Gegend.

Ihr Anführer, ein ruppiger breitschultriger Kerl mit wildem Haar- und Bartwuchs, richtete sich plötzlich auf.

„Ich höre Hufschlag“, sagte er zu den anderen, die sofort aufsprangen und durch die Büsche linsten.

Die klare Luft trug den Schall meilenweit. Der Reiter war noch nicht zu sehen, aber sie hörten das Klappern der Hufe immer deutlicher.

Der Anführer grinste breit. „Er reitet genau über unseren Weg. Der scheint sich hier auszukennen und weiß, wo der Weg hart und fest ist, Los, den Strick her!“

Die weiter hinten stehenden Büsche verbargen den Reiter immer noch.

Zwei der Gauner legten ein paar Äste auf den Weg, unter denen sie den Strick verbargen. Sie stellten sich auf die andere Seite zwischen die Büsche und warteten. Nur der Anführer hob ab und zu den Kopf, um zu sehen, wie nahe der Reiter war.

„Hoho“, begann er zu lachen. „Da trabt er heran, sorglos und den Kopf voller Schmetterlinge. Ein junger Laffe, der gleich sein blaues Wunder erleben wird. Provianttaschen hängen an der Seite des Gauls. Na, wir haben es nötig. Hoffentlich hat er auch Geld.“

Die anderen grinsten gierig. Ein blonder Kerl lachte ebenfalls.

„Den murkse ich mit einer Hand ab“, versicherte er. „Und danach wird er gerupft wie eine Gans. Achtung! Er ist nicht mehr weit. Runter mit den Köpfen!“

Sehnige Hände hielten das Seil fest. Sechs Männer grinsten voller Erwartung.

Dan O’Flynn ritt ahnungslos in den Hinterhalt. Er hatte jetzt einen Weg gefunden, der fest und hart war. Nur rechts und links war der Boden schwammig und weich. Und weiter zur linken Seite hin erstreckte sich eine Fläche, die verdächtig gluckerte. Immer wieder sah er Blasen aufsteigen, die träge an der Oberfläche zerplatzten.

Er verhielt das Pferd, um sich zu orientieren. Hier lief so etwas entlang wie ein Pfad. Er erkannte auch Spuren, zerrupfte Büsche, von denen man Zweige abgebrochen hatte, und Hufabdrücke, die aber nur schwach sichtbar waren.

Er beschloß, hinter der Buschgruppe die erste Rast einzulegen und etwas zu essen und zu trinken.

Er spornte den Hengst an, der in einen leichten Galopp verfiel.

Plötzlich hatte Dan das Gefühl, seine Brust würde zerreißen. Sein Körper wurde von einer unsichtbaren Gewalt gebremst und durch die Luft geschleudert. Hart landete er auf dem Boden, und ein heißer Schmerz zuckte durch seinen Körper.

Als er sich etwas benommen aufrichten wollte, griffen schon harte Fäuste nach ihm und zerrten ihn hoch. Er empfing einen brutalen Tritt in den Magen, der ihn zurückwarf. Hände umklammerten von hinten seinen Hals und drückten erbarmungslos zu. Ein weiterer Schlag traf ihn hart dann ein nächster ins Gesicht.

Vor seinen Augen begann es bunt zu flimmern. Undeutlich sah er ein paar Gestalten um sich herum, eine davon fing gerade sein Pferd ein. Fäuste rissen und zerrten an ihm.

Wegelagerer! schoß es ihm durch den Kopf. Straßenräuber, die ihn mittels eines quergespannten Seils vom Pferd gerissen hatten. Daher der plötzliche, schneidende Schmerz.

„Na wartet, ihr Schweine“, keuchte er.

Die Arme hatten sie ihm auf den Rücken gerissen. Einer fummelte mit einer Hanfschlinge an seinem Hals herum.

Da wuchs Dan O’Flynn über sich selbst hinaus. Verdammt! Er kannte im Kämpfen alle miesen Tricks, die es gab. Er hatte gegen Spanier und ausgekochte Piraten gekämpft, er hatte Schiffe geentert und sich auf Leben und Tod geprügelt.

Dan sprang hoch, obwohl die anderen ihn hielten. Seine Stiefel knallten dem Kerl, der die Schlinge über seinen Kopf streifen wollte, hart ins Gesicht. Blut schoß aus dessen Mund und Nase. Er schrie gellend auf und hielt sich beide Hände vor die Augen.

Einen Augenblick waren die beiden anderen verblüfft. Mit einer so schnellen Reaktion hatten sie nicht gerechnet. Da Dan die Beine vom Boden hob, verstärkte sich sein Gewicht. Einer der beiden ging etwas in die Knie.

Dan schlug mit dem Kopf nach hinten. Ein Aufschrei zeigte ihm, daß wieder einer der Wegelagerer getroffen war und augenblicklich vor Schmerzen losließ.

Jetzt geriet Dan in Fahrt. Hemmungen waren bei diesen Galgenvögeln nicht angebracht – und er kannte auch keine. Er hatte sich längst zu einem knallharten Kämpfer gemausert, und er war auch nicht dumm.

Wieselflink fuhr er herum.

„Arwenack!“ brüllte er laut.

Die Figuren erstarrten, obwohl sie in der Überzahl waren. Dieses harte grimmige Gesicht flößte ihnen Furcht ein. Dieser schmale Kerl schien der Hölle selbst entsprungen zu sein, wie er herumwirbelte, ein Messer zog und dem anderen die Klinge ins Herz rammte.

Bevor sie nur einen Atemzug getan hatten, lag einer ihrer Kumpane bereits tot am Boden.

Dem nächsten schlug Dan die Faust zwischen die Augen. Ein Tritt in den Unterleib setzte ihn vorübergehend außer Gefecht.

Zu viert drangen sie jetzt auf ihn ein. Die Angst und das nackte Entsetzen beflügelte sie. Brüllend stürmten sie vor.

Dan O’Flynn nahm einen Schwinger mit voller Absicht. Er zuckte zusammen, aber den Kerl hatte er auf Körpernähe. Zweimal stieß sein Messer zu. Zweimal hintereinander erfolgte ein tierischer Aufschrei. Der Mann sank ihm tot entgegen. Dan hob das Knie und setzte es ihm unters Kinn.

Jetzt hatte er noch drei Mann vor sich, die sicher schon bereuten, auf was sie sich eingelassen hatten. Die hätten sich lieber den Teufel aus der Hölle gewünscht als diesen knallharten Satansbraten, der keine Angst kannte und nun selber zum Angriff überging.

Dazwischen ertönte immer wieder sein Kampfgebrüll, mit dem er auf die Männer eindrang.

„Arwenack!“ brüllte Dan. „Arwenack!“

Er kämpfte wie ein Berserker, als gelte es, ganz allein eine spanische Galeone zu entern. Ein rasender Teufel, blondhaarig und wild, der mit dem Messer und den Fäusten umzugehen verstand wie kein zweiter.

Dan setzte alles ein. Es ging nicht um ihn, es ging um die Männer, den Seewolf, die „Isabella“. Das alles konnte er nicht wegen ein paar Wegelagerern aufs Spiel setzen. Diesen Halunken wollte er zeigen, was in ihm steckte.

Wie ein reißendes Tier sprang er den nächsten an, der entsetzt zu flüchten versuchte. Seine Hände gruben sich in dessen Hals und packten kraftvoll zu. Seine Stirn knallte in ein Gesicht, das sich zu einer Grimasse der Angst verzerrte.

Er packte den Kerl bei den Ohren, wirbelte ihn herum und schlug dessen Schädel gegen einen anderen, daß es nur so krachte.

Aber immer noch waren es vier Mann, denn der eine kam gerade auf die Beine. Dan O’Flynn tänzelte um ihn herum, als er sich gerade mühsam erheben wollte.

Sein Stiefel krachte gegen dessen Schädel. Benommen kippte der Kerl vom Weg und landete in der moorigen Wiese. Er schaffte es nicht mehr, sich zu erheben, denn der moorige Untergrund nahm ihn auf, hüllte ihn ein und zog ihn mit ekelhaft schmatzenden Geräuschen in das tödliche Bett hinunter.

„Kommt nur her, ihr Hurensöhne!“ brüllte Dan. Er stieß ein Knurren aus wie ein hungriger Wolf.

Immer noch drei Kerle, die jetzt einsahen, daß sie etwas falsch angepackt hatten. Ihr letzter Rest Vernunft sagte ihnen, daß sie mit dem schmalen Kerl fertig werden mußten, wenn sie sich nicht bis auf die Knochen blamieren wollten. Der struppige Anführer gab keuchend ein paar Befehle.

Sofort ließ alles von Dan ab. Einer war so benommen, daß er taumelte und sich nur mühsam auf den Beinen hielt.

„Wir knüppeln ihn nieder!“ keuchte der Bärtige. „Paß auf sein Messer auf, nehmt Steine! Schlagt diese Ratte tot!“

Einer lief ein paar Schritte zurück, griff nach einem Knüppel und schwang ihn über seinem Kopf. Die beiden anderen rückten von rechts und links auf Dan zu, der langsam zurückwich.

„Er hat die Hosen voll!“ brüllte der Anführer, der die Taktik des Bürschchens noch nicht durchschaut hatte. „Los jetzt, auf ihn! Los!“

Auf dem schmalen Weg blieb nicht viel Platz für die, die von der Seite angriffen. Mit ihrem Gebrüll heizten sie gegenseitig ihren Mut an.

Dan wich immer noch zurück. Er sah die verschwitzten, haßerfüllten Gesichter, in denen tagealte Bärte wucherten. Aufgerissene Augen starrten ihn an. Dem einen lief das Blut aus einer Kopfwunde an der Stirn.

Sie stürmten vor, griffen halb von der Seite an. Der Anführer holte mit dem Knüppel aus. Der Kerl von rechts wollte sich auf ihn stürzen.

Doch da war Donegal Daniel O’Flynn plötzlich vorn. Er stoppte und rannte genau auf den Anführer los. Der Knüppel pfiff durch die Luft und erwischte Dan am Schultergelenk, in dem er sofort ein taubes Gefühl hatte. Aber er hatte erreicht, was er wollte. Ein zweites Mal konnte der Bärtige nicht mehr zuschlagen, und den einen Hieb verdaute Dan schon.

Er holte mit der rechten Hand aus, das Messer blitzte, dann wechselte es im Ausholen blitzschnell in die linke Hand. Die Klinge fuhr dem Bärtigen in den Hals, der gurgelnd auf den Hinterkopf fiel und sich nicht mehr bewegte. Mit dem pulsierenden Blutstrom verließ das Leben seinen Körper.

Zwei Mann noch! Einer davon schwer angeschlagen. Obwohl ihr Anführer tot war, gaben sie noch nicht auf. Sie unternahmen einen letzten Angriff.

Dan knöpfte sich den Burschen vor, der noch gut erhalten war. Er ließ ihn dicht heran, bis er die gebleckten Zähne des Kerls sah, aus dessen Miene ziemliche Angst sprach. Er unterlief die Faust, drehte sich um seine Achse, packte den Burschen und hebelte ihn über die Schulter. Er hörte, wie der Arm brach, aber die Kerle hatten es ja nicht anders gewollt. Sie hätten ihn umgebracht, ausgeplündert und seine Leiche im Moor versenkt.

Und der Seewolf würde in Sir Freemonts Haus liegen und vergeblich auf eine Meldung warten. Und seine Kameraden von der „Isabella“ ...

Da war es schon besser, wenn diese sechs Galgenvögel zum Teufel gingen. Sie waren nichts anderes als Mörder, die man früher oder später doch erwischt und gehenkt hätte.

Er sah, wie der Kerl im Moor landete und wild mit den Armen schlug, um sich aus der zähen Masse zu befreien. Vergeblich. Saugend packte ihn das Moor und gab unter seinem Gewicht nach. Ein langgezogener Schrei folgte. Immer wilder schlug der Mann um sich. Immer schneller versank er. Sein Oberkörper verschwand, der Moorsud schwappte in seinen Mund. Dann war er gurgelnd weg.

Der Letzte stand zähneklappernd und schlotternd da. Sein Blick war leicht getrübt, er zitterte am ganzen Körper.

„Du – du Teufel“, stammelte er. „Du hast sie alle umgebracht. Alle fünf. Du ganz allein!“

„Und jetzt bist du an der Reihe“, versicherte Dan und ging langsam auf den zurückweichenden Mann zu. Hart vor ihm blieb er stehen, das blutige Messer in der Faust. Sein Grinsen war eiskalt, in den Augen schimmerte es.

„Hilfe! Mörder!“ kreischte der Mann. „Helft mir doch!“

„Wer soll dir denn helfen, du Hurensohn! Hier hilft dir niemand mehr. Du kannst gleich freiwillig ins Moor springen!“

Dan O’Flynn setzte dem Kerl das Messer an die Kehle. In seiner grenzenlosen Angst vor diesem rasenden Teufel setzte der Bursche sich auf den Boden und schnitt ein klägliches Gesicht.

Und dann breitete sich ein penetranter Geruch aus, der die klare Luft verpestete. Dan verzog das Gesicht.

„In die Hose geschissen!“ sagte er angewidert. „Du bist ja ein richtiger Scheißer! Ist dir deine große Schnauze jetzt vergangen?“

„Laß mich am Leben“, winselte der Mann. „Ich geb dir alles, was ich habe. Geld, Proviant. Aber laß mich leben, bitte!“

Dan spuckte vor ihm auf den Boden. Verächtlich drehte er sich um. „Meinetwegen“, sagte er, „dein Leben ist sowieso beschissen.“

Er wischte das Messer ab und steckte es ein. Der Kerl humpelte hinter ihm her und bettelte immer wieder um sein Leben.

Er konnte es immer noch nicht fassen, daß dieser Bursche fünf Männer umgebracht hatte. Dabei war er ahnungslos in die Falle gegangen und hatte den Nachteil gehabt. Was mußte das nur für ein Teufel sein?

Dan sah sich das Lager an, die aus Gestrüpp und alten Decken zusammengeflickte Behausung. Viel Proviant war nicht mehr da, es hätte nur noch für ein paar Tage gereicht.

„Wie viele Leute habt ihr schon umgebracht?“ fragte er. „Aber sag mir die Wahrheit, sonst lernst du auch noch das Messer kennen!“

„Vier“, murmelte der Mann. „Eine Frau war dabei.“

„Eine Frau?“ fragte Dan und glaubte, sich verhört zu haben. „Was seid ihr doch für feige Schweine!“

An dem Proviant wollte er sich nicht bereichern, und Geld hatte er selbst. Also ließ er alles liegen und stehen, wie es war.

„Wer hat die Frau ermor ...“ Er brach ab. Verblüfft sah er, wie der Strauchdieb sich gerade auf sein Pferd schwang, ihm die Hacken in die Weichen rammte und losgaloppierte.

Dan jagte los. Noch im Laufen zog er das schwere Messer, mit dem er umzugehen verstand wie kein anderer. Er hielt ein paar Schritte mit dem Hengst mit, dann blieb er stehen und holte mit Schwung aus.

Die breite Klinge verschwand bis zum Heft zwischen den Schulterblättern des Gauners, der ihn hatte überlisten wollen.

Als das Pferd zitternd stehenblieb, kippte der Wegelagerer schwer zur Seite. Seine Hand griff haltsuchend in die Luft. Wie ein Sack kippte er auf den Boden.

Dan O’Flynn war mit ein paar Sätzen bei ihm. Er sah einen weit aufgerissenen Mund mit gelben Zähnen, hinter denen blutiger Schaum hervorbrach.

„Das hättest du dir sparen können. Aber du hast nichts dazugelernt, du hinterhältiger Hund!“

„Du – du Teufel“, zischte der Mann. „Dich – dich hat die Hölle selbst ausgespuckt. Der – der Teu – Teufel ist ein Engel gegen dich. So was ...“

Sein Blick brach. Er wälzte sich zur Seite und bäumte noch einmal den Oberkörper auf. Dann sackte er zusammen.

Dan nahm sein Messer. Darauf konnte er unter keinen Umständen verzichten. Wer wußte, was hier im Moor noch alles herumlungerte und harmlose Leute abmurkste.

Sechs Tote hatte es gegeben, stellte er fest. Und dabei lief ihm doch ein kalter Schauer über den abgebrühten Rücken.

Bevor er weiterritt, warf er die Leichen ins Moor.

Sein Weg führte ihn weiter nach Nordwesten. Zur Küste hin.

Seewölfe Paket 3

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